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        19/18
 greg. 26.02.1753  
Kegeln den 
15/26 Febr. 1753.
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Herzlich Geliebtester Vater, 
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 greg. 17.02.1753  
Herr Belger hat mir Dero angenehme Handschrift vom 7/17 Febr. 
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überschickt v zugleich die Ablage von denen mir überschickten Sachen 
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 greg. 21.02.1753 
benachrichtigt; Dies war eben am 10/21 Febr. am Geburts Feste Ihro Königl. Hoheit 
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des Groß Fürstens, da mir die Frau Baronin durch den jungen Herrn den 
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Brief zuschickte, weil sie mit ihren Gästen, die wir ein paar Tage damals 
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hatten auf die nächste Postierung gefahren war. Gestern habe ich als den 
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 greg. 25.02.1753 
14/25 Febr. durch des Herrn Pastor Blanks Güte noch einen Brief von dem 
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Herrn Belger mit einer 
visit
irten Schachtel, einem geplünderten Buch Brief 
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Papier, aber keinen 
Musica
lien, die er im Briefe auch zwar 
numer
irt hatte, v 
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nicht beygelegen haben, erhalten. Er bittet mich darinn 
sich
 Sie wegen 
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meiner außer Unruhe zu setzen; der Verweiß, den Sie mir selbst lieber Papa, 
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deswegen geben v die Entschuldigung, die Sie zugleich beysetzen, sind mir so 
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empfindlich gewesen, daß ich mir das 
Vergnügen
 Vermögen gewünscht 
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habe einen 
Expressen
 mit meinem ersten Briefe zu schicken. Der vornehmste 
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Grund, warum ich nicht geschrieben, liegt an unserer zurückgesetzten Reise 
S. 20
nach Riga. Ein Begräbnis eines schon bey des Herrn Pastor Blanks dortigen 
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Auffenthalt in Preußen gestorbenen Schwagers 
der
 meiner gnädigen Frauen, 
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Albediel
 nicht ermittelt 
des Herrn Albediel, hat selbige anfänglich verhindert. Sie wurde nach 
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Dorpat
 heute Tartu in Estland 
Dorpat, wo seine Beerdigung mit Staat geschehen, von Ihrer Schwester gebeten. 
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Der Besuch eines HE. von Aderkas, der ihre Stieftochter unlängst geheyrathet 
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Bremse
NN. Bremse (Brömbsen)
 hat, v eines HE. 
Assessors
 von Bremse mit Ihren Gemahlinnen machten eine 
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neue Hinderung; v jetzt ist der Weg durch ein zweytägiges Thauwetter so kahl 
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geworden, daß wir zu Hause bleiben müßen, die Hoffnung aber bekommen 
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haben nachgeholt zu werden, wenn Sie in Riga seyn v. es schneyen wird. Da 
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meine erste Hoffnung also zu Waßer geworden ist; so können Sie leicht denken, 
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daß ich mich selbst ärgere eine Pflicht aus einem so seichten Grunde 
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aufgeschoben zu haben, die ich niemals aus Nachläßigkeit aus den Augen setzen 
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werde. Gott weiß, wie mir nach Briefen von Hause ge
b
angt hat, v Sie haben 
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die rechte Zeit getroffen mir meine Grillen, die schon anfiengen zu hecken, zu 
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vertreiben. Die schlimmen Ahndungen, die mir meine liebe Mutter in Ihrem 
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Briefe entdeckt, machen mich wohl betrübt, wenn ich daran gedenke. Vielleicht 
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irrte sie sich aber in Ihren bösen Vermuthungen v ich will Sie selbst bitten, daß 
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Sie nicht krank werden soll, damit das Vergnügen an Sie zu denken nicht 
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durch 
meinen
 diesen Kummer gestört wird. Ich danke Ihnen aufs herzlichste 
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für die unverhofte Freude, die Sie mir mit Ihren Geschenken gemacht haben, 
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da ich nicht im Ernst willens gewesen bin mir von Ihnen etwas auszubitten. 
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Sorgen Sie jetzt, lieber Papa, für meinen Bruder auf die Art, wie Sie es 
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bisher an mich gethan haben. Die Unruhe, die Si
ch
e sich gemacht haben mich 
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womit zu erfreuen hat mich recht gerührt. Ich verlange weiter nichts von 
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Ihnen als dasjenige väterliche Herz, deßen ich gewiß bin, v das Sie mir 
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niemals versagen werden. Das mir überschickte Buch habe ich mir zu lesen 
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gewünscht, v es mir auch vorgenommen mit der Zeit für mein Geld zu 
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verschreiben. Sie können leicht denken, wie angenehm ich erschrocken bin, daß Sie 
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meine Gedanken getroffen hatten. Mit dem untenliegenden Marzepan habe 
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ich meinen lieben Baron v seine Fräulein Schwester einen Leckerbißen 
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geschenkt; das übrige ist für den Herrn Pastor aufgehoben, den ich heute oder 
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morgen vermuthe bey mir zu sehen. Seine Gesellschaft muß mir statt Ihrer 
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u. aller meiner Freunde dienen. Außer der Zufriedenheit, die ich Gott Lob! 
