380
S. 22
HEren Johann Georg Hamann’s Bittschrift
2
an den Geheimen Ausschuß der G. v. V.
3
Frey Mäurer Loge
4
zu
5
Königsberg in Preußen
6
für den geheimen Druck eines kleinen
Mst.
7
nachdem daßelbe durch eine außerordentl.
8
Commission
untersucht worden
9
Garantie
zu leisten.
10
den 13
Octobr
772.
11
†
12
† † † †
13
† † † † †
14
**************
15
Friede sey mit Ihnen; denn Sie lieben die
Brüder
, auch solche, welche noch
16
haußen
und ferne sind!
17
Ist es, ohne zu Ihren Geheimnißen eingeweyht zu seyn, möglich sie bis in
18
ihr tiefstes Inneres zu kennen: so ist mir der Name zwar unaussprechlich,
19
aber kein unbekannter Gott. ER wird gegenwärtige Bittschrift eben so willig
20
in Seine Bundeslade aufnehmen, als der Eifersüchtige jene fünf güldene
21
Ärsche und
fünf güldene Mäuse
.
22
Zu Seiner gerechten und vollkommenen Hütte nimmt Ihr Nachbar seine
23
Zuflucht, der als ein wahrer Freymäurer in seiner Unschuld eingehüllt sich
24
über zween Ihrer Brüder zu beklagen hat, die mich ohne Kenntniße verurtheilt
25
und ohne Unterscheidung nicht nur gerichtet sondern auch verworfen haben.
26
Gleichwol betrift die Sache.
27
1. den Eckstein eines
Geheimnißes
, das zwar an sich selbst keines ist, aber
28
doch als ein solches behandelt werden muß.
29
2. das Schicksal ihrer
Brüder
, und zwar solcher, die weder haußen noch
30
ferne sind.
31
3. die Heiligkeit und Erfüllung Ihres Gelübdes
32
„– gegen alle Menschen und insbesondere gegen ihre Brüder sich
33
mitleidig
zu bezeigen: der Obrigkeit und den
Gesetzen des Staats
treu,
34
hold und gewärtig zu seyn – wie es einem wahren Freymäurer
35
gebührt – –
“
S. 23
Es wird einigen Ihrer Brüder wenigstens, aber nicht durch meine Schuld,
2
bekannt seyn, daß ich bisher ein kleiner Schriftsteller unter dem Schurzfell
3
gewesen bin, und ich stehe jetzt im Begrif ein Geheimnis, das ich 12 Jahr in
4
meinem Schoos getragen, auf die feyerlichste Art der Welt mitzutheilen,
5
welches nicht anders als durch den Druck geschehen kann, wozu ich die
6
Unterstützung eines
geheimen Ordens
nöthig habe.
7
Ein ehrlicher Mann, oder Ihnen näher ans Herz zu reden, ein wahrer
8
Freymäurer hat eben so wenig Ursache sich seiner
Thorheit
zu schämen; als die
9
Welt Ursache hat auf
gläntzende
Laster und
unerkannte Sünden
10
übermüthig zu seyn. Die Eitelkeit ist eine bey der allerkleinsten Autorschaft so
11
unvermeidliche Schwachheit, die mir desto eher zu vergeben wäre, weil mir mein
12
kleines Meisterstück zwölff Jahre und während dieser langen Zeit manche
13
Stuffe
der Prüfung gekostet ehe ich den ersten öffentlichen Schritt zur
14
Vollendung habe thun können.
15
Meine kreyßende Muse hat Himmel und Erde erschüttert, ich will sagen,
16
Flehen und Poltern verschwendt und beyde Hiesige Buchhändler, als Brüder
17
einer gerechten und vollkommenen
Loge
zum geheimen Verlage einer
18
geheimen deutschfranzösischen Handschrift zu bewegen, welche der Vater des
19
gallischen Witzes, ich meyne
Rabelais
selbst den wahren
Androgyne du Diable
20
nennen und
adopti
ren würde.
