180
16/4
Zeus …
Wahrscheinlicher vollständiger Wortlaut: „Zevs segnete das fromme Schaaf und es vergaß von Stund an zu klagen“, aus Lessings Fabel
Zeus und das Schaf
, vgl.
Lessing,
Fabeln
, Zweytes Buch, S. 63f., XXIII.
Zevs seegnete das fromme Schaaf uns es
    
gen.


5
Mein lieber Bruder.
2 April. 760.

6
Deinen Brief
nicht ermittelt
Gestern unvermuthet Deinen Brief erha
   
gewesen. Ich

7
wünsche Dir von Herzen zur abgelegten
   
lige geseegnet seyn. Du

8
beurtheilst mich unrecht,
   
ß nicht was für Unruhe zum voraus

9
setzest. Ich bin
   
auf alles was Gott schickt und ich kann über

10
keinen Mangel
   
undheit Arbeit und Freude sind das Kleeblatt

11
meiner Tage.

12
Battons …
Sprichwort: Das Eisen schmieden, solange es heiß ist.
Battons le fer, pendant
qu’il
est chaud.
Du hast mir diesmal wieder nicht

13
recht verstanden, daß Du den Brief selbst abgegeben; sonst hätte mir nicht die

14
Mühe gegeben Dir ein
formular
zum
billet
zu dictiren. Es ist mir aber recht

15
sehr lieb, daß mein Wille nicht geschehen, und Dein Misverständnis hat auch

16
zu meinem Besten gedient. Vielleicht bist Du neugierig den Innhalt der

17
Antwordt zu wißen. Hier ist sie.


18
Mein Herr …
Kopie des Antwortbriefes von
Arend Berens
Mein Herr,

19
Der willkührlich förml. Abschied, den
Sie von hier genommen
(soll heißen:

20
den ihnen mein Bruder geschrieben
) und worauf wie Sie sagen mein

21
Stillschweigen
des Siegel
gedrückt mag die Qvittung aller Verbindlichkeiten

22
seyn, die jemals unter uns gewesen. Mit meinem Willen haben Sie die Reise

23
nach Engell. in meinen Geschäften gethan, und was ist wohl billiger als daß

24
ich die Reisekosten trage, die schon lange abgeschrieben sind. Thun Sie geruhig

25
den Schritt, den Sie sich vorgesetzt, ich werde Ihnen nichts im Wege legen.

26
(Man redt von einem künftigen Schritt, ich nannte die Freyheit meine

27
Rechnung zu fordern, die ich mir nahm, also) Keiner nehme den andern in

28
Ansprache; so sind wir gantzl. geschieden. Ich bin

29
Dero ergebenster Diener.


30
Du wirst jetzt vermuthlich alle meine Sachen erhalten. Ich vertraue Dir die

31
Verwahrung meiner Bücher; sorge also dafür aufs Beste. Deine jetzige

32
Lebensart weiß nicht; Deine vorige aber hat mir niemals gefallen. Es wäre

33
mir lieb, wenn sie in dem kleinen Kämmerchen stehen könnten bey deiner

S. 17
Stube, wenn Du solches inn hast, oder darüber
disponi
rst, oder es mit sichern

2
Kindern besetzt ist. An meinen Büchern ist mir gelegen; und ich laß zugl.

3
HE. Mag. um eine sichere Stelle ersuchen. Befriedige mich in diesem Stück.

4
Schatt
nicht ermittelt
Wenn
Schatt
noch im Hause; so gieb ihm meinen großen
Coffre
oder falls

5
deiner schlechter und Du tauschen willst, den Deinigen. Den schwartzen

6
Baßa
George Bassa
behalt, weil er von Baßa kommt. Meine Kleidung, seidene Strümpfe und engl.

7
Stiefel nebst der neuen Perücke, auch Hut, sie liegen im schwartzen
Coffre,

8
wünschte mit
ersten
Fuhrmann her. Kleider müßen getragen werden, und ich

9
kann jetzt wie ein Freyherr ein wenig Wind machen. Ich verlang
   

10
Stiefel, Perücke, seidene Strümpfe mit dem
ersten
   
Hochzeit

11
und die
Contribution
bevorsteht.
   
und beqweme Einpackung

12
Sorge tragen, und dir hieri
    

13
Sey einmal
   
Bruder, und denn sollst Du eine Weile Ruhe

14
haben
   
. Ich verlaße mich gantzl. auf Deine Treue
   

15
Klugheit geben wird, daß ich alles zu rechter Zeit erhalte.

16
Ich freue mich herzl. daß ich griechische Buchstaben in Deinem letzten Briefe

17
gelesen. Gott
geb
Dir guten Fortgang in Deinen Arbeiten und mache Dich zu

18
einem tüchtigen
Collaborator.

