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Ew. Hochwolgeboren muß mit einem
Billet – gros comme le bras –
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beschwerlich fallen, da ich noch nicht im stande bin Ihnen persönlich meine
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Aufwartung zu machen. Ohngeachtet mein Freund Penzel mir bereits in meiner
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Angelegenheit das Eis gebrochen: so sehe mich doch genöthigt die Sache –
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genuino – ab ouo
ohne einen epischen Schwung
in medias res
anzugreifen.
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Ich hatte nicht die geringste Wißenschaft von der lange zum voraus
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geschehenen Ankündigung gehabt als kurz vor der Ankunft der beyden
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Buchstaben
A
u.
E
die zu gl. Zeit erschienen, und die ich stehendes Fußes aus dem
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Kanterschen Laden herausnahm
à
16 fl. Nachdem ich selbige durch und durch
30
gelesen hatte wurde bewogen an den Verfaßer zu schreiben,
und
stellte ihm
31
die Unbequemlichkeit seiner Methode nach der Abstammung der Wörter zu
32
ordnen vor u theilte ihm einige Anmerkungen u
Supplemente
meines
33
durchschoßenen
Exemplars
mit. Ich erhielt keine Antwort, der Buchstabe
C
kam
S. 266
heraus und ich
erhielt
nahm ihn gleichfalls aus dem Buchladen
à
16 fl.
2
Es war mir lieb daraus zu sehen, daß gedachte etymologische Unordnung
3
verbeßert war. Bey einem zufälligen Briefwechsel mit HE Bode lies ich einige
4
Empfindlichkeit und Besorgnis merken, daß HE. H R Schmidlin mein
en
5
gutgemeintes Aufdringen misverstanden haben müste; Bode entschuldigte
6
den Mann, entdeckte mir seine verlegene Umstände, daß ich ihm wider gut
7
wurde. Eben so zufällig erfuhr, daß nach dem
Subscriptions-Plan
jeder Theil
8
nur ungefehr 3
1
/
2
rth kostete. Da ich
A
und
E
für
e
Einen
Theil
von
C
9
angesehen hatte, so kam mir die
Differenz
zu 16 fl. gar zu beträchtlich vor,
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da mir dies Werk um desto kostbarer wurde, weil ich jeden Buchstaben mit
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Postpapier durchschießen ließ. Ich wünschte also natürlicher Weise unter die
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Subscribent
en aufgenommen zu werden, redete von meinem Vortheil, den
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ich mir dabey versprach mit 2 meiner Freunde, die daran gleichfalls Antheil
14
nehmen wollten. Ich bat daher meinen Gevatter
Claudius
für mich die auf
C
15
folgende Theile, für einen andern Freund, der
A
u.
E
bereits hätte die ihm
16
noch fehlenden u für den seel. Kirchenrath
Lindner
ein ganz
complettes
17
Exemplar
sämtl. Buchstaben zu bestellen. Herr Schmidlin war so willfährig
18
mir ein Geschenk ss Werks anzubieten, lies unsere 3 Namen in das
19
Verzeichnis der
Subscribenten
einrücken, noch ehe wir die bestellte
Exempla
rien
20
erhielten, die erst in diesem Jahre über
Riga
unter Hartknochs Besorgung
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ankamen, da mein seel. Freund bereits bettlägericht war und Fracht bezahlen
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muste. An statt ein gantz
Exemplar
und
C. B. D.
waren aber 2 ganze
23
Exemplar
und also
A
u.
E
Ueberschuß; so wie für mich
C.
den ich auch bereits hatte,
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den aber der hiesige Buchladen für mein herausgenommenes
Exemplar
25
annahm und selbiges mir löschte. Nun entdeckte sich aber erst das
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Misverständnis meines
Calculi,
wozu ich durch falsche
Data
war verleitet worden. Man
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hatte im Buchladen wie ich die beyden zugl. herausgekommene Buchstaben
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A
u
E
für einen Theil gerechnet und also um das
alterum tantum
zu wenig
29
gegen den Buchstaben
C.
der um das
alterum tantum
erhöht worden war.
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Hiernächst ersah, daß der andere hiesige Buchladen jeden Buchstaben zu 3 rth
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verkaufte unterdeßen der
Subscriptions
Preiß 10 g gl. mehr war, wodurch
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also an statt des eingebildeten Vortheils ein offenbarer Verlust mir selbst u
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meinen Freunden erwuchs, die noch oben ein Fracht hatten bezahlen müßen.
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Diese Verlegenheit bewog mich zum zweitenmal an den Verf. selbst zu
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schreiben und suchte ihm zu bedeuten noch bey Lebzeiten meines seel. Freundes, daß
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ich an kein Geschenk gedacht hätte, sondern von einem Handel für mich und
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meine
Interessent
en die Rede wäre, und daß dies das letzte Lehrgeld seyn
S. 267
würde, so ich in meinem Leben
dafür
zu bezahlen dächte, mich mit
2
Commission
en abzugeben
. An statt einer billigen Erklärung dieser Ungleichheiten
3
und einer Erleichterung meiner daraus erwachsenen Verlegenheit erhielt ich
4
den 4
Sept.
Beyl.
A
eines
Commissionaire en chef
– wodurch ich natürl. Weise
5
desto aufmerksamer gemacht werden muste für dies noch unbezahlte und durch
6
mich vermittelte
Exemplar
Sorge zu tragen, welches ich auch gegen sämtl.
