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Wolgeborner Herr Kriegsrath,

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HöchstzuEhrender Freund,

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O den lieben
Camin
Ihrer Dachstube! Die frühzeitige Kälte geht mich so

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nahe, und greift mein Fleisch und Blut dergestalt an, daß ich zwey Tage

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voriger Woche, sobald ich zu Hause kam, das Bett in einem Schlafpeltze habe

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hüten müßen.

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Beyl. Qvittung bitte gut aufzuheben, da Herr John, dem ich das Geld

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bezahlt, in kurzer Zeit die Hartungsche Handlung verlaßen und nach Berl. bey

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Haude und Spener gehen wird – und leicht Unordnungen von seinem

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plötzlichen Abschiede zurückbleiben könnten. Er hat mir noch zu einem feyerl.

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Besuch vor seiner Abreise Hofnung gemacht, wobey ich nicht ermangeln werde, ihn

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an Abschreibung dieses Postens, wenn es nicht geschehen seyn sollte, ausdrückl.

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zu erinnern. Aus der
Nota
erkannte er sogl. daß die Rechnung von Ihnen war.

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Wegen Schwedenborgs werde mich noch erkundigen und wenn er bey

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Dengels ist, ihn beylegen, wo nicht,
ihn
künftig bey Hartung Nachfrage thun

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Moritzens Reise nach Engl. fehlt bey Dengel, wie ich zum voraus vermuthen

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konnte.

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Bin gegenwärtig nichts im stande beyzulegen, als Holbergs, Reiskens Leben

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u einen Heft von Sammelsurien. Den
Traité des droits du Genie,
erwarte am

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ersten wieder zurück, weil ich es selbst geliehen habe.

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Vorige Woche ist hier das erste Stück eines neuen
Magazins für

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Litteratur und Wissenschaften
heraus
angekommen, welches Otto von

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Gemmingen zu Wien in so großem Qvartformat, wie Reicharts
musicali
sches

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Magazin war, herausgiebt.
Pr. Werthes
hat es seinem Freunde Mangelsdorf

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hier in
Commißion
gegeben. Das letzte u vielleicht schlechteste Stück ist von ihm;

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eine Ode unter der Aufschrift:
Thränenweide
. Klopstock, Schloßer,

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Hoffsteter sind Mitarbeiter. Der Anfang verspricht viel Gutes.

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Haben Sie schon Basedows
Examen der allernatürlichsten Religion

S. 222
angesehen? welches ich auch allenfalls mittheilen könnte. Es liegt mir schon

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beynahe 8 Tage auf dem Tisch, ohn daß ich dazu habe kommen können. Jetzt

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beschäftigt mich ein ziemlich angenehmes Werk in 7 kleinen Bänden, welches

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ein Katholik geschrieben:
Die Philosophie der Religion
, und in dieser

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Rücksicht Aufmerksamkeit verdient.

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Kant hat das
Mst.
seiner Grundlegung zur Metaph. der Sitten abgeschickt

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und arbeitet jetzt an Beyträgen zu
D.
Biesters Berlinschen Monatsschrift. Der

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September enthält lesenswürdige Briefe eines Oesterreichers über Berlin und

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die Geschichte des berüchtigten Rätzels von Gedicke, der ohne seine Schuld an

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der Auflösung so vielen Antheil nehmen müßen.

