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57/30
Königsberg den
17 Jänner 1761.
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Herzlich geliebtester Freund
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HE Not. Wilhelmi
Notar in Königsberg
Frau Consistorial Räthin
Auguste Angelica Lindner
HE
Not. Wilhelmi
schickte heute einen Brief an die Frau
Consistorial
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Räthin, der bey ihr abzugeben gewesen, und so bald als mögl. befördert werden
S. 58
soll. Weil die Gelegenheiten in Kneiphof einkehren, so werden wir uns lieber
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darnach erkundigen laßen. Vor Bestellung
gegen
beyderseitiger Briefe ist
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jederzeit von mir aufs genaueste gesorgt worden.
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Einlage sollte schon vorige Post abgehen, ich habe aber an zwey Beyspielen
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an einem Tage gesehen, wie Dinge zurück gehen, die man sich noch so fest
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vornimmt, und wie gut ein Verzug ist. Der Mensch ist weder Herr von der Zeit
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noch von dem Weg, den und wenn er ihn gehen soll.
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Intelligenzwerk
Wochentliche Königsbergische Frag- und Anzeigungsnachrichten
Es hat mir anständig geschienen von unserm Intelligenzwerk auf eine
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solenne
Art Abschied zu nehmen: Weil man sich eingebildet, daß ich vielleicht
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Entrepreneur
verantwortlicher Redakteur
Entrepreneur
davon werden könnte, wenn ich Lust hätte fortzufahren. Meine
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Feder weiß aber aufzuhören, und würde keinen Versuch anfangen, ohne das
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Ende vorher absehen und bestimmen zu können. Ich nehme mir die Freyheit,
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Kleinigkeit
Hamann,
Klaggedicht
Geliebtester Freund, Ihnen zwey
Exemplari
en dieser Kleinigkeit beyzulegen,
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das eine für Sie selbst; d
as
em zweyten, wo eine kleine Zueignungsschrift
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von einer Zeile befindlich werden Sie die Liebe für mich haben, wenn es mögl.
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Frauenzimmers
Catharina Berens
auf dem Nachttisch eines ledigen Frauenzimmers, die meine Wirthin in Riga
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gewesen, eine Stelle zu erschleichen, wenn Sie vorher ein
Couvert
mit
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schwarzem Lack
Nachrichten zu Trauerfällen wurden oft schwarz versiegelt.
schwarzem
Lack gesiegelt, ohne Aufschrift, darüber gemacht haben.
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Ich hoffe nicht, daß Sie sich ein Gewißen oder eine Schande daraus machen
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werden einem guten Freunde zu Gefallen den Unterhändler einer kleinen
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Autor
galanterie
abzugeben. Ihnen wird eben so viel als mir an der
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Aufnahme derselben gelegen seyn. Man mag wie Michal oder wie Abigail davon
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urtheilen, so geht
uns beyde
die Sache nicht weiter an. So viel unter uns;
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ohne daß ein dritter daran Theil nehmen darf.
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monströsen Zeichnungen
Ein anamorphotisch verzerrtes Bild lässt sich mit einem Zylinderspiegel konstruieren und erkennen.
Die Arbeit selbst ist den
monströsen Zeichnungen
gleich, von denen Sie
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wißen werden, daß selbige
ihr
ein verhältnismäßig Gesicht durch einen
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glänzenden Kegel erhalten, in dem man sie sehen muß, wenn man sie
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erklären will.
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Evangelio
Lk 2,42
Meine Arbeiten habe Gott Lob! diese Woche mit dem Evangelio vom
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Schultens
Schultens,
Liber Jobi
12jährigen Knaben angefangen und gestern den ersten Theil des Schultens über
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20 Kap. des Hiobs beschloßen. Ich eile um mit diesem Buch fertig zu werden.
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Seine Weitläuftigkeit, womit er alle Ausleger zergliedert ist einem Qvalm
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ähnlich, wodurch Hiobs Gestalt verdunkelt wird und der Leser einer gleichen
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Prüfung der Gedult mit diesem Helden ausgesetzt wird – – und also auch
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Schultens
ein leidiger Tröster für Leser, die mehr als den Buchstaben sehen
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und sehen wollen. Unter allen Schriften dieses Mannes ist keine einzige die
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mir gefallen hat als seine Grammatik, und die auch würklich als ein
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Meisterstück dieses Mannes so wohl als in diesem Fach anzusehen. Warum ihm dies
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Buch so gerathen, vermuthe ich immer zur Ursache, weil er in demselben am
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Altings
Jacob Alting
Faden Altings gehen müßen.