21
Mein Gevatter und Freund, der Bruder
Lotterie-Director
Johann Jakob
22
Kanter hat von mir den Auftrag bekommen in Ihrer heutigen Versammlung
23
seinem Bruder Hartung einen offenen Brief einzuhändigen, worin von 2
24
Tympfen die Rede ist, welche ich seit 5 Jahren der Hartungschen
25
Buchhandlung für Maculatur schuldig bin, die ich aus keiner andern Ursache baar
26
bezahle, als weil es
Gesetze,
unverjährbare
Gesetze des Staats
sind denen
27
ich treu, hold und gewärtig zu leben und sterben hoffe – von 2 Globen, die
28
mir 2mal versprochen worden und um die ich 2mal gemahnt ohne sie erhalten
29
zu haben, weil ich ihrer nicht bedarf – von 2 kleinen besudelten Papieren die
30
Rede ist, welche ich als mein Eigentum
reclami
re, und zu deren
31
Herauslieferung eine gerechte und vollkommene
Loge
den Bruder Hartung anhalten
32
wird, sintemal sich ein Leutbetrüger und Erzbösewicht unterstanden selbige
33
unter meinem Namen und mit meiner Hand zu schmieden, gegen den ich,
34
ohngeachtet er sich aus dem Staube gemacht, die Behörde zu verfügen nicht
35
ermangeln werde.
36
Da der Bruder Buchführer Hartung
ohne es selbst zu wißen
wie er mich
37
mit vieler Glaubwürdigkeit versichert und es allerdings auch einem
S. 24
sokratischen Verleger geziemt, der wahrhafte und würklicher Verleger gewißer 1759
2
zu Amsterdam auf 4 kleinen
Octav
Bogen gedruckten geheimen
3
Denkwürdigkeiten ist, die ich seiner Buchhandlung als
Erstlinge
und eine Gabe Gottes
4
geopfert; gegenwärtig aber nicht gesinnt ist
ohne es zu wißen
vier Bogen im
5
kostbaren
Royal Quart,
die ich wenn ich gewollt,
L’apocalypse du
6
Salomon
du
Nord
!
hätte taufen können und für das Schlafzimmer des
7
Neugebornen Königes von Preußen bestimmt, ohne eine feyerliche
Garantie
und
8
Bürgschaft, daß ich kein Leutbetrüger ppp bin: so sehe ich mich genöthigt meine
9
geheime Handschrift dem Schiedsrichterl. Ausspruche
E
einer
Gerechten
10
und vollkommenen
Loge
zu unterwerfen und zu diesem Behuf mir eine
11
Außerordentl.
Commission
von 8 Brüdern zu erbitten, worunter ich von
12
meinem Theil die zween Brüder
Hofprediger
, den Bruder
13
Gerichtsverwandten
Hippel
und den Bruder
Laval
erwähle als einen Mann von
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gesunder Vernunft, der zugl. Kenntnis der französischen Sprache besitzt. Die
15
vier übrigen Brüder überlaße der Willkühr E. Gerechten und vollkommnen
16
Loge
oder auch meiner Gegenparthey, nämlich der freyen Wahl des Bruder
17
Lotterie Director
und des Bruder Buchführers, wie wol mit der
18
Einschränkung keine andern als geborne Preußen, und die der französischen Sprache
19
wo mögl. gewachsen sind dazu zu ernennen.
20
Diese geheime
Commission
zum geheimen Druck einiger weniger Bogen,
21
deren Untersuchung über eine Stunde nicht viel währen kann, wird mir die
22
Gefälligkeit nicht versagen, den ersten Abend mir und meinen beyden Gegnern
23
zu wiedmen in einem Ihrer Vorhöfe, welche wie ich hoffe,
durch
eine so
24
außerordentl. Erscheinung nicht als eine Entweyhung oder als einen Gräuel
25
an heiliger Stätte mir versagen werden.
26
Da es einem wahren Freymäurer und jedem ehrl. Manne eine größere
27
Freude ist eine gute Sache zu verlieren als eine arge zu gewinnen; so wird
28
auf jeden Fall die außerordentl.
Commission
E. gerechten und vollkommnen
29
Loge
mit meiner Gleichgiltigkeit gegen das Schicksal zufrieden seyn. Sollte
30
ich aber das Glück haben Recht zu behalten: so werde ich zu einem
detail
31
bereitwillig seyn, der selbst meinen Gegnern und Wiedersachern Genüge
32
thun soll.
33
Ich erwarte mit der grösten Ungedult eine geneigte Erklärung: mit der
34
grösten Ungedult, weil mir der Verlust eines jeden Augenblicks kostbar ist
35
und mache mich nochmals anheischig alles Dunkele und Scheinlächerliche
36
meiner Maasreguln bis auf den klaren Grund zu rechtfertigen.
37
Mit der aufrichtigsten Ehrerbietung die man allen Geheimnißen, sie mögen
S. 25
so groß oder klein seyn als sie wollen, schuldig ist, habe die Ehre mich zu
2
unterschreiben als E. Gerechten und vollkommnen
Loge
stiller Verehrer und
3
wolgesinnter Nachbar.
