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Von Johann Christoph Hamann (Bruder):

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Riga den. 12.
X
br. 1758.

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Herzlich Geliebtester Vater!

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Ich freue mich, daß Gott Ihnen wiederum Gesundheit geschenkt hat, Ihre Denk-

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und Feyertage zufrieden und vergnügt zu begehen. Die Erinnerung derselben macht

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mich auch in der Ferne bey demjenigen des Dankes schuldig, der als ein Kind sich

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herabgelaßen hat um uns als Kinder zu sich zu ziehen. Er möge sich auch in denen

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Tagen, die diesem Gedächtniße gewidmet
sind
gewesen, in dieser Gestalt Ihnen

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am freundlichsten und leutseeligsten gezeiget
haben
und Sie auf eine solche Art

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seine Wirkungen an Ihrer Seele verspüret haben, daß Sie Ihren Geburtstag

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ebenfalls nicht ohne Seegen feyren mögen. Wird Ihr Alter gleich mühsam und

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sorgenvoll, so
ist er doch
noch immer mit Vortheilen für den Nächsten beschäftiget und

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ein nuzbares Leben. Unterwerfen Sie sich also auch darinn dem Willen desjenigen,

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der am besten weiß, wenn unser Leben ihm allein zugehöret.

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Ich habe hier schon eine unverdiente Wolthat von einem Manne erhalten, der mir

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holländischen Ducaten
Seit 1586 nach festem Fuß geprägte Goldmünze, nicht als regionales Zahlungsmittel gebräuchlich, sondern als Kurantmünze dafür tauschbar; eine der wichtigsten Handelsmünzen des 17. und 18. Jhs; es gab aber auch Dukaten russischer Prägung, Speziesdukaten, von denen wiederum ein best. Sorte ebenfalls „holländisch“ genannt wurde.
sein Kind auf der Klaße anvertrauet und mir deßhalb einen in diesem Jahre

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geprägten holländischen
Duca
ten geschenkt hat. So gut geht es Ihrem Sohn, lieber

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Vater, daß Sie von aller Sorge für seine Erhaltung befreyet seyn können; noch

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vielweniger für seine Gesundheit, wenn er gleich um einige Unzen
Visceral
-Tropfen, die

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mit Wein abgemacht sind, bittet. Der HE.
Rector
wünschet dieselbe bey Gelegenheit

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von dorten erhalten zu können, weil die hiesigen nicht von so gutem Geschmack

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und Nutzen sind. Sie können zu unserm allgemeinen Gebrauch dienen; das Geld

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übermache ich. Um meinem Bruder ein Pläzchen zu laßen muß ich schließen und

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bin nach herzlichem Anwunsch alles ersprießl. Wohlergehens Ihr treuster Sohn.

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J. C.


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Herzlich geliebtester Vater,

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Ich komme eben jetzt zu meinem Bruder gelaufen um noch eine kleine

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Nachschrift anzuhängen. Den
Young
habe heute richtig erhalten und zahle den

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Dank meiner Freunde, die sich Ihrer öfters mit dem besten Herzen erinnern

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zum voraus. Keine Rechnung dabey gefunden. Ich schreibe zu den Wünschen

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meines Bruders ein herzliches Amen! Gott schenke Ihnen an Seele und Leib

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alles was Ihnen gut und nützlich ist. Die PostGlocke schlägt; ich küße Ihnen

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mit der kindlichsten Ehrfurcht die Hände und ersterbe Dero gehorsamst

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verpflichtester Sohn.

6
Johann George Hamann.


7
Entschuldigen Sie meine Eilfertigkeit und das schlechte SchreibeZugehör.

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Leben Sie wohl, gesund und zufrieden, und beten Sie für uns.

Veränderte Einsortierung

Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert (dort: „Riga. den 8/19 Christm. 1758“), sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 133 und 134.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (50).

Bisherige Drucke

ZH I 286 f., Nr. 133.

Zusätze fremder Hand

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Johann Christoph Hamann (Bruder)

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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ist er doch
]
Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955):
lies
so ist es doch