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250/16
VerEhrungswürdigster Freund u Gevatter! ich habe es auf mich genommen
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Ihnen die Verhandlung der Philosophie der Geschichte, wie sie entstanden ist
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bis zur Abrechnung zu schreiben; ich werde die Tugend meines Geschlechts
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dabei beobachten, nemlich
umständlich
zu berichten, damit Sie als Richter alles
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wissen.
21
Als Hartknoch vor einigen Jahren bei uns war bat er meinen Mann um eine
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neue Ausgabe der Philosophie weil die erste vergriffen
sei;
(wie wir auch von
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andern schon gehört
hatten)
Er machte ihm einen liebreichen Verweiß daß er
24
die Ebräische Poesie an die Buchhandlung der gelehrten gegeben hätte.
Ich
25
sprach hernach allein
Mein Mann antwortete er wüßte nicht ob er (Hartknoch)
26
Vortheil oder Schaden von seinen Büchern hätte, glaubte auch nicht daß er
27
soviel dafür
g
ä
eben
würde oder könnte als die B. d. Gelehrten. Hartknoch
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versicherte er hätte keinen Schaden an meines Mannes Büchern u.s.w. Auch frug
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mein Mann ihn öfters: bin ich Dir noch etwas schuldig von Riga aus, so sage
30
mirs, mache mir die Rechnung, ich will ins Reine mit Dir kommen, damit ich
31
weiß, was ich hernach für mich u. meine Kinder arbeite. Hartk.
antwortete
;
:
das
32
ist alles längst abgethan, ich habe alles verbrennt u. ich bin durch die Fragmente
33
bezahlt. Darauf nahm ichs über mich mit Hartknoch über die
Philoso
h
phie
zu
34
reden, weil es meinem Mann äußerst fatal ist seine Bücher zu verhandeln, u.
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ers viel heißer als Herr Hartknoch wünscht, nicht ums Brod schreiben zu dörfen.
S. 251
Ich sprach also allein mit Hartknoch darüber; sagte ihm, daß Wieland für
2
seinen Horaz
Drei
Louis d’ors
für den Bogen erhalten hätte;
wir
m.
3
Mann hätte
n
2
Carlins
für die Ebräische Poesie gefordert, doch hätte Bertuch
4
als Unterhändler herabgehandelt auf 2
Louisd’ors
u. nach Verlauf von 5
5
Jahren ist mein Mann wieder Eigenthümer seines Buchs. Hartknoch bezeugte mir, daß
6
er sogar 2
Carlins
geben wollte; ich zeigte ihm
sogar
den schriftlichen Contract
7
mit der Buchhandlung u. sagte mehr als 2
Louisd’ors
würde mein Mann nicht
8
nehmen
.
,
dabei bliebs; er versprachs noch selbst meinem Mann u. sagte ihm: Du
9
kansts drucken lassen wie Du willt. Mündlich u. Schriftlich wiederholte
er,
10
noch
nicht mehr als 1000 Exempl. abdrucken zu lassen. Das Buch
wurde
11
kam an Ostern heraus, wie Sie wissen, ich schrieb selbst
a
b
n
Hartknoch nebst
12
meinem Mann, u. bat ihn zu uns zu kommen, u. Geld mit zubringen; er wüste
13
daß er 2
Louisd’ors
für den Bogen versprochen, (setzte aber in Asmus Art u. Ton
14
hinzu, wollte er 2
Carlins
geben, so würde ich nichts dawieder haben; ich seie
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krank, hätte schon viel verdoctert u. dergl.
mehr
)
.
Diese
n
r Brief
erhielte er
16
ging von hier ab in der
1t
Meßwoche den 7 Mai u. den 5
Juny
erhielten wir endlich
17
Antwort
,
;
u. vorzüglich an mich gerichtet, da
ich will sie Ihnen, ihrer sonderbaren
18
Art wegen ganz abschreiben:
19
„– nun
zu unsrer Sache u. das erfordert eine frische Seite.
20
Ihre Frau Gemahlin, die sich mit uns Buchhändlern zu handeln vortreflich
21
versteht, verlangt 2 vollwichtige
Carolins
oder 2 alte
Louisd’ors
für den Bogen
22
der Ideen. Das ist sehr viel Frau Autorin! Als Ihr Mann vor die Hebräische
23
Poesie 10 rl.
pro
Bogen bekam, gestand er selbst, daß das viel wäre u. daß er so
24
viel von einem Buchhändler, dessen Acker u. Pflug der Buchhandel
ist
nicht
25
erwarten könne. Ich erbot mich dazu, u. will mein Wort halten.