4
Johann Georg Hamann.
5
den 13
Octobr
772.
Ein Entwurf. Provenienz: Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 10:
400/5
† †
6
† † † † †
7
× × × × × × × × ×
8
Friede sey mit Ihnen! Denn Sie lieben die
Brüder
, auch die,
9
welche
haußen
und
ferne
sind!
10
Ist es, ohne zu Ihren Geheimnißen eingeweyht zu seyn, möglich
11
sie bis in ihr tiefstes Inneres zu kennen: so ist mir der
Name
zwar
12
unaussprechlich, aber kein
unbekannter
GOTT. ER wird
13
gegenwärtige Bittschrift eben so willig in
Seine
Bundeslade aufnehmen
14
als der
Eifersüchtige
jene fünf güldene Ärsche und fünf güldene
15
Mäuse – Zu
Seiner
gerechten und vollkommenen Hütte nimmt ihr
16
Nachbar seine Zuflucht, der als ein wahrer
Freymäurer
in seiner
17
Unschuld eingehüllt sich über Zween Ihrer Brüder zu beklagen hat,
18
die mich ohne Kenntniße verurtheilt und ohne Unterscheidung
19
gerichtet, ja verworfen haben. Gleichwol betrifft die Sache 1.) den
20
köstlichen
Eckstein eines
Geheimnißes
das zwar an sich selbst
21
keins ist, aber doch als ein solches behandelt werden muß –
22
2) Das Schicksal ihrer
Brüder
und zwar solcher, die weder
23
haußen
noch
ferne
sind
24
3. Die Heiligkeit und Erfüllung Ihres Gelübdes
25
„gegen alle Menschen und insbesondere gegen ihre Brüder sich
26
mitleidig
zu bezeigen: der
27
Obrigkeit und den
Gesetzen des Staats treu, hold
und
28
gewärtig
zu seyn –
wie es einem
29
wahren Freymäurer gebührt
“ –
30
Es wird einigen Ihrer Brüder nicht unbekannt seyn, daß ich bisher
31
ein kleiner Schriftsteller unter dem Schurzfell gewesen bin, und ich
32
stehe jetzt im Begrif mein ganzes Geheimnis, das ich 12 Jahr in
33
meinem Schoos getragen, auf die feyerlichste Art der Welt mitzutheilen,
34
welches nicht anders als durch den
Druck
geschehen kann, wozu ich
35
die Unterstützung eines
geheimen Ordens
nöthig habe.
S. 401
Ein
ehrlicher Mann
oder
deutlicher
Ihnen näher ans Herz zu
2
sagen
reden, ein
wahrer Freymäurer
hat eben so wenig Ursache
3
sich seiner
Thorheit
en
zu schämen, als die Welt Ursache hat auf
4
glänzende Laster
und
unerkannte Sünden
übermüthig zu seyn.
5
Die Eitelkeit ist eine mit der allerkleinsten Autorschaft so
6
unvermeidliche Schwachheit, die mir desto eher zu vergeben seyn würde, weil
7
mir mein kleines Meisterstück
zwölf Jahre
und während dieser
8
langen Zeit manche Stuffe der Prüfung gekostet, ehe ich den ersten
9
öffentlichen Schritt zur Vollendung habe thun können.
10
Meine kreißende Muse hat Himmel und Erde erschüttert, ich will
11
sagen,
Flehen
und
Poltern
verschwendt, um beyde Hiesige
12
Buchhändler als Brüder einer gerechten und vollkommenen Loge zum
13
Verlage einer kleinen deutschfranzösischen Handschrift, welche der Vater
14
des gallischen Witzes,
Maitre Rabelais
selbst,
l’Androgyne du Diable
15
nennen würde, zu bewegen.
16
Mein Gevatter und Freund, der Bruder
Lotterie-Director
17
Johann Jakob Kanter hat von mir den Auftrag bekommen in Ihrer
18
heutigen Versammlung seinem Bruder Hartung einen offenen Brief
19
einzuhändigen, worinn von 2 Tympfen, die ich vor 5 Jahre für
20
Maculatur schuldig bin und die ich aus keiner andern Ursache bezahle,
21
als weil es Gesetze, unverjährbare Gesetze
meines Vaterlandes
des
22
Staats waren, von 2 Globen, die mir zweymal versprochen worden
23
und um die ich zweymal gemahnt,
aber nicht
ohne sie zu erhalten,
24
weil ich nemlich ihrer nicht bedarf und von zwey kleinen besudelten
25
Papieren die Rede ist welche ich als mein Eigentum
reclami
re und zu
26
deren Herauslieferung eine gerechte und vollkommene
Loge
den
27
Bruder Buchführer Hartung gehörig anhalten wird, weil sich ein
28
Leutbetrüger und Erzzauberer selbige unter meinem Namen und mit
29
meiner Hand geschmiedet, gegen den ich, ohngeachtet er sich aus dem
30
Staube gemacht, die Behörde zu verfügen nicht ermangeln werde.
