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GeEhrtester Freund,

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Ich habe Sie gestern v. heute vergebens erwartet v den betrübten Schluß

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daraus gezogen, wie gleichgiltig Sie nicht allein mich sondern auch

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gegenwärtige Neuigkeiten ansehen, die ich die Ehre habe Ihnen zu überschicken. Ich

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habe von beyliegenden nichts als das Leben der
Ninon
gelesen; v Sie werden

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aus demselben vermuthlich auch Lust zu Ihren Briefen bekommen, die zu

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einem Bändchen gehören. Den Bruyere v Batteux hoffe von Ihrer Güte zu

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erhalten, wenn sie eingebunden seyn werden; weil Sie mich von beyden

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versichert, daß ich Ihnen einen Gefallen thun würde sie zu überlaßen. Ich würde

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keinen von beyden mißen; wenn ich nicht den ersten selbst vom Uebersetzer

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erhalten oder am liebsten franzöisch besitzen möchte. Der andere hat

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gleichfalls die letzte Ursache nebst der Unbeqvemlichkeit des Formats, welches ich so

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viel mögl. vermeide in mr. Bibliothec anwachsen zu laßen. Der Name beyder

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Verfaßer fällt für die Güte ihrer Schriften ein gar zu günstiges Vorurtheil,

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als daß Sie das meinige dazu nöthig haben. Ich bin über den meinigen in

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voller Arbeit, v werde gleichwol genöthiget seyn ernsthafftern wegen sie ein

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paar Tage bey Seite zu legen. Ihr Vergnügen bey Lesung derselben möge

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ungestörter seyn! Ich begleite diesen Wunsch mit Vermeldung eines guten

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Abends v. meiner Ergebenheit an Dero GeEhrteste Eltern v bin mit aller

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Hochachtung Dero ergebenster Diener v Fr.

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Hamann.


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Sehen wir uns morgen auf ein klein Stündchen des Abends um mich bey

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Ihnen zu entschuldigen zu können?
NB
damit ich mich
praepari
ren kann. Zur

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Anklage oder Vertheidigung.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 30.

ZH merkt zu den Briefen 85–102 an: Die Briefe, meist kleine Zettel, stammen aus den Jahren 1754–56; einige ließen sich wohl genauer datieren und in die bisherigen einreihen, es erscheint jedoch angemessener, sie geschlossen zu bringen. Es sind meist kurze Nachrichten an Ruprecht, den jungen Pastor in Grünhof, Hamanns Nachbar.

Bisherige Drucke

ZH I 217 f., Nr. 94.