7
Erben mir zu wiederholten malen ausdrückl. vorbehalten und darüber mit
8
HE
Lauson
laute und genaue Abrede genommen hatte, es nicht anders als
9
für den hiesigen Ladenpreiß
à
3 rth irgend jemanden zuschlagen zu laßen.
10
Ew. Hochwolgeboren sehen nunmehr den Grund, warum ich an dem blos
11
durch meine Krankheit vorgefallenen Versehen
unmittelbaren Antheil
12
nehmen muß. Da ich die ersten 14 Tage währender
Auction
mit einem halben
13
Hause bettlägerich war, mein Freund Penzel mi
ch
t
Numerie
rung der Bücher
14
alle Hände
voll
zu thun hatte, er auch zum Unglück mich mehrentheils die
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schlimmen Tage und im
paroxysmo
des Fiebers besuchte: so hab ich sehr leicht
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voraussetzen können, daß er von einer Sache, die mir den Kopf so warm
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gemacht hatte und von der ich so laut mit jedermann gesprochen hatte, eben so
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eingenommen als ich selbst seyn müste. – – – –
19
Ew. Hochwolgeboren können versichert seyn, daß mir meines Nächsten
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Eigentum eben so heilig als mir selbst ist und daß ich aus keinem
titulo iuris
21
die geringste Einwendung gegen die Gültigkeit Ihres gesetzmäßigen Kaufs
22
machen kann noch darf. Weil aber die Erben mir noch den Werth dieses Buchs
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selbst schuldig sind und hier von einem
einzelnen Fall
die Rede ist; der
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jüngste Bruder meines seel. Freundes wegen Entfernung seines Aufenthalts
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in Litthauen den
Catalog
zu spät, ich seinen Brief vom 16
p
erst den 31
ej.
26
erhalten: so habe ich das Vertrauen zu Dero billigen Denkungsart und
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grosmüthigen Freundschaft, daß Sie so geneigt seyn werden Ihr
summum Ius
28
meinen Wünschen aufzuopfern, weil es eine
laesio enormis
in meinen Augen
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ist, daß der nächste Erbe das Buch selbst verlieren und mir noch beynahe das
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Duplum
des geschehenen Misverkaufs auszahlen soll.
31
Da ich meine erste Seite mit Eyern angefangen, so wünschte ich nun
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freylich wol des guten Geschmacks wegen diese vierte und letzte mit Aepfeln und
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Nüßen beschließen zu können. Vielleicht sind Ew. Hochwolgeborenen aber noch
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eben so gut als ich selbst durch eine leidige Kranken
Diaet
zu gewißen
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Enthaltsamkeiten verbunden.
36
Um also nur noch ein Wort von der Veranlaßung dieses ganzen Geschwätzes
37
zu sagen: so läuft wohl der
p
wunderliche Einfall meine Bücher
S. 268
auszubieten, auf einen ziemlich zusammenhängenden und scheinbaren Selbstbetrug
2
heraus; ohne daß ich die geringste Absicht oder Neigung gehabt das
Publicum
3
zu betrügen noch mir die Lästerungen der Juden und Mamelucken, die weder
4
einen ehrlichen Mann zu verstehen noch zu beurtheilen im stande sind, zu
5
Gemüth ziehen darf; überdem bin ich willfährig gnug Leuten, die von mir in
6
ihrem Herzen arg zu denken Lust und Belieben finden, mit Wind und Waßer
7
zu ihrer Mühle zu dienen.
8
Ew. Hochwolgeboren werden daher auch gegenwärtige Nothschrift
9
keine
m
r wankelmüthigen und
inconsequenten
Gemüths Art zuschreiben,
10
sondern die Freyheit meiner Ansprüche auf eine gütige Abtretung des Ihnen
11
zugeschlagenen Buchs meinem bereits durch Proben bewährten Vertrauen
12
auf Ihre Freundschaft und Gewogenheit, deren Fortsetzung ich mich bestens
13
empfehle und
bin
mit der vollkommensten Hochachtung niemals aufhören
14
werde zu seyn Ew. Hochwolgeboren ergebenster Diener.
15
Johann Georg Hamann.
16
den 25
Novb
76.
17
Bitte mir
beyde Einlagen
gütigst wider zukommen zu laßen
S. 437
Hans Jakob von Auerswald schrieb an den freien Rand des Briefes:
28
Zur
Erläuterung
29
Hamann hatte die Besorgung des Verkaufs der Bibliothek des
30
seel.
D
. Lindner übernommen. Dem Verzeichnis derselben fügte er
31
das Verzeichnis seiner Bibliothek bei, und verkaufte auch mehrere
32
seiner Bücher zugleich mit. Unter diesen befanden sich einige Theile
33
des Schmidlinschen
Catholicons,
die ich auf der öffentlichen
34
Versteigerung erstand. In diesem Schreiben wünscht er solche zurück
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zu erhalten, welches auch sogleich geschah.
A.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Depot Auerswald.
Bisherige Drucke
ZH III 265–268, Nr. 471.
Zusätze fremder Hand
437/28 –35
|
Johann Gotthelf Lindner |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
437/27 –35
|
Hans […] A.] |
In ZH im Apparat. |