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ten
Octbr
84

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O lieber Herr Kriegsrath! Sie müßen sich wider verlesen haben. Ich habe

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über keine Sprintlacksche Kälte geklagt, sondern mir Ihr Kamin gewünscht, und

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weiß von keinem dorther mitgebrachten Nachwehen als daß ich mich nicht hier,

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wie bey Ihnen erwärmen kann. Heute erst werden neue Fensterrahmen

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eingepast, die noch angestrichen und beschlagen werden sollen; daß ich diese Woche an

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keine warme Stube noch denken kann. Der bestellte Torf ist auch ausgeblieben,

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und an der Vertheilung der Thorkläfter wird noch in Berlin gearbeitet. Als

S. 226
Freywohner sollte ich auch frey Holtz bekommen, das bisher auf die heilloseste

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Art uns entzogen worden, und die Unverschämten erpochen ihren Antheil. Unser

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einer muß sein täglich Leid in sich fressen –
Hinc illae lacrumae
und das Pech

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in meinem Gehirn, das ich mit keiner Philosophie und Kritik zu reinigen

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imstande bin. Ich fühle jetzt schon
molimina
einer zweiten Heimsuchung auf

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künftiges Jahr um
Cremitten
zu sehen deßen Lage mir einen so starken Eindruck

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gemacht, daß ich es so deutlich vor mir sehe, wie ich noch bisweilen Ihren

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Hector, den Edomiter Doeg, bellen höre; denn es geht mir mit meiner Phantasie,

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wie mit meinem Magen. Wo ich zu Hause seyn soll, bekommt mir kein Wein,

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kaum einmal des Tags – und auf einen satten Mittag kein Abendbrodt. Doch

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diese Präliminarien kommen noch zu früh –

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Sonntags brachte mir erst Herr Jensch Ihre gütige Zuschrift und die 7

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Bücher habe Montags erhalten. Machte mit Sully schon den Anfang, auch traf

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eben an dem Tage
Mosers Leben
ein, welches beylege aber damit zu eilen

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bitte. Verzeihen Sie mir, daß ich mich wegen Monboddo erkundige, nicht als

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wenn ich ihn etwa nöthig hätte; sondern nur weil ich nicht anders weiß, als daß

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Sie ihn noch haben und deßen nicht gantz gewiß bin.

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Eben da ich antworten wollte, erhielt ein Päckchen neuer Sachen, die ich

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gleich wider abliefern muste. Der erste Theil von den Briefen über die Schweitz

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Berl. (Spener) hat meine Erwartung endl. gestillt. Unter der Vorrede steht

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C. Meiners und der Verf. redt immer wie der Prof. zu Göttingen, daß ich nicht

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anders vermuthen kann, der mir genante Reisbeck hat hier wider eine Maske

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angenommen, wie eines
Franzosen
seine bey den ersten Briefen. Dergl. Reisen

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sind sehr nach meinem Geschmacke; und diese gehört vorzügl. in Ihre

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ausgesuchte Sammlung, welche ich
s
mehr noch einmal zu nutzen wünsche. Meiners

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soll der würkliche Verfaßer seyn; die Maske schien mir zu toll.

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Das zweyte Vierteljahr des Mercur erhielte auch, der trocken u kahle April

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und May wird durch den
Junius
ersetzt. Eine Folge des kleinen Romans

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Moritz
; aber noch ein
schönerer Brief
über die Bahrdtschen Briefe im

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Volkston, den ich 2 mal gelesen, u Ihnen auch wünschte.
Komische

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Erzählungen
in Versen sind kein Product eines Anfängers noch mittelmäßigen

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Kopfs.

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Le Diable dans un Benitier et la Metamorphose du Gazettier cuirassé en

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mouche etc. etc.
enthält viel über den
le Noir
u die Misbräuche der welschen

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Policey, welche die ärgsten Schelme und Spitzbuben ihrer Politik zu

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Werkzeugen u Spionen liefert. Ist aber nichts mehr als ein Pasquil.

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Gehrkens Reisen sind bei Dengel nicht zu haben. Herr Siegfried sowol als ich

S. 227
erhielten eben die Antwort in Ansehung des Swedenborgs. Wie soll der Titel

2
heißen? wollen Sie es für jemanden kaufen oder blos zum Ansehen für sich

3
selbst haben? Vielleicht kann ich es –


4
den 8 8
br.

5
Vorgestern war ich so weit gekommen, da ich zu HE Kr. H. gebeten wurde,

6
der Ihnen bereits selbst geantwortet und mir das erste und einzige Exemplar

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welches Hofpr. Schultz von seinen Erläuterungen über die Kantsche Kritik

8
erhalten, zum geschwinden Durchlesen mittheilte, wodurch er sich um seinen Autor

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sehr verdient gemacht. Er wird noch einige Bogen hinzu fügen und scheint

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seiner Arbeit gewachsen zu seyn.

11
Baczko soll dem Göckingk die ärgerl. u theils lächerl. Artikel mitgetheilt

12
haben, und verdient dadurch bey mir allen Credit eines Geschichtsschreibers –

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Ist es Ihnen mögl. HE Scheller zu versorgen; so wenden Sie doch alles dazu

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an. Sie thun dadurch ein gutes Werk an diesem würdigen, geschickten Mann

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und an uns allen; auch Herr Pf. K. wird wie ich hoffe einen guten Nachbar und

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Amtsbruder an ihm haben.

