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greg. 20.1.1759
Riga den
9
/
20
Jänner 1759.
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Herzlichgeliebtester Vater,
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Gott gebe Ihnen gute Gesundheit, Leben und Seegen. Ich hoffe und
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wünsche, daß Sie sich beßer befinden. Herr Buchholtz hat diese gute Nachricht
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meinem Bruder gemeldet, daß er Sie leidlicher angetroffen. Grüßen Sie ihn
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als meinen alten Lehrer, Wohlthäter und Freund aufs herzlichste von mir.
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Ich denke Ihm bald Selbst zu schreiben.
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Gott hat mir den letzten Tag des vergangenen Jahres mit vielem
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außerordentlichen Seegen beschlüßen, und das Neue eben so denkwürdig anfangen
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laßen. Er läst meinen Becher überlaufen, Er wird mir alles schenken, was mir
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seelig und nöthig ist, Er wird mich alles genüßen – – aber auch alles
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verleugnen lehren, wenn es Sein Gnädiger Wille ist.
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Brief
nicht überliefert
Ich erhielt den 27.
Dec. pass.
Ihren lieben Brief, in dem Sie mir
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zu Hamanns Heiratsabsichten mit Catharina Berens vgl.
Hamann,
Gedanken über meinen Lebenslauf
, LS S. 434f.
erlaubten zu heyrathen, und mir Glück dazu versprachen, wenn ich es mit Gott
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LiebesErklärung
nicht überliefert
anfienge. Den Tag darauf schrieb ich also meine LiebesErklärung, und zwar in
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einem Briefe an meinen Freund in Petersb. dem ich meldete, daß ich seine
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Schwester heyrathen wollte, – – Ich schickte denselben unten und ersuchte Sie
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entweder die zerrissene Stücke davon mir zuzuschicken oder ihn unter ihrem
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Couvert
einzuschlüßen. Sie hat das letztere gethan – – und ich erwarte heute
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die Antwort meines Freundes. Es scheint bey ihr Ernst zu werden; ich will es
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aber noch nicht wißen. Gott wird alles lenken und mich für allen Thorheiten
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behüten, und vom Bösen erlösen. Er wird mir Gnade geben auf dem rechten
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Wege zu bleiben, und mich auf Seinen Fußsteigen erhalten, daß meine Tritte
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nicht gleiten. Ich hoffe aber darauf, daß Du so gnädig bist, mein Herz freuet
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sich, daß Du so gerne hilfest. Ich will dem Herrn singen, daß Er so wohl an
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mir thut.
S. 288
Billet
nicht überliefert
Ich legte ein klein französisch
Billet
an meine Freundinn bey dem Briefe an
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Ihren Bruder bey, worinn ich Sie auf Gott wies, und ihr versicherte, daß er
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den Stummen als Taub, und
den
nur den Tauben als stumm vorkäme.
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Ihm sey Lob für Seine unaussprechliche Barmherzigkeit! Er ist für uns beyde
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weder stumm noch taub gewesen. Den Sonntag nach dem Neuen Jahre haben
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wir eine Predigt des Morgens gehört, die für mich und unsere Schwester recht
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von Gott bestellt zu seyn schien; und am heil. Dreikönigsfeste hat unser
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Rector Lindner
, der von nichts weiß, eben so viel, ja recht auf uns beyde
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abzielendes von der Führung Gottes mit den Seinigen vorsagen müßen zu
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unserem Unterricht und Aufmunterung. Mein Bruder ist so gut mir diese
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Predigt abzuschreiben.
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Wird Sie meine Frau, Herzlich Geliebtester Vater, so wird Sie es durch und
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nach Gottes Willen, und ich habe eben so viel dabey gethan, als daß Sie Mein
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Vater geworden – – ich wiederhole es Ihnen, ich habe eben so wenig dabey
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beygetragen, als daß Sie unsere Seelige Mutter zu Ihrem und unserm Besten
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gewählt haben. Ich weiß, daß dieser Gnädige Gott auch diejenige Liebe in
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mein Herz pflanzen wird,
und
die er selbst fordert, nach der ein Mann
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seinem Vater und seine Mutter verlaßen soll um seinem Weibe anzuhangen,
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und sie werden seyn ein Fleisch. Ich weiß noch mehr, daß Sie mir hierinn
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nichts nachgeben wird. Gott wolle durch Seinen guten Geist auch unsere
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Herzen läutern und heiligen, und die Ermahnung der morgenden Epistel auch
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in uns kräftig und thätig seyn laßen, daß wir unsere Leiber begeben zum
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Opfer, das da heilig, lebendig und Gott wohlgefällig sey.