/
Alle Lücken in
26
den Ideen ungerechnet, betragen 2 Bogen davon, nur 1 Bogen der Hebräischen
27
Poesie. Sehen Sie hier die ersten 4 Zeilen aus den Ideen p im Format u. mit
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den Lettern der Hebr. Poesie abgesetzt u. bemerken Sie, daß Zeile auf Zeile geht.
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26 Zeilen hat eine Seite der Hebr. Poesie, u. nur 24 eine Seite der Ideen. Ich
30
würde mit Ihnen von solchen Dingen nicht so kaufmännisch reden, wenn ich
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mich nicht vor allem Verdacht des Betrugs, Nichtworthaltens p frei u. sicher
32
stellen wollte. Uebrigens befehlen Sie frei worinn ich dienen kann, u. es soll
33
herzlich gern geschehen. Zum Beweise daß ich alles nur möglich
e
thue, sende
34
Ihnen hierbei
à
2
Carlins pro
Bogen der Hebrä. Poesie, oder
à
1
Carlin pro
35
Bogen der Ideen p für 40 Bogen, 40
Carlins
thut 160 Laubthaler welche wohl
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zu empfangen wünsche. Noch sind 545 Exemplare davon vorräthig, ich hoffe
37
aber, auch diese werden in einigen Jahren nachgeholt werden, wenn der böse
S. 252
Nachdruck nicht darzwischen kommt. Ich hätte lieber 1500 Auflage gemacht u.
2
wenn dies beim 2ten Theil noch
redresirt
werden kann so thun Sie es. Die 2 ℔
3
Thee kosten 2
Ducaten
u. wir halten zu einer andern Zeit Rechnung darüber, so
4
wie über das Flachs u. die gesandten 100
Ducaten.
Leben Sie wohl.
5
Hartknoch.“
6
Wie sehr wir über diese edle Verkleisterung des Nichtworthaltens betroffen
7
waren, kann ich Ihnen nicht genug sagen! Es gehört nur ein
mittelmässiger
8
Kopf dazu um die Himmelweit verschiedne Arbeit
dieser
der
Ideen
u.
Ebr.
9
Poesie
zu erkennen! Mein Mann hat
Ein
Theil der Ebr. Poesie in 6 Wochen
10
mit der grösten Musse gearbeitet; die Ideen hingegen vom November an bis
11
Ende
Mitte Aprils. Und mit welch unsäglicher Mühe von Lesen, Aufsuchen,
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Vergleichen um ein reines Resultat heraus zu kriegen! Und wie viel hat er im
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Manuscript ausgestrichen damit es ein kurzes lesbares Buch werde. Es ist
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sozusagen 7mal geläutert worden, um nicht weitläuftig oder wiederholend zu seyn.
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Auch sind alle, im Lesen so sehr störende Citationen weggelassen worden pp und
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nun kommt der HE. Verleger u. mißt es
nun
nach der Elle der Buchstaben
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u. Worte ab! Kränkend u. ärgend ist diese elende Behandlung! Wie oft hat er
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nicht zu meinem Mann gesagt: Du kanst es drucken lassen wie du willt. Es thut
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im Ganzen nichts! Und dies ist auch wahr. Die Buchhändler verhandeln
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vorzügliche Bücher den Bogen 1 ggl. Es sind 40 Bogen der Ideen, also 40 groschen
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oder 1 rl. 16 gl. sollte das Exempl.
kosten;
Nun
werden
kosten die Ideen nur
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1 rl. 12 gl. Sehn Sie also wie grosmüthig Herr Hartknoch gegen das Publikum
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gehandelt hat; er schenkte ihm lieber an jedem Exemplar 4 gl. um es im
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Ganzen dem Autor, dem ers Wort darüber gegeben, zu entziehen. An 1000 Exempl.
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4 Groschen, macht „166 rl. 16
gl.
“
hätte er diese noch zu den 40
Carlins
gethan,
26
welche in thaler betragen „250“ – so wäre meines Mannes rechtmäßige Summe
27
von 80
Louis d’ors
–
(Summa 416 rl. 16 gl.)
