268
258/21
Des Mittags um 12. Uhr
22
Noch zwey Stunden sind sie hier? u. denn? – o Sie wißen den Weg nicht,
23
wohin Sie gehen, u. wer weiß, wie Sie gehen!
Wieviel
ich an Ihnen verliere,
24
wollen Sie nicht wißen, u. auch ich wills selbst jezo noch nicht! – Aber o Gott!
25
ihre dunkle Ahndung, ihre traurige Leibesfaßung, u. ihre lezte Kränkungen;
26
u. doch ihr Muth, u. Hoffnung, u. Zufriedenheit!
27
„Ich geh mit Gott! Lebt wohl!“ So geh mit Gott
28
und fahr ins Land des Glücks
29
Vor Dir gehn Wünsche, über Dir die Wolken
30
des HErn u. um Dich Ruh!
31
Dir nach Dein Genius, vor Engelsglanz
32
unsichtbar, der Dich leit’
33
Helenens Brüder!
Castor und Pollux
mehr als Helenens Brüder! – Deiner Seele
34
der einzge Bruderfreund!
S. 259
O hell entwölkt er Deines Raths Gewölk
2
das Deine Schläfe selbst
3
umschleirt u. mir u. jedem Thor von außen
4
ein Zauberdunst fast dünkt!
5
Ach! unsers Seyns Machineninnerstes
6
wer kennts? Urteiler, Du?
7
Ich fühls, nicht weiß ichs; denn von Trieb u. Ahndung
8
wird Herz von Menschenfleisch
9
frech u. verzagt
Jer 17,9
(frech u. verzagt) gespornt bald, bald gezäumt;
10
doch Glück u. Unglück liegt
11
Wolkengotts
Zeus
Im Schoos des Wolkengotts, des Meer’ u. Erden
12
stets sind, vor u. nach Dir!
13
Taube
1 Mo 8,8
Der auch die Taube hört, die schwach-verirrt
14
vom Land’ ins Schiff sich wagt
15
u. Speise girrt. Auch Deine Pfingstgebete
16
Jonas 2
Jon 2
hört er im Bauch des Meers!
(
s.
Jonas 2
17
O rühr denn meine Lippen, Genius!
18
daß ich vorm Altar bet
19
Laub
Spr 11,28
mit ihm, daß er, verlör er Laub u. alles
20
sich hab u. seinen Gott.
21
Du dort, ich hier, mein Hamann! Gott in Hand
22
wohl bald vereint; doch – – wenn
23
wenn alles bricht u. stürmt! ═ Das Vorgebürge
24
der Hoffnung sey Du Tod!
25
Doch nein! es sey nicht der letzte Kuß, den ich Ihnen gebe, da ich dieses
26
Ihnen schreibe, den Sie mir zuwerfen, da Sie es lesen: denn ich weiß, sie
27
lieben mich mehr als ich mich lieben kann, nicht nach dem Vorurteile liebe.
28
Der Himmel führe Sie den
Besten
, den ich kannte, glücklich, u. erinnere Sie
29
bisweilen an
Ihren
Joh. Gottfr. Herder
30
Vermerk von Hamann:
31
Erhalten den 8
Junii
764.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 2.
Bisherige Drucke
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 1 f.
ZH II 258 f., Nr. 268.
HBGA I 24f., Nr. 3.
Zusätze fremder Hand
259/31 |
Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
258/23 |
Wieviel ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wieviel |
259/16 |
s. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 1. |