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Kgsberg den 30 Aug. 84.
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Wolgeborner Herr Kriegsrath,
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HöchstzuEhrender Freund,
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Nolens volens
fuhr ich den 27 Aug. an meinem 55sten Geburtstag nach
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Graventihn und brachte meine drei Mädchen
volentes nolentes
gestern Abend nach
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Hause, wo ich erfuhr, daß des HE Stadtraths Wirth mit einem Briefe
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von Ew. Wolgeboren bey mir gewesen war, aber selbigen nicht abgeben wollen.
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Heute komm ich im Dengelschen Buchladen
und erfahre
, daß der
III
te Theil
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vom Prediger Magazin endlich angekommen wäre, den ich mir sogl. ausbat und
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nach dem Eßen zum Herrn Stadtrath lief, aber ihn nicht zu Hause fand, und
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das Buch da ließ, auch den Brief empfieng. Das Geld muste wider mit zu Hause
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nehmen.
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Aus Beyl. werden Ew. Wolgeboren ersehen, daß der letzte Preis nichts mehr
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als 21 schreibe Ein und Zwanzig rth. gewesen, und daher kein
error calculi
von
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Seiten der Herren Bibliothekaren vorgefallen,
wie aus Beyl. zu ersehn
und
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daß mein Freund Kraus, der Uebersetzer einer politischen Arithmetik, durch den
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Nachschuß eines baaren fl. in Scheidemüntze sich die Mühe des Nachrechnens
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nicht hat verdrüßen laßen. Ich glaube aber, daß der arme gute Mann, weil er
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kein Cameralist ist, noch einige Zeit braucht auf einen Fonds zu sinnen um die
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Kosten des Transports auf der Rathsbibl. und der Fortsetzung des Godeau
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auszumitteln. Gegen meine
Receptur
von 6 # ½
Feder. d’or
und Einen fl.
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cour.
wird auch die Ober Rechnungs Kammer weder eine
exceptionem calculi
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noch
iuris
aufzubringen imstande seyn; so wenig ich mich auch auf das eine oder
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andere verstehen mag.
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Prof. Reinhardt zu Wittenberg wo ich nicht irre, soll Verfaßer des neu
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aufgelegten Büchleins seyn.
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Sobald Herr Pfarrer Fischer Albrechts engl. Grammatik durchgelesen haben
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wird; werde ich nicht ermangeln selbige zu beliebigem Gebrauch mitzutheilen.
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Mosers Leben ist vor Empfang Ihres Briefes nach Graventihn gegangen. Ist
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Ihnen mit Reiskens seinem gedient, das ich von daher meinem Sohn wider
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abgenommen?
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Laß die todten Griechen und Römer ihre Todten begraben. Habe kaum Lust
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ein Deutscher zu seyn, bin, ohne Ruhm zu melden, weder mehr noch weniger als
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ein Ostpreuße.
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Bey Untersuchungen komt es nicht auf angenehme sondern richtige Resultate
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an. Habe den Locke
nur
neuerlich zum ersten mal gelesen, aber nur in der
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französischen Uebersetzung, die vielleicht das Original übertrift, wie die lateinische
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Uebersetzung
der
verlorene griechische Quellen und das
servum pecus
manchen
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Freygeist.
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Die Liebe eines Vaters ist immer ein gantz artiger Zeitvertrieb auch ohne
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Gegenliebe, die mehr Eigennutz als Genuß ist, der nicht auf Grübeley sondern
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Erfahrung beruht.
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Empfehlen Sie mich der Frau Kriegsräthin, die vermuthlich Ihr Töpfchen
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erhalten haben wird; denn ird
ische
ne Gefäße sind der Zerbrechlichkeit
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ausgesetzt. Ich habe mich heute müde und schläfrich gelaufen und habe
heute
HE
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Kriegsrath Hippel nicht zu Hause gefunden. Leben Sie wohl und entschuldigen
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Sie die Eilfertigkeit Ihres
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ergebensten J G Hamann.
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Adresse mit Siegelrest:
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An / HErrn Kriegsrath Scheffner / Erbherrn von und / zu /
Sprintlacken
/
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Nebst
einem Buch
.
Provenienz
Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 159 f.
ZH V 198 f., Nr. 762.