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Mit der Eintheilung meiner Stunden bin sehr zufrieden. Des Morgens eine
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Parasche
Parascha: Wochenabschnitt der Tora
Parasche
und das arabische darauf. Nachmittags Hiob und das N. T. womit
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immer mein Tagwerk beschlüße. Mittwochs und Sonnabens zur Fortsetzung
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des Griechischen. Ich freue mich nur, daß ich wieder im Gang bin, und hoffe
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mit Ostern noch eine gute Länge hinter mir zu haben.
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Ihr Brief an die GeEhrte Mama ist schon bestellt, weil zu HErrn
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Aaken
nicht ermittelt
von Aaken schickte, und Gelegenheit da ist, die in einer Stunde abgehen wird. Ich
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habe daher um Ihren Brief ein
Couvert
gemacht und selbigen fortgeschickt.
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Wagner
Friedrich David Wagner
Auf die Woche wird der alte
Wagner,
(mit dem ich nichts mehr zu thun
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habe, ungeachtet er meinen Vater noch des Abends ein oder zweymal die
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Lausons
Johann Friedrich Lauson
Woche besucht) Sachen an Ihnen abschicken, wo ich Lausons Beytrag
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beylegen werde, auch ein Paar die ich für Sie aufgehoben.
X. Y. Z.
ist hier
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Zülcher
nicht ermittelt
fiscali
sch gemacht und vom jungen
Zülcher
auf die
Walt
sonsche Hochzeit.
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Ihre HE Brüder vergeßen mich ganz. An HE
Doctor
geschrieben. Ich
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möchte gern wißen
ob des HE.
Fiscals
Peltz gesund
angekommen. Fragen
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Sie doch den HE
Doctor
darum
und
melden es mir
. Der Ihrige ist richtig
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Küßenbüre
Kissenüberzug
abgegeben worden mit der Küßenbüre an die Mama.
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Flußfieber
„Febris catarrhalis, ein nachlaßendes Fieber, welches sich mit Flüssen auf der Brust vereinigt. Man macht einen Unterschied unter ein gutartigen [Catarrh] und bösartigem Flußfieber.“, vgl.
Krünitz
, Tl. 14, S. 420
Mein Vater ist an einem Flußfieber und Schnuppen ein paar Tage
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unpäßlich gewesen und muß jetzt wieder mit einem kleinen Geschwür an der Lippe
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das Haus hüten; befindet sich sonst Gott Lob! ziemlich munter und wohl
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nach seinem Alter. Gott erhalte ihn. Er grüst Sie und Ihr werthes Haus aufs
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liebe Hälfte
Marianne Lindner
herzlichste. Ich umarme Sie gleichfalls und Ihre liebe Hälfte und ersterbe
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Ihr treuer Freund.
Hamann.
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Keber
Samuel Jakob Keber
Wir haben Hofnung HE. Keber aus Gerdauen als
Diaconus
in Kneiphof
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Grohnert
Johann Carl Gronert
Weber
Christoph Albrecht Weber
hier zu bekommen ist wenigstens mit
Grohnert
und
Weber
auf der Wahl.
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Baßa
George Bassa
Leben Sie wohl und grüßen Baßa, der mir zu Pfingsten, ein Neujahr
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wünschen soll.
S. 486
Handschriftliche Anmerkungen von Johann Gotthelf Lindner:
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Über HKB 200 (II 58/27) „Kegel“:
Cylinder
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Zu HKB 200 (II 58/28):
Je mehr man sieht je häsl.
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Zu HKB 200 (II 59/30):
schicken mir Pechküchlein. Schwelgerey des
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Witzes. Engl. Dogge Capriolen und…
ist gar zu nahrhaft.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (62).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 46–48.
ZH II 57–59, Nr. 200.
Zusätze fremder Hand
486/30 |
Johann Gotthelf Lindner |
486/31 |
Johann Gotthelf Lindner |
486/32 –33
|
Johann Gotthelf Lindner |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
486/29 –33
|
Handschriftliche […] nahrhaft.] |
In ZH im Apparat. |