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S. 59
Hamann hat im Sommer die Hofmeisterstelle bei den
v. Wittens
angetreten; von dort (Grünhof: heute Zaļā [Zaļenieku] muiža, 70 km südwestlich von Riga, 20 km südwestlich von Jelgava/Mitau, Lettland [56° 31’ N, 23° 30’ O]) schreibt er nun.
den 16
Dec.
1753.

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Herzlichgeliebtester Vater,

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Brief
nicht überliefert
Ich habe gestern Dero werthen Brief vom 1
h.
erhalten, der mich anstatt

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zu erfreuen, sehr unruhig gemacht hat. Wie grausam ist ihr Verdacht, daß ich

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meiner Eltern Hauß vergeßen haben sollte! Ich habe neulich geschrieben v. die

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Bestellung des Briefes dem Herrn
Doct. Lindner
überlaßen. Ich begreife

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nicht, wie es zugeht, daß Sie ihn nicht erhalten haben. Es war eine Antwort

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an meine Liebe Mutter v. Bruder zugleich darinnen. Weder Sorglosigkeit noch

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irgend ein Misvergnügen über meine hiesige Umstände, noch Krankheit oder

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eine schlimme Ursache sind schuld, daß meine Briefe nicht häufiger bishero

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Mietau
Mitau, heute Jelgava [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
gewesen. Man hat sich schon 8 Wochen lang hier vorgenommen nach Mietau

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zu reisen, und ich habe daher immer meinen Vorsatz weitläuftiger nach Hause

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zu schreiben aufgeschoben. Unsere Abreise hat sich aber bisher verzogen, und

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ich glaube, sie ist noch diese Woche gewiß. Des Herrn General
Excell.
sind auf

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die Güter, v in Ansehung seiner Zurückkunft ist die Frau Gräfin Willens sich

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Meyhoff oder Apollonienthal
Gutsbesitz der
v. Wittens
(Meyhoff: wohl Meijas muiža [Maihof] in Jelgava/Mitau, Lettland [56° 39’ N, 23° 42’ O]); Apollonienthal war wohl eine eigene Bezeichnung der Wittens nach dem Vornamen der Baronin.
nach Meyhoff oder Apollonienthal zu begeben. Jene soll aber noch ausgesetzt

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seyn. Man schickt den Augenblick zur AbendMahlzeit nach mir; ich habe mich

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aber entschuldigen müßen, so übel es mir auch ausgelegt werden kann, weil

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Fremde da sind, v ich dringend von dem HE. Rittmeister von Oven ersucht

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vgl. auch
Hamann,
Gedanken über meinen Lebenslauf
, LS S. 327/17
wurde, den ich unendlich hochschätze, v ein Mann von gantz seltnen

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Verdiensten ist. Sie werden daher auch meine Eilfertigkeit zu Gute halten. Ich habe

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Ihnen gehorsam seyn wollen. Die Veränderungen, die in unserm Hause

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vorgefallen seyn sollen, werden vermuthlich zu Ihrer Zufriedenheit v. Besten

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gereichen. Wie ungedultig bin ich selbige zu erfahren! Ich lebe hier einsam aber

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sehr zufrieden v habe das Glück, daß die Frau Gräfin v. der HE. General sehr

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gut von mir urtheilen. Der letztere hat mich vorige Woche durch ein gnädig

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Schreiben davon versichert; v. die letztere erweist mir viel Achtsamkeiten.

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Gestern machte sie mir ein niedlich
Present
mit einem
Etuit
zu Zahnenstochern,

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das ich Ihnen gern zeigen möchte, wenn es angienge. Es scheint daß mich Gott

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in so ein Haus geführt hat, wie ich gewünscht habe. Meinethalben, liebste

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Eltern können Sie sich vollkommen befriedigen; und die geringste Sorge für

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mich wäre eine Unerkenntlichkeit gegen die Vorsehung. Es herrscht hier

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Ordnung, Vernunft v. Christenthum nebst einer sehr feinen LebensArt. Ich werde

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Ihnen mehr schreiben; v so bald ich in Mietau oder auf dem Höfchen nebenbey

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seyn werde, melde ich Ihnen gewiß meine Ankunft. Noch habe ich Hofnung,

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daß es diese Woche geschehen wird. Des HE.
Doct. Lindners
Umstände müßen

S. 60
sich jetzt unzweifel geändert haben; weil ich selbige aber noch nicht weiß, so

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will ich warten, biß ich ihn selbst sehe v. höre. Was macht sein lieber Bruder,

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der Magister. Bitten Sie ihn doch, daß er zum Fest vor die lange Weile an

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mich schreibt. Ich werde nicht ewig sein Schuldner im Antworten bleiben.

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Gott gebe Ihnen zum WeynachtsFest 1000 Gutes an Seel und Leib; er

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erfülle Alles das, was Ihre Kinder und Freunde Ihnen Gutes wünschen v selbst

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thun möchten, wenn es in Ihrem Vermögen wäre. Ich küße Ihnen beyderseits

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1000 mal die Hände, v. vertraue mich nebst Gott Ihrem Gebet und liebreichen

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Andenken als Ihr lieber, ehrlicher und gehorsamer Sohn. Leben Sie wohl.

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Meine Addreße habe ich Ihnen schon im vorigen Briefe gemeldet.

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Gouverneur des Messieurs les Barons de Witten à Grünhoff. per Mietau.
Die

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kurländische Edelleute piquiren sich alle Barons zu seyn. Die Briefe nach

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Grünhoff
werden wöchentl. alle vom
Mietau
schen Postamt richtig bestellt. Leben

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Sie wohl.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (15).

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 50 f.

ZH I 59 f., Nr. 21.