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öffters in meiner Arbeit selbst finde, sind Bücher v Laute mein einziger Trost, 
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den ich mir, wiewohl sehr sparsam v bisweilen zu einer Zeit, da der Leib des 
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Tages Last v Hitze fühlt, geben muß. Ein Buch vom Briefpapier hat der HErr 
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Belger als 
Commissionair
 für sich behalten v eins habe ich durch den Herrn 
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Baron seiner gnädigen 
Mama
 heruntergeschickt, weil Sie Ihr Gefallen 
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darüber bezeigt, da ich dem jungen Herrn einen Brief an Sie auf demselben 
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einmal habe schreiben laßen. 
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Ich kann nicht leugnen, daß mir meine fehlgeschlagene Hoffnung nach Riga 
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zu kommen ein wenig nahe geht. Außer der Bewegung v. kleinen 
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Abwechselung, die mir bey meiner einsamen v. sitzenden LebensArt vielleicht ein wenig 
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zuträglich seyn möchte, wünschte ich mir mit FuhrLeuten größere Paqvete 
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überschicken zu können, die Frau Schultzin, von der ich gern mehr Nachricht 
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zu
 haben möchte, selbst zu sprechen v endlich eine Kleinigkeit abzumachen, 
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die mir anfängt unerträglich zu werden. Sie werden so gütig seyn, lieber Papa, 
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die beyliegende 20 Thrl. an einen guten Freund, den Herrn Karstens, 
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Schrift
 Schuldschein 
abzugeben v. die kleine Schrift von ihm zu fordern, die ich damals auf dieses 
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vorgeschoßene Geld von mir gegeben habe. Ich hoffe nicht, daß Sie mir dieses 
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heimlichen Streichs wegen böse seyn werden; v glauben Sie mir, daß ich 
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durch die Unruhe, die ich gehabt habe meine Schuld nicht zu rechter Zeit tilgen 
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zu können, gestraft genung bin. Meine Neigung zu diesem Instrument wird 
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Ihnen nicht entfallen seyn, v weil selbiges, mir Herr Reichard, mehr aus 
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Freundschaft als Eigennutz, wie ich gewiß versichert bin, für allen andern 
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seiner Schüler gönnte: so schämte ich mich Ihnen diese Unkosten zuzumuthen, 
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da ich sahe, daß meine Abreise genung derselben machte. Herr Karstens war 
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so bereitwillig mir damit zu dienen. Die große alte Laute hat Herr Reichard 
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für 10 Thrl. angenommen v die kleine will er suchen zu verhandeln; ich habe 
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ihm das Geld für die kleine zu Unkosten auf Stücke v. Sayten angewiesen. 
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Sie werden, lieber Papa, den letzten nicht in Verdacht haben, daß er mir die 
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 vll. Christian Podbielski, Organist in Königsberg 
 vll. Johann Adolf Faustinus Weiss 
große Laute zu wenig angerechnet, da ich versichert bin, daß Podbielsky v. Weiß 
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unter einer Decke stacken uns zu betrügen. Dem Herrn Karstens danken Sie 
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in meinem Namen für Seine Freundschaft nochmals, v suchen Sie durch 
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Gegendienste seine Gefälligkeit zu vergelten. Ich habe ihm franzoisch aber sehr 
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flüchtig schreiben müßen, weil ich um Zeit zum schreiben zu gewinnen, und 
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den Herrn Baron nichts zu entziehen, heute unten zum Mittage gespeist habe. 
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Er bringt mir jetzt wieder nach Tische die Nachricht, daß wir bald nachkommen 
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werden; ich glaube aber hievon nichts. 
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Ich nehme die Erinnerungen mit Erkenntlichkeit an, die Sie mir geben treu 
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in meinem Beruff zu seyn; wenn mir auch diese Treue, die ich vielleicht ein 
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wenig von Ihnen, lieber Papa, geerbt habe, nicht denjenigen Dank verdienen 
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solte, den sie werth ist. Da ich Gott Lob! bloß aus Neigung zu meinem Beruff 
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v. meinen Baron arbeite v. es mir sauer werden laße, so glaube ich bezahlt 
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genung zu seyn, wenn mir mein Gewißen die Beruhigung giebt alles gethan 
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zu haben, v. vielleicht mehr, als mir bezahlt wird. Die Früchte des letzteren 
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werden mich vollends wegen meiner Mühe schadlos halten, weil ich ihm mehr 
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Erkenntlichkeit werde zutrauen können, wenn er älter werden wird, da ich jetzt 
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schon versichert seyn kann, daß er Liebe v. Hochachtung für mich besitzt. Weil 
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sich meine Briefe einander jagen werden, so wird Ihnen die Zeit nicht lang 
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werden auf einen andern zu warten. Dieser wird durch die Fr. Baronin nach 
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Riga kommen; die andern will ich morgen mit der Post an Herrn Belger 
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schicken. Ich empfehle mich Ihrem geneigten v. väterlichen Andenken. Leben 
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Sie jeder Zeit gesund v. zufrieden v lieben Sie mich als Ihren Sohn. 
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Hamann.
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Fed. d’or
 Friedrich d’or, Goldmünze benannt nach 
Friedrich II.
; entspricht 5 Reichstalern (eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze). 
Es sind 3 
Fed. d’or
 v 2 # weil ich den 4ten 
Fed. d’or
 nicht habe 
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darzubekommen können. 
Provenienz
 Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (6). 
Bisherige Drucke
 Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 34 f.
 ZH I 19–22, Nr. 8. 
