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Vermerk von Hamann:

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Erhalten den 10
Novbr.

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Geantw. den 13 –


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Lieber Hamann,

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So wenig meiner Augenblicke sind, ich muß Ihnen sagen – daß der liebe gute

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Kindischkindliche Nathanael Hill bey uns war, und – bald wieder von uns floh,

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obgleich Er nicht Worte finden konnte, für das Nichts, was Ihm in zwei Tagen

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geschehen
konnte
war, dankzusagen. Ihr Brief kam an dem Abende des

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Samstags, an dessen Morgen sich der Immervorwärts strebende von uns

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losriß. Ich sandte ihm denselben nach Meyland nach unter einer Enveloppe an

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einen Freund Pfenningers. Er war eben Mittwochs nach 10 Uhr Morgen den

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22. Oct. angekommen, als Ihr Namen von mir auf die addresse geschrieben

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und auf die Post gegeben ward. Da ich Ihre Vatersorgfalt für Ihn kannte, that

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es mir leid, es Ihnen nicht gleich schreiben zu können. Daß Er so voll von Vater

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Hamann ist, wie ich von Christus zu seyn wünsche – gab mir eine neue liebliche

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Idee von Ihnen. Er sprach von nichts als von Ihnen und allen, die Ihm wohl

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wollten und wohlthaten. Es ist eine liebe Seele. Sie beleidigen heißt in Gottes

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Augapfel greifen – Sich ihr schämen, (wie Freund Hamann zu besorgen schien,

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daß ich’s thun mögte!) heißt sich der Menschheit, der Tugend und unschuld

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schämen. O wenn ich einmahl den Respekt für solche wesen verliere – dann ists

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aus mit meiner unsterblichkeit. – Er hätte wirklich in Zürich noch sehr viel Ihm

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Lebenslang nützliches lernen können – Aber sein Geist trieb Ihn weiter. Es

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schien, als ob Gott dieß Lauffeuer der Einfalt und Kindlichkeit nicht geschwind

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genug vom Nordpol zum Südpol treiben könne. Soviel von Ihm.

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Für jedes Wort, das Hamann schreibt, hab’ ich Respekt. Ich lese das

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Golgatha immer und immer wieder – streiche alles an, was ich verstehe, und alles, was

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ich verstehe, ist aus meiner Seele herausgesprochen – aber, ich peinige mich über

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den Mangel des Verstandes, und den Reichthum meines unverstandes, daß ich,

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der ich doch Sinn für alles Hamansche zu haben glaubte, so manches nicht

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verstehen, also nicht genießen kann – und an Verstehenslust denk’ ich, fehlt es

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mir doch auch nicht. Hie und da schien es mir auch schwertscharf gegen den

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unathletischen Moses – schärfer, als Haman es ihm mündlich gesagt haben

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würde… welches mir, um Christi willen und der Salzfreundlichkeit des

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Evangeliums willen etwas Mühe machte. –

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Seite 58–64. besonders hat mir wohlgemacht.

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Das goldenste aber war mir die Stelle S. 48–51.

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Der
Schmetterling
ist nicht zu bezahlen. So was ist ewig.

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So viel von
Golgatha
und
Scheblimini
!

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Nun noch ein Wort über
Buchholz
– Postskript zum Lezten.
Buchholz
ist

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einer der auserwähltesten, feingebautesten, zärtesten, feinsinnigsten,

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gutherzigsten, edelsten Menschen, die ich gesehen. Er hat schon vor 5 u: mehr Jahren

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durch seine persönliche
Erscheinung
in Zürich einen
Erscheinungsmäßigen

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Eindruck auf mich gemacht.
Desiderium sui reliquit.
(Mein einziger Maßstab,

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im Vorbeygehen zu sagen, für alle Menschen, Schriften, Vergnügen, –

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Speisen – (die ich geniesse) Ich fand ihn nachher wieder – glücklicherweise – in

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Manheim, aber durch Kränklichkeit beynah unkenntlich geworden, zaghafter,

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zusammengeschrumpfter – aber immergleich voll Licht der Erkenntniß, voll

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Durst nach Wahrheit, und wie’s mir schien – durch mancherley

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Dehmüthigungen zu einer erhabenen Bescheidenheit und Kindereinfalt geläutert. – Ich

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wiederhohle – daß ich Ihn zu den ersten Menschen die ich kenne zu rechnen, nach

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meiner ruhigsten überzeugung gedrungen bin.
Hill
hatte eine ganz unendliche

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Freude über diesen Jüngling Gottes, der Vater Hamanns Leben zu erleichtern

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dürstet.

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Der 15. Nov. ist mein, mich ins 44ste Jahr führende Geburtstag – o mögte

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die Freude, die Gott Buchholzen würdigte, Ihnen zu machen – auf diesen Tag

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fallen!

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Häfelin
ist überwohl in Dessau.
Pfenninger
ist unter seinen

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Arbeitslasten und 9 Kindern immer die Zufriedenheit selbst – Gestern vollendete ich

6
den
III.
Band der Messiade, nämlich das lezte Stück, was ich noch nicht

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gemacht hatte – die
Erscheinung der Heiligen
. … Meine süsseste Arbeit auf

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Erden war der dritte Band der Messiade. Leiden und Freuden des

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Menschensohnes.

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Ich kann nicht mehr. Grüßen Sie alles, was gern Grüsse von mir annimmt –

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besonders den mir durch
Hill
liebgewordnen
Dippel
oder
Hippel
– und den

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Johann Michael
. Wie ich
Hillen
inn seinen Paß schrieb, schreib’ ich Haman

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in seinen Brief –

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„Wer ihn nicht lieb hat, von dem will nicht geliebt seyn

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Johann Caspar Lavater.

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Z. den 27. Oct. 84.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: ZH zufolge in der Staatsbibliothek zu Berlin, Lessing-Sammlung (dort aber weder heute vorhanden noch in Carl Robert Lessings Handkatalog aufgeführt).

Ebenfalls vorhanden: Eine Abschrift vmtl. von Johann Caspar Lavaters Sekretär; aufbewahrt in: Zürich, Zentralbibliothek, Signatur FA Lav Ms 563.62 (
Johann Caspar Lavater Online Briefedition
). Die Abschrift ist aber ohne Erhalten-Vermerk von Hamann und weicht so signifikant von dem bei ZH edierten Text ab, dass sie sicher nicht Vorlage dafür war.

Bisherige Drucke

Heinrich Funck: Briefwechsel zwischen Hamann und Lavater. In: Altpreußische Monatsschrift 31 (1894), 127–129.

ZH V 244–246, Nr. 776.

Zusätze fremder Hand

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Johann Georg Hamann
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Johann Georg Hamann