19
Unser Buchladen hat endl. die Erndte der letzten Meße erhalten; ich werde

20
davon auch für euch was aussuchen.

21
Leßings Fabeln habe gelesen; das erste Buch derselben ist mir eckel gewesen.

22
Die schöne Natur scheint daselbst in eine
galante
verwandelt zu seyn. Seine

23
Abhandlungen sind mehr zum Ueberdruß als zum angenehmen Unterricht

24
Karl Wilhelm Ramler
, der aber von Lessing nicht namentlich genannt wird
philosophisch und witzig. Es sind Sticheleyen auf Rammler, unter dem

25
über
Batteux,
Les Beaux Arts
vgl.
Lessing,
Fabeln
, S. 144ff. Batteux ist in Lessings Ausführung der „mehr eckle als feine Kunstrichter“ (ebd. S. 194), weil er sich in der Einteilung der versch. Arten der Fabeln unbegründet auf die des Aphthonios von Antiochia (2. Hälfte des 4. Jhd.) gestützt habe, womit eine Kritik an allegorischen Figuren einher geht.
Artikel von Batteux; er ist der mehr eckle als feine Kunstrichter. Der Tadel des

26
la Fontaine
Fontaine,
Fabeln
; Lessings Kritik an dessen auf Quintilian sich stützende „Schwatzhaftigkeit“:
Lessing,
Fabeln
, S. 219f.
la Fontaine
geht ihn gleichfalls an, von dem
Rammler
ein großer

27
Partheygänger. Wenn Leßing
la Fontaine
tadelt; so greift er ohne zu wißen, seiner

28
eigenen Grundsätze Anwendung an.
Fontaine
ist deswegen so plauderhaft,

29
weil er die
indiuidualität
der Handlung zur
intuition
bringt, und nicht wie

30
Leßing ein
miniatur
mahler sondern ein
Erzähler
im rechten Verstande ist.

31
Seine Gedanken
Lessing,
Fabeln
, S. 173–190.
Seine Gedanken warum Thiere gebraucht werden und der größte Theil

32
seiner Begriffe sind im Grunde falsch, und nichts als Einfälle; und der Fabulist

33
faselt in der Vorrede und Anhang auf einer Leyer. Es ist fast keine Fabel über

34
die man nicht den Titel setzen könnte, den Antonin seinem Buch gegeben:
de

35
seipso ad seipsum.
Dies Selbst ist die
Stärke
so wohl als
Schwäche
dieses

36
Autors. Wer ihn mit Nutzen lesen will und von ihm lernen will, der muß ihn

37
Johann Jakob Breitinger
; die Kritik an ihm u.a.:
Lessing,
Fabeln
, S. 197
mit mehr Gleichgiltigkeit ansehen als er den Breitinger. Weh dem, der solche

S. 18
Köpfe nachahmen will! weh dem, der sich untersteht sie anzugreifen, ohne sich

2
einer Ueberlegenheit mit Recht anmaßen zu können. Weil ich gesehen, daß Du

3
nil admirari des Horatz
dt.: Nichts anstaunen.
Hor.
epist.
1,6,1
auch ein gar zu übereilter Bewunderer von Leßing bist; so hab ich das
nil

4
admirari
des Horatz entgegen setzen wollen. Lebe wohl, und liebe

5
Deinen Bruder.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (71).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 18–20.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 156.

ZH II 16–18, Nr. 180.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
16/4
    
]
Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988):
vergaß von Stund an zu kla
16/12
qu’il
]
Druckbogen 1940:
qu’it
; vmtl. Druckfehler.
16/21
des Siegel
]
Geändert nach Druckbogen (1940); ZH:
des Siegels

Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): das Siegel
17/17
geb
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
gebe