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S. 173
Königsberg den 5
Aug.
84. des Abends

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Lieb werthester Herr und Freund,

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Warum ich Ihre Zuschrift, welche den 24 April erhalten, nicht so bald

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beantworten können, wird Ihnen unser liebe L. aus der ihm den 2 May gegebnen

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Antwort mitgetheilt haben.
Heute
habe einen Brief von HE Hartknoch

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erhalten, aus dem ich nachstehendes abschreibe:

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„Vom
General-Superintend.
Lenz habe wegen der Sachen seines Sohns den

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Entschluß: er will schon die Frachtkosten daran wenden und sie herkommen

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laßen (neml. nach Riga) wenn sie sich nicht zu hoch belaufen. Da der Schafhauser

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Freund verspricht, daß er alles beytragen will, daß sie bis Leipzig nicht zu viel

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kosten mögen: so kann er das Kistl. an HE. C. G.
Hertel,
Buchhändler, für

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meine Kosten senden, dieser wird die Fracht bezahlen, und alles nach Lübeck

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senden.“

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HE Hartknoch scheint den Umstand Ihrer Nachricht übersehen zu haben, daß

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die Kiste
zwar nicht sehr groß aber schwer ist
. Mündlich hat er mir

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versichert, daß Herr Lentz viel Hofnung zu einer
völligen Herstellung
gebe,

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und wo ich nicht irre, sich gegenwärtig in Moskau aufhielte. Ich habe dieser

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Kiste wegen schon Aufträge meines Wißens von Freund Ehrmann gehabt, aber

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von
ihm
HE Lenz selbst keine positive Antwort erhalten können; weil ich nur

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ein paar Briefe mit
HE Lenz
ihm gewechselt.

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Meinem Gevatter Kaufmann bin seit sehr langer Zeit eine Antwort schuldig,

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habe aber sehr günstige Nachrichten von seiner gegenwärtigen Lage durch einen

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hiesigen Freund
HE Mayer
erhalten, der sich seit einiger Zeit hier aufhält, mit

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ähnlichen Absichten, wie unser gute
Ehrmann
in Strasburg, an deßen Glück

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ich herzl. Antheil nehme.
Wahrheit
ist freylich
Weg
und
Leben
. Hätten wir

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schon unser Theil in dieser Welt, und unsern Bauch gefüllt mit ihrem Schatz:

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so dürften wir eine künftige, beßere, neue Welt weder glauben, noch hoffen noch

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wünschen.
Nicht, daß ich’s schon ergriffen
habe
– ich
jage ihm aber

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nach,
ob
ichs auch ergreifen möchte
, und mit diesem Looß wollen wir

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Spätlinge
zufrieden seyn und gern für lieb nehmen.

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Ich möchte gern allen meinen Freunden in der Schweitz, und folglich auch

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Ihnen einen jungen Menschen Namens
Hill
,
Candidatum Theol.
empfehlen,

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der von Lübeck zu Fuß sich vorgenommen nach
Venedig
und vielleicht nach

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dem
Orient
eine Wallfahrt zu thun. Er hat sich um mich wie ein
Onesimus

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verdient gemacht und meiner ältesten Tochter die Anfangsgründe der Musik auf

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dem Clavier u im Italienischen beygebracht. Ich habe aber seinem wilden Feuer

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und Lüsternheit nach Ebentheuer nicht widerstehen mögen. Sollte er nach

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Schaffhausen
kommen; so bitte ihm mit
guten Rath
beyzustehen und Ihren

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und unsern Freunden zu seinem Fortkommen weiter zu empfehlen; worunter

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auch
HE. J. G. Müller
in Winterthur gehört.

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Gott erfülle all Ihr Wünschen und
erstes Trachten
und laße es Ihnen an

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der Zugabe des übrigen auch nicht fehlen! Ich werde jeden Anlaß meinen guten

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Willen äußern zu können mit beyden Händen ergreifen und niemals aufhören

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mich zu erkennen für Ihren

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herzlich ergebenen Freund und Diener

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Johann Georg Hamann.


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Grüßen Sie unsere Freunde in Zürich und den in Strasburg, an erstere denk

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zu schreiben, so bald ich kann. Hier hält sich ein
D.
Großpletz aus Arau auf, dem

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zu Gefallen ich vorigen Sonntag 1½ Meile zu Fuß gegangen bin, ohn ihn

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getroffen
zu haben. Vielleicht desto beßer für uns beyde!


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Adresse mit rotem Lacksiegelrest Druckstempel:
De Francfort

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An / HErrn
Eberhard Gaupp
, / Kaufmann / in /
Schaffhausen
.

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Einschl
.

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 56.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 146–148.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 20 f.

ZH V 173 f., Nr. 752.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
173/28
habe
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
habe