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32/6
Königsberg den
2 Jul: 1760.

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HöchstzuEhrender Freund,

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letzter Brief
nicht überliefert
Dero letzter Brief ist mir so gut als ein Paß zu meiner Lustreise, die mir

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höchst nöthig und desto angenehmer ist, weil ich morgen mit Gottlicher Hülfe

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hebräisch Buch
wohl Hesekiel, vgl.
HKB 185 ( II 31/27 )
mein hebräisch Buch zu beschlüßen gedenke. Es thut mir nicht leyd Ihnen

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meinen guten Willen gezeigt zu haben; und mit der
Dispensation
bin ebenso

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sehr zufrieden. Da mein Bruder nicht mit einem Worte an seine Krankheit

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in dem Briefe an Seinen Vater gedacht; so muß es vielleicht nicht so viel

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auf sich haben, als ihre ersten Nachrichten mit sich brachten. Die zweyten

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stimmen mit seinem eigenen Stillschweigen überein. Ich wünsche, daß mein

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Bruder durch
motion
und Arzeneymittel nicht nur wiederhergestellt sondern

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auch ein uneigennütziger, treuer und weiser Schulmann werden möge, der

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nicht mehr nöthig habe den
Rector
zu seinem
Collaborator
zu machen.

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In der Angst giebt …
Aus
Der arme Greis
von Christian Fürchtegott Gellert, vgl. S. 14 in:
Gellert,
Fabeln und Erzählungen
In der Angst giebt ein mitleidiger Dichter seinen halben Gulden hin, und

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von K. nach R.
von Königsberg nach Riga
ohngeachtet ich schon dreymal und Sie nur einmal den Weg von K. nach R.

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gemeßen, so vergaß ich doch daß 64 + 64 = 130 Meilen sind, und daß man

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Lustreisen wohlfeiler haben kann, Kreutzzüge aber mehr kosten.

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Fr. Consistor. Räthin
Auguste Angelica Lindner
Die Fr.
Consistor.
Räthin, Ihre GeEhrte Mama, hat mich
diese
vorige

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Woche, aber erst Freytags besucht. Die Gegenwart des HE Lausons war uns

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gewißermaßen im Wege. Sie wünschte, wenn Sie sich entschlüßen könnten

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in der besten Zeit eine gl. Lustreise zu thun. Ich muste ihr gleichfalls alle

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Hofnung dazu benehmen und that ihr einen Vorschlag, auf den Sie nicht

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Prof. W.
Vll.
Matthias Friedrich Watson
, der krank, aber doch nicht sterbenskrank ist, vgl.
HKB 185 ( II 30/30 )
.
Achtung geben wollte. Mit
Prof. W.
hat es vielleicht eben so wenig Noth als

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mit meinem Bruder. Es ist daher nicht klug, daß man sich durch jeden Wind

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stellen läst bald nach Norden bald nach Süden.

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Drey Tage lang! – – Baders Sohn traut sich zu so ein glücklicher Doctor

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Hippocrates
Hippokrates von Kos
zu seyn. Ich freue mich, daß ich den
Hippocra
tes noch nicht angefangen zu

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lesen, sonst würde man meine Eitelkeit gewiß auf die
Lectur
dieses alten

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autors
geschrieben haben. Wenn man die
unschuldige Ursache
einer

S. 33
Krankheit seyn kann; kann man auch nicht ein
unschuldiger
Artzt
seyn? Gott hat

2
am dritten Tage
2 Kön 20,5
verheißen seine Kranken am dritten Tage, der sonst der schlimmste ist der

3
Erfahrung nach, von ihren
Wunden
, die am dritt
sten
en Tage am meisten

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schmerzen, aufzurichten.

5
Ihre Vermuthung ist mir sehr lieb, GeEhrtester Freund, daß die
Symptomen

6
durch motion und das emeticum unter der Signatur eines Laxativs
Bewegung und Anwendung eines Brech- und Abführmittels
durch
motion
und das
emeticum
unter der
Signatur
eines
Laxativs

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nachlaßen werden. Gott gebe, daß alles nach Seinem heil. Willen und unserm

8
Heyl gedeyhen möge. Ich nehme alle ihre
hypothesen
für
wahr
an um mit

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einem leichten Herzen das Landleben genüßen und alte gute Freunde wieder

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sehen zu können. Da es jetzt auf
medicin
ische Berichte ankommen möchte,

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so würde meinem
alten Vater
, der sich auf die
Versicherungen
und
Proben

12
Ihrer
Freundschaft verläst
, mit ein paar Zeilen
nächstens gedient
seyn.

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Er wird alle Einlagen richtig bestellen. An mir zu schreiben würde jetzt zu

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mislich seyn, weil mein Auffenthalt ungewiß seyn wird, wie die Zeit meiner

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Mohnkeulchen
Kartoffel- oder Mehlklöße mit Mohn
Wiederkunft. Ich habe mich heute auf Mohnkeulchen zu Gast gebeten und

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Brutus
Anspielung auf Shakespeares
Julius Cäsar
: „Let me have men about me that are fat“.
B.
Berlin
Brutus
hat Lust zu schlafen. Nach B. habe vorige Post einige Exempl. des

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Versuches an die HE.
Me
rian, Sulzer, Rammler,
pour mon ami Moyse, le

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circoncis
beschnitten
Voß. Buchh.
Vossische Buchhandlung
philosophe circoncis
und 10. an die Voß. Buchh. geschickt.

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Meßgut
vmtl. Bücher-Kommissionskäufe von der Ostermesse in Leipzig
liebe Hälfte
Marianne Lindner
Meßgut ist noch nicht hier. Grüßen Sie Ihre liebe Hälfte herzl. und

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freundschaftlich von mir. Ich bin biß zur Zeit meiner Wiederkunft Dero

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verpflichtester und treuergebenster

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Hamann.


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Adresse mit rotem Lacksiegelrest:

24
Pour / Mr. Lindner / Maitre de la Philosophie et / des belles-lettres,

25
Regent / de l’Ecole Cathedrale &. / mon très cher Ami.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (52).

Bisherige Drucke

Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 44 f.

ZH II 32 f., Nr. 186.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
33/1
Artzt
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
Artzt
33/22
Hamann.
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
Hamann