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Sie bekommt nichts mit mir; ich fordere aber auch nichts
von
mit Ihr.
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Alles was ich ihr anbieten kann, schrieb ich dem Bruder, ist mein Herz, mein
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Leib und mein Name. Wir haben beyde nicht nöthig an ein eigen
27
etablissement
zu denken und dafür zu sorgen. Sie soll die Haushälterin Ihres Bruders
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Karl bleiben, und ich Sein Handlanger. Wenn es Gott gefällt eine Änderung
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zu machen, dann wird es auch meine Schuldigkeit seyn Sie zu ernähren. Und
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dafür wird der auch Rath schaffen, der mir Ihre Schwester zur Frau geben
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wird und will.
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Sie möchte mit mir von gleichem Alter seyn. Ob Sie ein Paar Jahr jünger
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oder ein halb Jahr älter; dies habe ich Ihr niemals ansehen können, viel
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weniger jetzt, da ich auf gutem Wege bin in Sie verliebt zu werden.
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Sie ist in meinen Augen schöner als die stoltzeste Lilie; wenn Sie
ist
es
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nicht
ist
wäre, so würd Sie meine Liebe dazu machen, daß Sie es für mich
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wenigstens seyn wird. Und Sie wird es immer seyn, so lange ich Sie lieben
S. 289
werde – – und ich werde Sie ewig lieben. Ist sie in anderer Augen nicht schön
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genung; desto beßer für mich.
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Erhalte ich heute Briefe, herzlich geliebtester Vater, so bin ich vielleicht mit
4
Gottes Hülfe Ihnen im stande mit nächster Post den Tag meiner Verlobung
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zu bestimmen. Sie werden nicht unterlaßen denselben zu feyren, und einige
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Arme an Ihrer Freude Theil nehmen zu laßen. Bewirthen Sie
Ih
unsere
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nächsten Blutsfreunde wenigstens in der Stille, es wird Ihnen beßer als ein
8
notifications-Schreiben
Verlobungsanzeige
notifications-
Schreiben schmecken.
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Sieben Jahre um Ihre beste Schwester zu dienen, schrieb ich an meinen
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Freunden, sollen mir so kurz als eine Kirmeswoche vorkommen; denken Sie
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des wegen nicht, daß ich auch nur einen Augenblick verlieren werde um mein
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Glück voll zu machen.
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Ohngeachtet ich heute im stande wäre den Ring zu bestellen; so wird mir
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doch Gott auch im Gegentheil die Gnade geben
die
Hand und Herz zurück
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zu ziehen, wenn er mir Seinen Willen dazu zu erkennen geben wird. Er wird
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mich denselben lehren lieben und Kräfte schenken ihn zu erfüllen.
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Ich empfehle Sie der liebreichen Obhut unsers himmlischen Vaters, der
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uns leitet wie die Jugend. Er schenke Ihnen bald Ihre Gesundheit wieder und
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erhalte und stärke Sie nach Seinem gnädigen Wohlgefallen. Ich küße Ihnen
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mit kindlichster Ehrfurcht und Zärtlichkeit die Hände und ersterbe Ihr
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gehorsamst verpflichtester Sohn.
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Johann George Hamann.
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Blindau
nicht ermittelt
Jgfr. Degnerinn, HE. Blindau nebst allen guten Freunden grüße zum
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Neuen Jahr.
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Am Rande der zweiten Seite:
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Ohngeachtet ich mich auf Ihr gütiges Versprechens in Ansehung des
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wilden Schweines verlaße; so nehme mir doch die Freyheit wieder daran zu
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erinnern –
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (51).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 337 f.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 151 f.
ZH I 287–289, Nr. 134.