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Grünhof. den
10. April 756.
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Herzlich geliebteste Eltern,
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Die Gesundheit und Zufriedenheit ist der einzige Wunsch, mit dem ich meine
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Briefe anzufangen und zu schließen weiß. Ich genüße Gott Lob! beyder
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wieder und bin heute durch das Andenken eines Freundes erfreut worden, an
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den Sie herzlich geliebteste Eltern auch Antheil nehmen werden. Ich habe
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Johann Nikolaus Karstens
; Brief nicht überliefert
nämlich einen Brief von HE. Karstens erhalten, der mir seine Niederlaßung
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zu Lübeck und sein dortiges Glück meldt, das ihm noch bisher auch ohne Frau
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gefällt. Es ist eine große Beruhigung für mich, daß mich ehrliche Leute auf der
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Welt noch würdigen sich meiner zu besinnen, wenn es ihnen wohl geht; und
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wenn sie es mir
noch
auch
dazu
wünschen, so glaub ich es nicht nur zu
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verdienen, sondern auch alles
zu
schon zu besitzen, was mir noch zu fehlen scheint.
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Erkennen Sie, herzlich geliebtester Vater, hieran Ihren Sohn, der sich eben
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so leicht zu trösten als zu beklagen versteht. Es giebt Menschen, die sich selbst
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das Ziel mit so viel Beqvemlichkeit setzen und von andern setzen laßen, daß es
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eine Schande ist; es giebt hingegen welche, die weder so feig gegen sich selbst
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sind, noch diesen Schimpf anderer Willkühr überlaßen. Ich bin hier in einem
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Hause, wo man mir die Laufbahn meiner Pflichten so leicht und kurz machen
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möchte, als man sich selbst selbige eingeschränkt hat, und Blumen dazu
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betreten könnte. Vergeben Sie es mir, daß ich diese Seite meine
r
s Zustandes,
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die vielleicht für die Augen die frölichste ist, niemals bisher geschildert. Es ist
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deswegen geschehen, weil ich sie am wenigsten liebe; nur weil sie mir weniger
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am Herzen liegt als jene rauhe, die ich bearbeiten soll. Es ist vielleicht eine
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Thorheit treuer zu seyn in fremden Angelegenheiten, als man uns verlangt.
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Ich will aber diese Verantwortung lieber auf mich nehmen als die Schuld
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derer, die an ihrem eignen Antheil gleichgiltig sind; die den Schutt häufen,
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den sie selbst sorgen sollten aus dem Wege zu schaffen, die aus der Pflicht
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aufzumuntern sich eine verkehrte daraus machen diejenige einzuschläfern und
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träge zu machen, an deren Munterkeit ihnen gelegen seyn sollte. Wenn ich
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meinen lieben Eltern alsdann glücklicher vorkommen könnte, im fall ich Sie
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und mich durch ein wenig Eitelkeit und Tändeleyen hintergehen ließe; so
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könnte ich so viel zu meinem Vortheil sagen und vielleicht mehr, als mir mein
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Verdruß jemals eingegeben, ohne die Wahrheit zu beleidigen, deren Liebe ich
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Ihnen, Bester Vater, zu danken habe und die mir mit der Milch meiner
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Mutter eingeflößt worden. Seyn Sie also meinetwegen
unberuhigt
; meine
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Gesundheit wird der Frühling mit Gottes Hülfe völlig wiederherstellen. Das
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Aderlaßen ist von meinem Arzt nicht für rathsam befunden. Sein
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Augenschein hat mich nur bewegen können es zu unterlaßen. Ich lese jetzt
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Schaarschmidts Diätetic und wünschte mir über einige Dinge Ihre Erfahrungen,
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Fest
Ostern, 18.4.1756
lieber Papa, zu Rathe ziehen zu können. Das bevorstehende Fest sey Ihnen
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ein Sabbath von Ruhe und Seegen. Wie glücklich sind wir alle, wenn wir mit
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ihm leiden können um mit ihm zu leben! Ich küße meinen liebsten Eltern
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beyde die Hände und ersterbe mit der zärtlichsten Ehrerbietung Ihr
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gehorsamster Sohn
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Johann George Hamann.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (39).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 275–277.
ZH I 172 f., Nr. 70.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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unberuhigt ]
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Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955): lies unbe sorgt oder un beruhigt |