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Den 8 Jänner 75.

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HöchstzuEhrender
Vielgeliebter Herr Gevatter und Freund!

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Heute an Ihnen, übermorgen an mir. D
ie
er
Gelegenheit
Anlaß dazu

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ist garnicht wie man im Sprichwort sagt, vom Zaune gebrochen; sondern

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folgender
leider! mehr als zu viel gegründet. Meine Hausmutter ist willens

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Montags frühe ihren Kirchengang zu halten und Mittags eine kleine Familie

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aus uns. Nachbarschaft zu bewirthen. Damit alles recht knapp abgemacht

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werden möge, will sie von ihrem Monats-Gelde Suppe, ein Gericht Fische

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und ein Bratchen bestreiten – Weil ich nicht als ein bloßer Gast mich über

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das
kleine
nüchterne Gelag satt lachen
will: so und hungrig vom Tisch

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aufstehen
will: so muß ich aus der Noth eine Tugend machen und als Wirth

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und Hausvater wenigstens einen Kuchen zum Besten geben, um
mich und

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meine Kinder wenigstens
auf allen Fall uns für die theure Zeit der drey

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ersten Schüßel schadlos
zu
halten zu können. Es muß aber nicht erst was

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von einem Kuchen seyn, sondern von derjenigen Art, die man der bunten

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Schichten wegen S
ch
peck Kuchen nennt, und von deßen Teige man auch

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die sogenannten Baumkuchen macht, und deßen übriggeblieben
d
e Brocken

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man auch ein paar Tage hernach mit Geschmack eßen kann. Nun
ist
komt

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HE Schönborn
nicht ermittelt, offenbar der Koch der
Dreikronenloge
Noel
André Noël, Koch Friedrichs II., den der König in einem Gedicht besungen hatte (
Epître au sieur Noël maître d’hôtel par l’Empereur de la Chine
, Potsdam 1772).
die Frage an ob
der Koch
der würdige HE Schönborn,
der
Noel
Ihrer der

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gerechten und vollkommenen
Loge
zu den 3 Kronen,
welcher sich bereits den

25
2 Xbr. p.
2. Dezember vergangenen Jahres
2
Xbr. p.
um das Kindelbier meiner kleinen Lehne Käthe so verdient gemacht,

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epistola familiari
Familienbrief
daß sein Ruhm in einer
relatione
epistola familiari
zwar prosaisch dem

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Buchstaben
2 Kor 3,6
Buchstaben aber desto poetischer dem Geiste nach über hundert Meilen weit

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und breit
von
mir
dieser meiner Faust geschleudert worden – ob sage ich

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der Ihr
jener
Noel
unserer
der gerechten und vollkommenen
Loge
zu den

30
3 Kronen,
mir
ihrem
treuen Nachbar
gerechten
und vollkommenen

31
Nachbar
und Groß
dem vollkommenen Kleinmeister von 3 verwünschten

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Federn, deren keine einzige mehr weder zum fliegen noch schmieren mehr

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fl
Gulden, Goldmünze, hier aber vmtl. 1 polnischer Gulden, eine Silbermünze, entsprach 30 Groschen oder weniger.
taugt, einen obgemeldten sogenannten Speckkuchen für
1 fl
45 höchstens

S. 148
gl.
Groschen (Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
50 gl. Montags zu Mittage gar und fertig und schmackhaft zu liefern im

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Stande ist
;
?

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Haben Sie, Vielgeliebter HE Gevatter und Freund! mitten unter den

4
Zerstreuungen des heutigen Tages, der keinem Postulat sondern einer Investitur

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scheint gewiedmet zu seyn, Muße zu diesem kleinen Auftrage: so sorgen Sie,

6
gl. grl.
wohl guter Groschen
daß die
Differentz
von 15 gl. grl. für meinen Beutel und zum größern Ruhm

7
Petitum
Bitte
des verdienten
Noels
ausschlage. Ich weiß mein
Petitum
nicht dringender zu

8
schlüßen als mit eben den Worten womit ich selbiges angefangen habe: heute

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an Ihnen, übermorgen an mir

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 74.

ZH zufolge liege der Entwurf hinter HKB 428 (dem Briefentwurf an Stockmar).

Bisherige Drucke

ZH III 147 f., Nr. 429.