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Königsberg den 10 May 84.
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Geliebtester Freund,
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Ohngeachtet ich durch Einschluß an HE Hartknoch vorige Woche ein paar
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Zeilen an Sie befördert, erhalte ich heute den
ersten
Gruß von Ihrem
Neveu
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durch
HE.
Stadtrath Wirth, den ich wegen einer Angelegenheit besuchen muste
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und im Heimwege begegnet mir HE.
Assessor Hoppe,
der eben an Sie schreiben
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will u noch ein Plätzchen übrig hat. Ich glaube, daß Sie die genaueste und
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zuverläßigste Nachricht wegen der Umstände Ihrer alten würdigen Frau Mutter
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bereits werden erhalten haben; und weiß dem, was ich damals gemeldet nichts
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mehreres hinzuzufügen. Um Sie nicht durch das schwarze Siegel des
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Morungschen Briefes ohne Noth zu beunruhigen, habe darin rothes entgegen gesetzt. Sie
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werden sich aber auch wol eines schwarzen
sich
ehstens gewärtigen müßen;
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und dafür Gott danken können und müßen, als den einzigen Weg der Erlösung
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von allem Uebel des Fleisches. Allem menschl. Ansehen nach wird die letzte
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Auflösung durch einen sanften Schlaf geschehen. Sie sieht alle Tage im Kalender
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und berechnet vom
dato
Ihrer Abreise – Dies ist der einzige Zeitvertreib, der Ihr
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noch übrig ist; denn zu lesen und zu schreiben scheint Sie gar nicht mehr
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vermögend zu seyn. Von den Besuchen des Regim. Feldsch. und ihrer guten
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Wirkung hab ich schon neulich gemeldt. Nun ich hoffe, daß Sie uns nicht mehr so
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lange auf Nachrichten werden warten laßen und uns auch vom
Termin
Ihrer
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Abreise einen Wink bey Zeiten ertheilen werden, um uns darnach richten zu
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können.
S. 154
Ich habe vor kurzem das allgemeine Tolerantz und Religions System des
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von
Großing
gelesen, an deßen schwärmerischen Autorschaft ich einigen
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Antheil nehme und heute fallen mir ein paar Bogen in die Hände:
Geschichte
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der Abrahamiten, Israeliten und Deisten
in
Böhmen
.
Vielleicht
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erhalten Sie auch ein paar Bogen
nach
der Meße:
Golgatha
und
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Scheblimini
. (So nannte Luther sn
Spiritum familiarem.
) Christenthum u Luthertum
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dem Judentum u der Philosophie entgegengesetzt,
i. e.
des berlinschen
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Hebräers u Sophisten.
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Ein schreckl. Gott gebe ungegründetes Gerüchte läuft hier von einer
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Verwüstung zu Neapolis durch ein Erdbeben. Die Dengelsche Zeitung hat es schon
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angemeldet. Alle übrige Grüße habe bestellt; aber nicht an Dengel weil er schon
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zur Meße abgereist war und wie ich gehört Sie an ihn selbst geschrieben. HE
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Stadtrath Wirth freute sich auch gute Nachrichten von Ihnen zu hören – Die
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Zeugniße aus Berl. sind sehr widersprechend. Ich zweifele, daß der Vater den
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rechten Weg mit sm Sohn eingeschlagen, und vermiße Lauterkeit in seinem
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gantzen Betragen, das mich Gottlob! weiter nichts angeht. Daß der gute
Lieut.
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in Steinbeck gestorben, habe Ihnen auch wol gemeldet. Der Kopf war mir so
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wüste, wie gewöhnlich – und noch mehr bey der damaligen Eilfertigkeit, daß
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Sie mir
redites
zu gute halten müßen.
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Die herzl. Gegengrüße von unsern gemeinschaftl. Freunden und den
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Meinigen. Vielleicht bekomm ich bald meinen Sohn wider vom Lande zu Hause durch
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Versorgung seines Hofmeisters HE Scheller, wozu HE Stadtr. Wirth mir das
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Seinige beyzutragen versprochen, weil Cammerdir.
v
Domhart das
Patronat
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der Kirche hat.
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Gott gebe Ihnen Gesundheit und Zufriedenheit mit Ihrem gegenwärtigen
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Aufenthalt und ein wenig
Heimweh
zur Anwendung mit Ruhe, und theilen
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dann auch meinem Johann Michel von Ihren Erfahrungen u Beobachtungen
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mit, den ich gern mit Griechisch u Arabisch zu einer Wallfahrt nach Holl.
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auszurüsten wünschte, wo ihn
Capt.
von Hogendorp an
Camper
empfohlen. Zu
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Anfang dieses Jahres habe einen Brief vom Kap der guten Hoffnung erhalten,
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davon ein Stück in der Berl. Monatsschrift befindl. ist.
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Erfreuen Sie uns bald mit Nachrichten, bey denen ich immer ein wenig
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Motion
aber wenig
Trost
gewinne; denn das laute Reden
wird
mir so sauer
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wie Ihnen, und noch schwerer, die Erinnerungen zu erneuern und ins klare zu
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bringen. Ich umarme Sie unter Anwünschung alles Göttl. Seegens zu
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Erreichung Ihrer Absichten. Vergeßen Sie nicht Ihren
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alten Freund JGHamann.
S. 155
Adresse mit Mundlackrest:
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Des / HErrn Doctor Lindner / Wolgeboren / zu /
Wien
.
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von G. I. Lindner vermerkt:
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den 10.
May.
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4.
Bisherige Drucke
ZH V 153–155, Nr. 741.
Zusätze fremder Hand
155/4 |
Gottlob Immanuel Lindner |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
153/18 |
HE. ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: HE |
154/23 |
v ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: v. |