31
Weil
Da der Buchführer Hartung (ohne es selbst zu wißen, wie
32
es eines sokratischen Verlegers
würdig ist
geziemt u wie er mich mit
33
vieler Glaubwürdigkeit versichert,) der
wahrhafte
und
würkliche
34
Verleger der 1759 zu Amsterdam in vier klein Octav Bogen
35
gedruckten Sokratischen Denkwürdigkeiten ist, die ich seiner Buchsammlung
36
als Erstlinge und eine Gabe Gottes geopfert; gegenwärtig aber
S. 402
darauf besteht ohne
Garantie
und Bürgschaft vier Bogen in
Roïal Quarto,
2
die ich unter
meinem gantzen Namen
dem Salomo von Norden,
3
dem Neuen Könige von Preußen in Sein Schlafzimmer zu spielen
4
denke, nicht zu drucken: so sehe ich mich aus Noth gedrungen um den
5
Unglauben dieses schwachen Bruders, wenn ein solches Wunder
6
möglich ist, zu beschämen
: so ersuche
von E.
Gerechten und
7
vollkommenen
Loge
meine geheime Handschrift durch
Acht Männer,
die
8
alle seine
Brüder
sind, untersuchen zu laßen und uns
mich
Ihrem
9
Schiedsrichterl. Ausspruche zu unterwerfen. Ich lade von meiner
10
Seite dazu die beyden
Brüder Hofprediger
, den Bruder
11
Gerichtsverwandten Hippel
und den
Bruder
Laval
ein, weil er ein Mann
12
von gesunder Vernunft ist und Kenntnis der französischen Sprache
13
hat. Die übrigen vier überlaße ich der Willkühr E.
gerechten
und
14
vollkommenen
Loge
oder meiner Gegenparthey näml. des Bruders
15
Lotterie Director
Kanter und Buchführers
Hartung
, wiewol unter der
16
Bedingung, daß man
geborne Preußen
wähle, die der französischen
17
Sprache wo möglich gewachsen sind.
18
Diese
geheime
Commission
wird mir die Gefälligkeit nicht
19
versagen den ersten Abend zu dieser Untersuchung, welche über eine
20
Stunde nicht währen wird mir und meinen beyden Gegnern zu
21
wiedmen. Ich erwarte darüber mit der größten Ungedult, weil mir der
22
Verlust jedes Augenblicks kostbar ist
23
Da es einem wahren Freymäurer und jedem ehrlichen Manne eine
24
größere Freude ist eine gute Sache zu verlieren als eine böse zu
25
gewinnen: so wird
eine
die geheime außerordentl.
Commission
der
26
gerechten und vollkommenen
Loge
mit meiner Gleichgiltigkeit bey
27
jedem Fall wie ich hoffe zufrieden seyn. Sollte ich so glücklich seyn
28
Recht zu behalten: so verspreche mich mit einem
detail
zu erklären,
29
der selbst meinen Gegner Genüge thun soll. Mit der aufrichtigsten
30
Ehrerbietung die man allen Geheimnißen
d
sie mögen so groß oder
31
klein seyn als sie wollen schuldig ist, habe die Ehre mich zu empfehlen
32
als E. gerechten und vollkommenen
Loge
wahrer
stiller Verehrer
33
und wolgesinnter Nachbar.
34
Johann Georg Hamann
35
d. 13.
Oct.
772.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 10.
Bisherige Drucke
Johann Georg Hamann: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von Josef Nadler. 6 Bde. Wien 1949–57, III 61–65 (dort mit der Königsberger Signatur R III 10). – Vgl.
Nadler 1949
, S. 203: „Das Stück ist auch gar keine wirkliche Bittschrift, sondern im Entwurf wie ein Büchlein aufgemacht. Hamann hat wenigstens mit dem Gedanken gespielt, es drucken zu lassen.“
ZH III 22–25, Nr. 380.