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Hartung kündigte in der gestrigen Zeitung den 2 Theil von Schwedenborg

18
wahrer christl. Religion an
a
3 fl 15 gl. Ich lief gl. zu meinem Freund Brahl, u

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bat beyde Theile mir zu verschaffen. Er hat mir aber nur den 2ten schicken

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können. Wenn Sie letztern allein auf ein paar Tage ansehen wollen; so denk ich

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Erlaubnis dazu von ihm zu erhalten. Auch Gerken’s Reisen hat er mir beygelegt,

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aber auch nur den ersten Theil. Ist der zweyte noch nicht heraus? auch das

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neueste Stück von Adelung, worinn ich sehe, Bürgers Iliade beurtheilt

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wird – auch April und Märtz von Schützens litterarischen Spatziergängen,

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welcher auch eine litterarische Zeitung ausgeben wird, wozu er unsern Kant

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eingeladen u ihm für jeden Bogen 3
Louis d’or
bis 6 # versprochen, mit dem er

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stark briefwechselt über seine Kritik. Die 2 ersten Monathe von Heineke

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Kritiker
hat mir Friedrich aus Berl. überschickt. Warum nicht mehr weiß ich

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nicht – An der Fortsetzung ist mir eben nicht gelegen.

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Eine Freundin hat mir romantische Erzählungen nebst Abhandl. über

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Gegenstände vergangener Zeiten von
M.
Joh.
Χ
stoph Krause geschickt, die mir einen

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vergnügten Abend gestern gemacht.
Villeaume
Preisschrift über die Erziehung

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zur Menschenliebe lag auch bey, kann mich nicht überwinden sie zu Ende zu

34
lesen, weil ich aus Mangel der Zeit wählen muß.

35
Meinen
Kraus
begegnete ich Montag im Buchladen, wo er sein dickes Pack

36
nach Berl. zusiegelte. Ich that ihm einen Gefallen es auf der Post zu bestellen

S. 228
und machte mir eine Ehre daraus, Handlanger gewesen zu seyn. Hier gilt auch,

2
was Sie von Babo schreiben:
Man muß hoffen, daß all solche Saat

3
einst Früchte tragen werde
. Als ein treuer Arbeiter gewint er viel für sich

4
selbst. Er gestand mir selbst, daß er dadurch veranlaßt worden die Geschichte

5
unserer Akademie aus unseren Acten u besonders ihre Gesetze zu studiren. Eine

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herrliche Uebung für seinen Geschmack in der Composition, die ihn einmal zu

7
einem rechtschaffenen Schriftsteller machen wird. Darf ich noch dem Motto der

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Jünger das Wort des Meisters entgegensetzen: der Mensch lebt vom Brodt nicht

9
allein –

10
Ich bin gegen mein Urtheil so mistrauisch, daß mir die Uebereinstimmung

11
eines Freundes immer willkommen ist. Wie die Kritik der reinen Vernunft von

12
einem logischen Spinnengewebe abhängt; so des guten Geschmacks seine öfters

13
von einem seidenen Faden. Mein Antheil an des seel. Prätorius u des
M.

14
Pleßings Erstlingen ist stärker, weil ich beyde persönlich gekannt habe.

15
Garve soll 100 # bekommen haben. Ey eine trefliche Summe – wenn es auch

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soviel
Fed. d’or
gewesen wären. Doch diese nehmen seine eigene Caßen nicht

17
mehr an, und anstatt ⅓ müßen gegenwärtig die
ganzen
Gefälle in #
à
8 fl.

18
7½ gl. abgetragen werden.

19
Basedow und Zimmermann verspreche, so bald ich kann – auch hoffe

20
Büschings Lebensbeschreibungen. Bitte Mosers Leben bald wider zurück. Die

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2 ersten Theile von Aakens Reden habe von meinem Beichtvater geliehen; den

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dritten hat er nicht. Für diese hab ich mir einen längeren Termin ausgedungen.

23
Die
Sitten
u
Leben Davids
besitze selbst, wünschte daß Sie selbige mit der

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ästhetischen Idiognostik u dem aufgewärmten neusten Versuch
à la Bayle
über

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David vergleichen möchten; zu welchem Behuf ich mit erstern aufwarten kann.

26
Befördern Sie HöchstzuEhrender Herr und Freund unsere Wünsche zu Sch.

27
Versorgung, und verlieren Sie nicht die Gedult über mein Geschmier.

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Empfehlen Sie mich Ihrer gütigen Frau Gemalin u Nachbarschaft. Ich ersterbe

29
Ihr

30
ewig treuer Johann Georg Hamann.


31
Kann mich am dritten
Theil der Volksmährchen
nicht satt lesen.


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Auf der Innenseite des Umschlagbogens:

33
HE Kriegsrath Hennings schickt mir
nebst einer Rehkeule
die eben warm

34
angekommene
n
neue
n
astronomische
n
Bestimmung der Größe der Sonne

35
u ihre
r
Entfernung von der Erde; vom Rußisch Kayserl. Collegien Aßeßor

36
Benken, wozu der Rigische Rector Snell eine Vorrede gemacht hat, und worüber

S. 229
mehr hier gelacht als subscribirt worden. Noch komt ein Avertissement, da ich

2
eben den Brief zumachen will, durch das Schwarzbeck den 17
h.
sein Experiment

3
ankündigt.


4
Adresse:

5
Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren, / zu /
Sprintlack
.

6
Nebst 2 Büchern und den beyden ersten Monathen des Kritikers und einem

7
Bändchen sokr. Denkw.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 173–175.

ZH V 225–229, Nr. 769.