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Lege auch Kreutzfelds Meynung über den Adel bey, weil HE von Baczko

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Geschichte, seiner eigenen Aussage nach, nicht so bald eintreffen wird und der

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zweyte Theil davon schon unter der Preße ist. Kraus hat die Nachschrift

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gemacht und wird auch die noch übrige Handschriften über die Preuß. Geschichte

15
des seel. Kreutzfelds ausstatten. Er hat sich sehr über die milde Beysteuer des

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Göttingschen Magaz. gefreut, und sieht dem Ende seines beschwerl.
Decanat
s

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und neuer Wohnung, die Prof. Kant auf der Lomse ehmals inne gehabt,

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entgegen – hat sich beynahe den halben Sommer an einem Gutachten über die

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Verbeßerung unserer
Albertina
zu Schanden gearbeitet, welches der gute Minister

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von Z. von ihm wegen eines windigen
Projects,
das der schreibseelige Goldbeck

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ihm aufgedrungen, sich ausgebeten. Dies Vertrauen allein macht beyden Ehre –

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und ohngeachtet der mir bisweilen bis zum Schauder auffallenden Ähnlichkeit

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mit seiner Mutter Bruder, Buchholtz, und der eben so großen Unähnlichkeit

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unsers Geschmack verehr ich seine Talente und Grundsätze
cum respectu

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parentelae.

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Nun wünschte ich wohl nächstens die beiden Theile des Sully – und auch ein

27
Wort der Erinnerung
, wenn mir etwas von dem, was ich versprochen habe,

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entfallen seyn sollte. Es soll bey mir beßer angebracht seyn, als bey unserm

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gemeinschaftlichen Freunde, der weder von Versprechen noch dem Rückstande

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einer Antwort etwas wißen will, sondern als ein bewährter Geschäftsmann

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alles leugnet.


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den 20. Sept. 84.

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Ich wurde gestern durch den Besuch eines jungen Berliners abgehalten.

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Begegnete heute auf dem Wege nach dem Buchladen den HE Siegfried, der sich

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schon umsonst nach der Schwedenborgschen Schrift erkundigt hatte. Dafür

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fand die ersten 2 Stücke des Kritikers von Heineke, die mir HE Friedrich aus

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Berlin zugeschickt – aber unter aller meiner Erwartung, und sich selbst gantz

S. 223
unähnlich. Vermöge der Anzeige, „verspricht er alles zu kritisiren, was nicht

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über und unter der Kritik ist. Es enthält
Recensio
nen,
Antirecensio
nen,

3
Selbst
recensio
nen, Abhandlungen, Anzeigen und allerley gemeinnützige Sachen nur

4
keine
Pasquille
.“ – Er plündert große Stellen aus Büchern, ohne selbige

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anzuführen noch zu nennen. Die 2 ersten Stücke sind vom April u May und

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machen mir keine Lust die Folge zu sehen. Beynahe sollte ich vermuthen, daß die

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gantze Unternehmung bereits in Stecken gerathen.

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Von Ihrem Horatz habe meinem Sohn Nachricht ertheilt, auch Spittlers

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Kirchengeschichte besorgt. Ich kann ihn aber erst mit künftigen Monath hier

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erwarten, weil die
Canton
srevision jetzt dort gehalten wird.

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Empfehlen Sie mich der Frau Kriegsräthin und Ihrer guten Nachbarschaft

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mit dem ergebensten Dank für alles genoßene Vergnügen. Wie sehr es mir in

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Ihrer Gegend gefallen, und wie viel Eindrücke diese erwünschte Ausflucht auf

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mich gemacht, werde ein andermal beweisen. Meine erfrorenen Finger erlauben

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nicht mehr, als mich zu unterschreiben

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Ihren

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ergebensten Joh. Ge. Hamann.


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Adresse mit Mundlackrest:

19
Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren / zu /
Sprintlacken
.

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Nebst einem Päckchen mit 5 Büchern.

Dem Brief lag folgende Quittung der Hartungschen Buchhandlung für Scheffner bei:

484/35
  Nota.

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1. Eichhorns Einleitung in das Alte

S. 485
Testament. 2
vl
d Ex. 3. 15. gl.

2
baar empfangen

3
Hartungsche Buchhandl.

4
den 14. Jun. 1784.


5
Zusatz von Hamanns Hand:

6
Schwedenborgs wahre christliche Religion den 18. Sept. 84.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

ZH V 221–223, Nr. 767.