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GeEhrtester Freund,
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Agostino Gabrini
Gabrini aus Brescia schloss sich 1694 den ‚apokalyptischen Rittern‘ in Rom an, welche die katholische Kirche gegen den Antichristen, womit der regierende Papst Innozenz XII. gemeint war, verteidigen wollten; als sektiererische Schwärmerei wurde die Verbindung schnell verboten. (Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen,
Historisches Labyrinth der Zeit, darinnen die denckwürdigsten Welt-Hädel …
, Leipzig 1701, S. 143)
Ich wünschte die Nachricht von
Agostino Gabrini
zu lesen, wenn Sie mir
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Vll. ist die
Universal-Historie, vom Anfang der Welt bis auf ietzige Zeit
, von Gottfried Ludwig gemeint (Leipzig 1718).
Ludwichs Historie auf ein paar Stunden mittheilen können. Er ist derjenige
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Nicolaus Gabrini
oder
Cola di Rienzi
nicht, von dem ich bisher in so wenigen
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Büchern habe finden können. Ich wundere mich, daß dieser merkwürdige
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Mann in denen historischen Handbüchern ausgelaßen ist. Er ist eines
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Gastwirths Sohn gewesen v hat es biß zu der Würde eines Königs
zu
Rom
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gebracht, der in seinem Glück von denen Fürsten, seinen Zeitverwandten geehrt
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v. bewundert worden.
Fortefiocca
hat sein Leben v. ein franzöischer Autor
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seine Verschwörung beschrieben; ich gebe mir schon seit einiger Zeit Mühe
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beyder Bücher habhaft zu werden, ohngeachtet ich mich keines besinnen
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kann bisher noch gesehen zu haben. Sein Leben muß voller
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merkwürdigen Auftritte seyn v. wenn er keine Stelle unter die wahrhaftig große
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verdient; so gehört er wenigstens unter die besonderen v. außerordentlichen
S. 220
Köpfe. Ihre Ritter der Offenbarung Johannes bringen mich auf eine
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Pattalorochynten
siehe Hamanns Notiz zu
Bierling,
Lineamenta methodi studiorum
im
Königsberger Notizbuch
, N V S. 276/13 u. 254/29.
ebentheuerliche Secte, die
Pattalorochynten
genannt, deren Glauben so
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lächerlich als ihre Andacht muß gewesen seyn; so wenig man
auch au
s
ch
vom
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ersteren weiß.
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Was meynen Sie, lieber Freund,
soll
ist der gelehrte Stoltz oder der
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gelehrte Fürwitz in den Augen eines gleichgiltigen Weltweisen lächerlicher? Wir
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wollen diese Aufgabe im Spatziergehen auflösen. Bringen Sie mir
Bruyere
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oder
Young
mit. Leben Sie wohl.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 30.
ZH merkt zu den Briefen 85–102 an: Die Briefe, meist kleine Zettel, stammen aus den Jahren 1754–56; einige ließen sich wohl genauer datieren und in die bisherigen einreihen, es erscheint jedoch angemessener, sie geschlossen zu bringen. Es sind meist kurze Nachrichten an Ruprecht, den jungen Pastor in Grünhof, Hamanns Nachbar.
Bisherige Drucke
ZH I 219 f., Nr. 98.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
219/26 |
zu ]
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Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: von |
220/3 |
auch au s ch ]
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Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955): Das erste auch ist zu streichen Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): auch deleatur |