470a
263/29
den
24
Oct.
776.
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Liebwertheste Freundin und Frau Gevatterin,
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Vergeßen Sie Ihres Wandsbecks und freuen Sie sich auf einen Boden
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verpflanzt zu seyn, wo Mandeln wachsen, die meine kleine Pathin, wenn ihr
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der liebe Gott mehr Zähne schenkt, recht gern zu ihrem Brodtchen beißen wird.
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Sie haben mir, ohne es zu wißen, in Ihren vierzehn Zeilen mehr angenehme
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Neuigkeiten geschrieben, als der gelehrte Mann auf seinen 3 Seiten. Wenn es
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Ihnen nicht recht gemüthlich in Darmstadt sind: so liegt es weder am Ort noch
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an Ihnen, sondern, ich mag nicht sagen, an wem. Es ist aber mit der
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Freundschaft, wie mit der
Liebe;
sie deckt auf und deckt zu.
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Nennen Sie
Freund Hain
keinen
Ehteufel
sondern lieber einen Ehengel
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und schaudern Sie nicht vor der fieberkalten Hand zurück, die den heiligen Puls
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eines zweyeinigen Busens zu erforschen sucht, weil Sie selbst sagen, daß Sie
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im Arm Ihres Mannes vergnügt sind.
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Der Herr OberlandCommißarius hat
Ihnen also
noch nicht gesagt, daß Sie,
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liebwertheste Freundin, in Darmstadt
größer geworden
und Ihnen alle
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Ihre vorige Kleider zu eng und zu kurz sind; geben Sie also auf Ihn ein wenig
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Achtung, daß
e
Er
sich auch in die Sitten und den Booksbeutel
s
Seines
Amts
13
schicken und
eben so
gut die Würde als Bürde deßelben tragen lernt.
14
Seinen
leidigen
Friseur bey Seite gesetzt; so begreif ich nicht, wie Er
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gegenwärtig dazu kommt
s
Seinen
Caffé
selbst zu filtriren,
s
Seinen
Cnaster selbst zu
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schneiden – –
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Ich glaube gar, traute Frau Gevatterin, daß Sie Ihm auch den Schlüßel
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zum Weinkeller anvertrauen, und wenn
Er
so herrlich zapfen kann, als er den
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Rheinwein zu besingen weiß: so ist es mit der ganzen Weinerndte von Abieser
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geschehen, und wird kein Pächter dazu nöthig seyn –
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Sie müßen sich mein elendes Uebersetzer-Kahnchen nicht wie des weiland
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berühmten Charons oder
Compere
Bodens
Silberflotten
vorstellen; aber meinen
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Caffe
zu filtriren und einzuschenken, meine Pfeiffe zu stopfen und
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anzuzünden, die
Bouteillen
zu lüften und mein eckichtes Bierglas zu füllen, dazu halte
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ich Leute, die ihren Dienst wie ein Werk der Barmherzigkeit gegen das
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unbehülflichste Geschöpf auf Gottes Erdboden (das ich in meinem Hause leider!
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vorstelle) ansehen und ich laß das einfältige Volk gern bey ihrem Glauben,
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weil wir
beiderseits
dabey recht gut fahren – –
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Das liebe Clavierstimmen erinnert mich an meine verjährte
Laute,
und wenn
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ich hätte stimmen und Tact halten können: so wär ich vielleicht längstens
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Kapellmeister und meines Landsmanns Braut nicht so bald zu ihrer
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Bestimmung gekommen –
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Durch landesväterliche Huld wird uns der Cnaster fix und fertig in
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gestempelten Patronen zum Laden geliefert und ebenso viel edle Zeit
erspart
zur
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freundschaftlichen Correspondenz oder kriegslistigen Autorschaft.
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Bey meinem zwar aufgeschobenen aber noch nicht aufgegebenen Besuch in
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Darmstadt werd ich nicht vergeßen meinen kleinen Vorrath dieses köstlichen
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Cnasters
mitzubringen, weil ich mir beynahe zutraue wie der Engel Raphael
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mit dem Rauch deßelben alle böse Geister Ihrer dortigen Dunstkugel zu
3
vergeben und Ihrem Aether eine solche Consistenz mitzutheilen, daß selbiger
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so gesund werden wird als das Waßer zu Jericho durch des Propheten Elisa
5
Saltz –
6
Nun, liebwertheste Frau Gevatterin, übernehmen Sie getrost das Oberhaus-
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Commissariat und erlauben Sie Ihrem Herrn Gemal nicht, daß er Sie zum
8
Noth-Nagel
braucht
seinen halben Bogen voll zu schreiben um seine
Dito’s
9
beym Mondschein, in Küch und Keller abzuwarten. Da
e
Er
zu einem
10
Fitzliputzli auf einer höheren Bühne beruffen ist, so lohnt es nicht der Weile an
11
Bauerhütten, kleine Obstgärten,
Gänse
Hühner und eine Kuh, sondern an
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Lustschlößer, Marställe, GallaKleider und eine
standesmäßige
Aussteuer
für
13
meine kleine Pathin
u
ihre lieben Schwestern zu denken –
14
Halten Sie mein Wort der Ermahnung zu gut und erfreuen mich bald mit
15
der Nachricht einer glücklichen Entbindung von einem kleinen Darmstädtschen
16
Claudius.
Gott empfohlen.
17
Gott schenke Ihnen so viel Herzensfreude an
Ihrer
meiner kleinen Pathin
18
als wir an Ihrer hier haben. Leben Sie alle gesund und je länger je
19
zufriedener.
Provenienz
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, NMC : 13 : 7.
ZH druckt an dieser Stelle einen an Matthias Claudius gerichteten Oktavzettel mit Hamanns Angaben über seine Familie. Vgl. HKB 536a.
Bisherige Drucke
Walther Ziesemer: Hamannbriefe. In: Goethe. Viermonatsschrift der Goethe-Gesellschaft 7 (1942), 138–140.
ZH III 263–265, Nr. 470a.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
263/29 |
24 ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 24. |
263/29 |
Oct. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Okt. |
264/4 |
Liebe; ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Liebe: |
264/5 |
Ehteufel ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ehteufel, |
264/9 |
Ihnen also ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ihnen |
264/12 |
e Er ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: er |
264/12 |
s Seines ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seines |
264/13 |
eben so ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ebenso |
264/14 |
leidigen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: heiligen |
264/15 |
s Seinen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seinen |
264/15 |
s Seinen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seinen |
264/18 |
Er ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: er |
264/22 |
Silberflotten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Silberflotte |
264/24 |
Bouteillen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bouteillen |
264/28 |
beiderseits ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beyderseits |
264/29 |
Laute, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Laute |
264/34 |
erspart ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: erspart, |
265/1 |
Cnasters ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Cnaster |
265/5 |
Saltz – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Salz. – |
265/8 |
Noth-Nagel ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Nothnagel |
265/8 |
braucht ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: braucht, |
265/8 |
Dito’s |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ditòs |
265/9 |
e Er ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: er |
265/11 |
Gänse ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gänse, |
265/12 |
für |
Geändert nach der Handschrift; ZH: für |
265/12 |
standesmäßige ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: standesgemäße |
265/13 |
u ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
265/16 |
Claudius. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Claudius. |