132
284/26
greg. 19.12.1758
Riga. den
8
/
19
Christm. 1758.

27
Herzlich geliebtester Vater,

28
Eben jetzt verläßt mich mein Bruder, welcher mit nächster Post schreiben

29
Zuschrift
nicht überliefert
wird. Wir sind beyde durch Ihre letzte Zuschrift sehr erfreut worden. Gott

30
erhalte uns Seine Gnade, und mache uns für die sichtbaren und zeitlichen

31
Merkmale derselben erkenntlich; er laße diese Lockstimme seiner Wohlthaten

32
dazu dienen, unsern Glauben zu stärken, daß Er unser rechte Vater sey und

33
wir Seine rechte Kinder. Auch die Züchtigungen dieses geistlichen Vaters

34
mögen uns zu Nutz gereichen, auf daß wir Seine Heiligung erlangen.

35
Hebr. XII.

S. 285
Ich bin unter Seiner Gnade diesen Sonntag zum Tisch des HErrn

2
gewesen, und wurde durch den Prediger, der meines Beichtvaters Stelle wegen

3
seiner Unpäßlichkeit vertratt, sehr aufgerichtet und getröstet. Witterung und

4
alle äußerliche Umstände haben sich zu diesem großen Werk beqvemen müßen,

5
das Gott meiner Seele wolle gedeyhen laßen! Amen!

6
Ich bin Gott Lob! sehr gesund und lebe so zufrieden als möglich. Zu

7
meinen kleinen Geschäften außerordentlichen Seegen und Beystand. Nicht

8
uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gieb Ehre, um Deine

9
Gnade und Wahrheit. Warum sollen die Heyden sagen: Wo ist nun Ihr

10
Gott?

11
Er wird meinen lieben Bruder auch helfen, der diese Woche schon einen

12
holländischen Dukaten
HKB 133 ( I 286/26 )
. Seit 1586 nach festem Fuß geprägte Goldmünze, nicht als regionales Zahlungsmittel gebräuchlich, sondern als Kurantmünze dafür tauschbar; eine der wichtigsten Handelsmünzen des 17. und 18. Jhs; es gab aber auch Dukaten russischer Prägung, Speziesdukaten, von denen wiederum ein best. Sorte ebenfalls „holländisch“ genannt wurde.
blanken holländischen Dukaten von dem Vater eines Kindes bekommen,

13
um ihn zu seiner pflichtmäßigen Aufsicht über seinen Sohn desto mehr

14
aufzumuntern. Sein Eyfer und Treue im Amte möge auch hiedurch angefeuret

15
und geläutert werden.

16
Ich nehme mir nochmals die Freyheit, Sie an die Besorgung des

17
Wagner
Der Buchhändler
Friedrich David Wagner
versprochenen zu erinnern. Herr Wagner hat mir zu den bestellten Büchern durch den

18
HErrn
R.
Hofnung machen laßen; ich werde dafür richtig werden.

19
Gott laße auch die Feyer dieses Weynachtfestes an Ihnen, den Ihrigen

20
und uns allen geseegnet seyn, Er fülle unsern Mund mit neuen Liedern, und

21
laße uns mit den Engeln und Hirten ein gemeinschaftlich Chor ausmachen,

22
und um die Wette mit einander singen:


23
‚Vom Himmel kam der Engel Schar‘ von
Martin Luther
(Evangelisches Gesangbuch 25)
Er will – und kann – euch laßen nicht;

24
Setzt nur auf Ihn eur Zuversicht.

25
Es mögen euch viel fechten an,

26
Dem sey Trotz, ders nicht laßen kann.


27
Zuletzt müßt ihr doch haben Recht,

28
Ihr seyd nun worden Gott’s Geschlecht;

29
Des danket Gott in Ewigkeit

30
Gedultig – – frölich – – allezeit.


31
Dieses alte Jahr werde auch in Ihrem Hause, Herzlich Geliebtester Vater,

32
mit frischen Proben Seiner Wahrheit und Barmherzigkeit versiegelt. Er

33
gedenke derselben und helfe Seinem Diener Israel auf, wie Er geredet hat

34
unsern Vätern, Abraham und Seinem Saamen ewiglich.

S. 286
Grüßen Sie mit den herzlichsten Wünschen Jgfr. Degnerinn und alle gute

2
Freunde und Bekannten. Ich ersterbe mit dem zärtlichsten Handkuß kindlicher

3
Ehrerbietung Ihr gehorsamst verpflichtester Sohn.

4
Johann George Hamann.


5
Auf der Adreßseite:

6
à Monsieur / Monsieur Hamann / Chirurgien bien renommé / à /

7
Coenigsberg / en Prusse. /
franco Mummel
.


8
Rotes Lacksiegel J. G. H.

9
Von Johann Christoph Hamann (Vater):

10
den 25
Dec.
1758

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (49).

Bisherige Drucke

ZH I 284–286, Nr. 132.

Zusätze fremder Hand

286/10
Johann Christoph Hamann (Vater)