à
5 rl. = 400 rl. herausgekommen
28
u. Hartknoch hätte noch 16 rl. 16 gl. gewonnen.
29
In einem andern Brief sagte er meinem Mann: es sei ja nicht seines Amts
30
um Geld zu schreiben, er hätte ja sein geistl. Amt wovon er leben könnte. Er
31
wollte, wir wären noch in Bückeburg! der Aufenthalt in Weimar u. einem Hof
32
sei uns nicht gut. Auch hätte er Kinder für die müste er sorgen, u. mehr dergl.
33
Was geht ihn alle das an zu was wir das Geld brauchen? er hat seine Pflicht
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als Verleger zu thun u. nach seinem gegebenen Wort zu bezahlen; mein Mann
35
hat die seinige erfüllt u. ihm das Buch geliefert. Welch hämische Ausflüchte sind
36
dies Alles! u. haben wir nicht auch Kinder? u. mehr als er, sechse; u. seit 4
S. 253
Wochen das Siebende, nemlich die Tochter meiner ältesten unglücklichen
2
Schwester aus Strasburg, die wir nun auch erziehen. Warlich so viel wenden wir nicht
3
an
diese
7 Kinder, was Hartknoch schon an seinen einzigen Sohn
schon
gewandt
4
hat. Und was gehört dies Alles hierher?
5
Mein Mann hat ihm geantwortet, nicht Geldgierig, aber
gerecht.
er soll
sein
6
gegebenes Wort halten
. Weder Grosmuth noch Unrecht wolle er von ihm.
7
Nur Recht. Die Auslagen für Neumann sollen abgerechnet werden u. das
8
nächste mal die
100
Du
caten. Er möchte bestimmt antworten ob er 2
Louisd’ors
9
geben wolle oder nicht? Auf diesen Brief hat er noch nicht geantwortet. Die Zeit
10
rückt heran; können Sie bald Antwort verschaffen so thun Sie es, herzlich
11
verEhrtester Freund, ich werde
nie
an Hartknoch mehr schreiben, u. mein Mann hat
12
ihm die Berechnung nicht so detailirt wie ichs
so eben
gethan habe. Es ist nöthig
13
u.
nützlich
daß ers weiß, u. mit Augen sieht.
14
Meiner Gesundheit hat es keinen geringen Stoß gegeben – ich war ohnehin
15
nicht wohl u. litte, da diese Kränkung kam.
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Verzeihen Sie meine Weitläufigkeit u. Geschmier, ich bin oft von den
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Kindern unterbrochen worden. Leben Sie tausendmal wohl mit Ihrem lieben
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Häuflein! Die Vorsehung erfülle zu ihrer Zeit unsre Wünsche, wie die zärtliche
19
Mutter die Bitten ihrer
lieben
Kinder erfüllt u. führe uns noch auf dieser Erde
20
zusammen!
21
Ihre mit Herz u. Seele ergebene
22
W. den 28 Oct. 1784
C. Herder
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 32).
Bisherige Drucke
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 204–207.
ZH V 250–253, Nr. 778.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
250/22 |
sei; ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: sei, |
250/23 |
hatten) ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hatten). |
250/27 |
g ä eben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: geben |
250/31 |
antwortete ; : ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: antwortete: |
250/33 |
Philoso h phie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Philosophie |
251/2 |
m. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mein |
251/8 |
nehmen . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nehmen, |
251/9 –10
|
er,
noch |
Geändert nach der Handschrift; ZH: er noch , |
251/11 |
a b n ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: an |
251/15 |
mehr ) . ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mehr). |
251/16 |
1t ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 1 |
251/17 |
Antwort,; […] da] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Antwort u. vorzüglich an mich gerichtet ; |
251/19 |
„– nun ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: „nun |
251/24 |
ist ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ist, |
251/25 |
/ ]
|
Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel. |
252/7 |
mittelmässiger ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mittelmäßiger |
252/21 |
kosten; ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: kosten. |
252/25 |
gl. “ |
Geändert nach der Handschrift; ZH: gl.“ |
252/27 |
Louis d’ors – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Louis d’ors |
253/3 |
diese ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: die |
253/5 |
gerecht. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gerecht: |
253/8 |
100 ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 1000 |
253/12 |
so eben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: soeben |
253/13 |
nützlich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nützlich, |
253/19 |
lieben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: li eben |
253/22 |
W. den 28 Oct. 1784 ]
|
In ZH in Z. 21. |