268
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Des Mittags um 12. Uhr


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Noch zwey Stunden sind sie hier? u. denn? – o Sie wißen den Weg nicht,

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wohin Sie gehen, u. wer weiß, wie Sie gehen!
Wieviel
ich an Ihnen verliere,

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wollen Sie nicht wißen, u. auch ich wills selbst jezo noch nicht! – Aber o Gott!

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ihre dunkle Ahndung, ihre traurige Leibesfaßung, u. ihre lezte Kränkungen;

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u. doch ihr Muth, u. Hoffnung, u. Zufriedenheit!


27
Ich geh mit Gott!
Johann Gottfried Herder
, SWS XXIX, S. 251
„Ich geh mit Gott! Lebt wohl!“ So geh mit Gott

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und fahr ins Land des Glücks

29
Vor Dir gehn Wünsche, über Dir die Wolken

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des HErn u. um Dich Ruh!


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Dir nach Dein Genius, vor Engelsglanz

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unsichtbar, der Dich leit’

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Helenens Brüder!
Castor und Pollux
mehr als Helenens Brüder! – Deiner Seele

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der einzge Bruderfreund!


S. 259
O hell entwölkt er Deines Raths Gewölk

2
das Deine Schläfe selbst

3
umschleirt u. mir u. jedem Thor von außen

4
ein Zauberdunst fast dünkt!


5
Ach! unsers Seyns Machineninnerstes

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wer kennts? Urteiler, Du?

7
Ich fühls, nicht weiß ichs; denn von Trieb u. Ahndung

8
wird Herz von Menschenfleisch


9
frech u. verzagt
Jer 17,9
(frech u. verzagt) gespornt bald, bald gezäumt;

10
doch Glück u. Unglück liegt

11
Wolkengotts
Zeus
Im Schoos des Wolkengotts, des Meer’ u. Erden

12
stets sind, vor u. nach Dir!


13
Taube
1 Mo 8,8
Der auch die Taube hört, die schwach-verirrt

14
vom Land’ ins Schiff sich wagt

15
u. Speise girrt. Auch Deine Pfingstgebete

16
Jonas 2
Jon 2
hört er im Bauch des Meers!
(
s.
Jonas 2


17
O rühr denn meine Lippen, Genius!

18
daß ich vorm Altar bet

19
Laub
Spr 11,28
mit ihm, daß er, verlör er Laub u. alles

20
sich hab u. seinen Gott.


21
Du dort, ich hier, mein Hamann! Gott in Hand

22
wohl bald vereint; doch – – wenn

23
wenn alles bricht u. stürmt! ═ Das Vorgebürge

24
der Hoffnung sey Du Tod!


25
Doch nein! es sey nicht der letzte Kuß, den ich Ihnen gebe, da ich dieses

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Ihnen schreibe, den Sie mir zuwerfen, da Sie es lesen: denn ich weiß, sie

27
lieben mich mehr als ich mich lieben kann, nicht nach dem Vorurteile liebe.

28
Der Himmel führe Sie den
Besten
, den ich kannte, glücklich, u. erinnere Sie

29
bisweilen an
Ihren
Joh. Gottfr. Herder


30
Vermerk von Hamann:

31
Erhalten den 8
Junii
764.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 2.

Bisherige Drucke

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 1 f.

ZH II 258 f., Nr. 268.

HBGA I 24f., Nr. 3.

Zusätze fremder Hand

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Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
258/23
Wieviel
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wieviel
259/16
s.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
1.