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Königsberg den 11 May 84.

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Wolgeborner Herr Kriegsrath,

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HöchstzuEhrender Freund,

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Mit Hezels Hiob bin erst gestern fertig worden, und sende die 3 Theile mit

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dem ergebensten Dank zurück, in Erwartung der folgenden.

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Anbey folgt Pleßings Abgötterey,
Origeg
, Astruc und Möhser zu

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beliebigem Gebrauch oder Nichtgebrauch – und ohne allen Termin, weil ich weiß,

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daß Sie höchstzuEhrender Freund, mehr Geschmack und Muße zu lesen im

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Winter als Sommer haben.

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Verzeyhen Sie, daß ich nicht eher geantwortet in Ansehung des Bücher-

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Ausschußes für die Bibliothek. Die Schuld hat wohl gar nicht an mir sondern

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mehr an meinem Freund gelegen, den ich fast gar nicht zu sehen bekommen, ohne

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daß ich ihm auch irgend etwas zur Last legen kann. Ich habe ihn gestern

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aufgesucht, und er versprach mir gantz gewiß für Abholung der Bücher zu sorgen.

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Die ganze Sache wäre schon abgemacht, wenn nicht das
Vacuum
der Caße, die

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D.
Buck führt, eine unvermuthete Gelegenheit in den Weg gelegt hätte. Unter

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deßen ist Ihnen das Geld gewiß, und für die Bezahlung wird auch Rath

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geschafft werden. Es komt blos noch auf einen Gang zum Oberbibliothekar an,

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und die kalte feuchte Witterung hat eben den Einfluß auf ihn wie auf mich. Sein

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letztes Holtz hat er auch zu früh mit mir getheilt. Zum ersten mal
Decanus,
den

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gantzen Vormittag mit Stunden besetzt, und selbst des Nachmittags nicht

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verschont mit Vorlesungen, die er ebenso gewißenhaft treibt, als er das
pium

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corpus
der Rathsbibliothek zu verwalten sucht, wo ihm auch die Hände auf

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mehr als eine Art gebunden sind. Dergleichen Umstände machen ebenso muthlos

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und unthätig und verdroßen, als die kalten feuchte Dünste unserer Atmosphäre.

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Hartknoch ist gerade durchgegangen, und bey einem Haar ohne mich zu sehen,

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wozu ich sehr zufällig kaum eine halbe Stunde Zeit gehabt. An eben dem Tag

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meldete mir Hintz seine in diesem Monath gewärtige Ankunft.

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Ich hatte eben ein paar Tage vorher an unsern
D.
Lindner nach Wien

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geschrieben, deßen Stillschweigen mich beunruhigte, als ich einen Brief vom 2

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Januar erhielt, den Hofrath Knapp, welcher in ganz ähnlicher Absicht (neml.

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die Hospitäler zu besehen) auf Kosten des Herzogs von Curl. eine Reise gethan.

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Unserm Freunde geht es nach Wunsch, und es gefällt ihm dort sehr, weil seine

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medicinische Wißbegierde befriedigt wird. Er hat mir seine Grüße zu bestellen

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aufgetragen und ich füge noch eine Stelle aus seinem Briefe hinzu:

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M
Glück und Seegen zum Neuen Jahr und Friede in Ihren Gränzen. Hier

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gährt der Krieg noch immer. Den Christtag ist der Kayser in Rom gewesen, blos

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den Tag, den Abend wider zurück. Es ist in der That ein sehr unruhiger Geist in

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ihm. Das Gesicht eine wahre Maske, ein stumpfes Auge, und kein Zug, der was

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sagt, und doch kocht es drinnen. Auf deutsche Reichsverfassung so lüstern, als

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auf Papst und Mönch und Türk. Nur lag ihm dies näher und war dringender.

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Der verwöhnte Bürger sieht seinen Nahrungsstand siechen, und haßt ihn. Der

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Ungar ist durch seine aufgehobene Steuer-Freyheit erbittert. Er setzt sich über

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alles weg, und häuft Schätze.

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Gestern Abend wurde mir zum Meß Katalog Hoffnung gemacht, er muß aber

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nicht angekommen seyn. Herr Dengel hat ausdrückl. befohlen die Verstörung

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von Neapel, als eine ausgemachte Sache in die Zeitung rücken zu laßen.

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Vom Morczini habe mit genauer Noth ein Exemplar erhalten, obgl. über

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1000
per
Post angekommen sind. Bey einer solchen Überschwemmung

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vermuthe daß auch schon ein Exemplar in Ihre Gegenden gerathen – Wo nicht, will

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meines mittheilen sobald ich es aus Graventhin zurück erhalte.

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Habe gestern den HE. Stadtrath Wirth besucht um den ersten Gruß des

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jungen Lindners abzuholen, und ihm die Empfehlung des guten Schellers zur

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ledigen Pfarre in Eichhorn bey dem Patron der dortigen Kirche, HEn

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Cammerdirector von Domhardt
zu
insinuiren. Können Sie auch dazu etwas beytragen:

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so können Sie leicht selbst alle Interessenten, welche Sie dadurch verbinden, an

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beyden Händen abzählen, und sich meiner am kleinen Finger auch
zu
erinnern.

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Lavater klagt auch, daß er meine Buchstaben nicht lesen kann. Mein Freund

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Häfeli wird außerordentl. Hofkaplan zu Wörlitz. Er ist Verfaßer der Predigten

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und Fragmente in 3 oder 4 Theilen, davon sich die letzten beßer lesen laßen als

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die ersten. Das wichtigste von Neuigkeiten, welches ich gelesen ist der 1 Theil von

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Büschings Beyträgen zur Geschichte berühmter Männer
, im Fall Sie

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selbige noch nicht kennen sollten.

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Das Geld wird doch vermuthl. an HE. Kriegsrath Hippel ausgezahlt,

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erwarte hierüber Erklärung.

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Nach ergebenster Empfehlung an Dero Frau Gemalin habe die Ehre mit alter

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unveränderlicher Ergebenheit zu seyn der Ihrige

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Joh Georg Hamann. im Fluge.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

ZH V 155 f., Nr. 742.