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Kgsb. 18 Jun. 84.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Gestern erhielte gegen Abend diese Einl. nebst einer nach Morungen. Ich habe
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das Herz gehabt selbige zu erbrechen, weil Sie das Vertrauen auf mich gesetzt
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mir den vorigen Brief und Ihre eigene Antwort mitzutheilen. Es hat mir zwar
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schon mein Vorwitz leidgethan, aber ich habe mich damit getröstet, daß Nichts
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von ohngefehr geschieht, und ich wünschte etwas zur Besänftigung von beiden
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Theilen beitragen zu können; da von beiden Theilen das
summum ius
der
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Freundschaft
und
Billigkeit
Eingriffe zu thun scheint. Unser Freund, wie
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offenbar zu ersehen, ist in Verlegenheit, hat sich auf die Summe Rechnung gemacht
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– giebt wenigstens vor, von andern den
Bogenpreis
erhalten zu können – –
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Sie haben, liebster Hartknoch, nicht die nöthigen Maasreguln als Buchhändler
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genommen, wegen Formats und des dadurch natürlich entstehenden
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Unterschiedes. Glaubt ein
anderer Verleger bey jenem Preise bestehen zu
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können
: sollten
s
Sie sich als Freund nicht auch begnügen können? und ist in
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einem solchen Falle die Versuchung nicht groß besonders für einen Mann, der
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in Verlegenheit ist – Vielleicht können die zerstreuten Blätter die er Ihnen
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anbietet, etwas von dem einholen, was Sie an dem exorbitanten Preise der Ideen
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aufopfern. Setzen Sie das Nagen und Beißen und Keifen unter einander fort:
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so besorge ich, daß Uebel ärger werden wird, und unser gemeinschaftlicher
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Gevatter bald eben so schwarz in Ihren Augen werden wird, als K‥ und H.
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welches ich um aller Welt nicht wollte, weder Ihrent- noch Seinetwegen. Der
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einzige Rath, der zugl der schwerste ist, besteht in
aut – aut
– gantz der
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Freundschaft
oder gantz den
Grundsätzen des Ackers
und
Pflugs
zu entsagen in
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diesem
einzigen Fall
, und
theure Erfahrung
auf künftige und ähnliche
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Fälle Ein für allemal baar zu bezahlen. Bedenken Sie aber, liebster Hartknoch,
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daß es mit unserer
Hoffnung zu gewinnen
öfters ebenso verkehrt geht, wie
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mit unserer Furcht zu verlieren. Machen Sie sich aber dieses Anlaßes zu Nutze,
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alles auf einen
reinen Fuß zu bringen
, soviel möglich, mit Güte und Liebe,
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ohne Rücksicht noch Arglist, aber mit
Klugheit
, welche die ganze Lage der Sache
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Ihnen am besten vorschreiben kann.
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Er meldt mir, die Stolberge sind dort gewesen mit ihren Gemalinnen 4
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liebenswürdige Leute, die ihnen 8 angenehm unruhige Tage gemacht haben. Mein
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Sohn ist heute in Gesellschaft des Hills
per pedes apostolorum
heim gegangen.
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Er ist gestern zu spät gekommen, und der Regen ist zum Theil schuld daran, der
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ihn so naß gemacht, daß er in meinem Hause abgewiesen worden und daher ein
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gl. in Ihrem befürchtet. Unterdeßen er sich erst umgekleidet, sind Sie schon
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abgereist – und wie es scheint früher, als man gewöhnl. von der Stelle kommt.
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Sie kennen einen Kaufmann Gollwitz, den Schwiegersohn der Frau
Masutin
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einer alten Muhme vom Kanterschen Hause. Dieser ist heute Knall u Fall von
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seinem Gesellen erschoßen worden mit einem Gewehr, das ihm ein Soldat zum
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Verkauf angeboten u. geladen gewesen ohne daß es jemand gewußt. Dängel
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versichert ein Päckchen aus der Schweitz an mich mitgebracht zu haben, das aber zu
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meinem Herzeleid sich nicht in den 3 Ballen befindt, die hier aus Pillau erwartet
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werden. Gott gebe Ihnen eine glückl. Reise und ein vergnügtes Widersehen Ihrer
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Familie, der ich mich mit den Meinigen bestens empfehle – auch gute
Ideen
zur
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Antwort der Beyl. Ich ersterbe Ihr alter treuergebener
Joh. Ge. Hamann.
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Auf der Adressseite:
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Sollte Herr Hartknoch bereits durchgegangen seyn, so bitte ergebenst diesen
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Brief nach Riga zu befördern.
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JGHamann.
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Adresse mit Siegellackrest:
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HErrn / HErrn Joh. Friedr.
Hartknoch
/ Buchhändler zu Riga /
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gegenwärtig / in /
Memel
.
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Vermerk von Hartknoch:
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HE Hamann in Königsberg
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Empf u beantw
d
19
Jun
1784
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 139 f.
ZH V 162 f., Nr. 746.
Zusätze fremder Hand
163/30 –31
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Johann Friedrich Hartknoch |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
163/23 –31
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Sollte […] 1784] |
Reihenfolge der Zusätze geändert nach der Abschrift Wardas. |