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Kgsberg den 20 am ersten Ostertage 83.

29
HöchstzuEhrender Herr Hofrath,

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Geliebtester Freund,

31
An meinem guten Willen hat es nicht gelegen daß ich seit den 10 März, da ich

32
Ihr letztes erhielt noch nicht beantwortet. Meine Hypochondrie lähmt eben so

33
sehr meine Zunge als Feder, und ich habe mir Zeit gelaßen, weil ich meinem

S. 39
eigenen Urtheile zu wenig traue. Ihr Sohn befindt sich Gottlob! gesund und ist

2
gestern aufs Land gereist, um die Feyertage daselbst zuzubringen. Wenn er noch

3
so zufrieden ist mit mir, wie ich mit ihm, so hab ich noch Hofnung etwas

4
auszurichten was meinen Absichten, Ihren Wünschen und seinem wahren Besten

5
gemäß ist. Der geringste Verdacht aber von seiner Unzufriedenheit würde der

6
meinigen das Uebergewicht geben.

7
Das Latein ist mein Hauptaugenmerk gewesen; und ohngeachtet ich mit

8
Declini
ren u
Conjugi
ren u den ersten Elementen habe den Anfang
machen

9
müßen, so gieng dieses doch so ziemlich fort, daß ich feste Hofnung hatte zu

10
Ostern mit ihm fertig zu werden, unter den Bedingungen seiner eigenen

11
Betriebsamkeit und Fleißes; denn wenn er nicht
wollte
, wäre alle meine Arbeit

12
umsonst. Er versicherte mir diese
Lust
zu haben, und ich muß ihm noch

13
einräumen, daß es von Seiten des Geistes nicht fehlt: aber das Fleisch ist schwach,

14
und ein erblicher und von Jugend auf genährter Hang zur Eitelkeit,

15
Weichlichkeit ist schwer zu überwinden, und wechselt bey ihm wie der Mond. Ich hab

16
mir alle Mühe gegeben ihm die Nothwendigkeit der Diät zum Studieren wichtig

17
zu machen; aber Bälle, Concerte, Theater, Putz, Geckereyen und der ganze

18
Cursus
galanter Thorheiten ist sein Element. Ist es einem jungen Menschen

19
zuzumuthen, die Gegenstände seines Tichtens und Trachtens so bald zu

20
verleugnen, und sie mit gantz entgegengesetzten zu vertauschen? Ich muß daher

21
schon sehr zufrieden seyn, daß er sich auf 8 oder 9 mal hier eingeschränkt, da er

22
fast täglich dort in die Comödie gegangen, und von seinem
Oncle
hierin frey

23
gehalten wird. Er ist während seines Hierseyns einmal auf einen adl. Ball bey

24
einer Fr. von Buddenbrok und einpaarmal mit seinem
Oncle
auf eine

25
öffentliche
Redoute,
mehrentheils des Sonnabends, die halbe Nacht zugebracht, aber

26
immer des Morgens frühe zu Hause gekommen, auch wol die Kirche drauf

27
abwarten können. Ungeachtet meiner vorläufigen Abrede früh aufzustehen und

28
mir darinn ein gut Exempel zu geben, weil ich selbst dem Schlaf ein wenig mehr

29
nachhänge, wird er des Abends gegen 10 Uhr müde und hat Mühe des Morgens

30
sich zu ermuntern. Ich habe den
Termin
mit dem Latein bis Ostern nothdürftig

31
fertig zu werden mir deshalb so angelegen seyn laßen, weil ich gegenwärtig

32
schon mit 7 des Morgens auf der Loge und des Abends bis über 5–6 ausseyn

33
kann. Zum Unglück fehlt ein alter Buchhalter wegen Krankheit, und ich bin also

34
ein wenig mehr gebunden wie sonst, meinen Posten zu hüten, besonders bey

35
zunehmender Schiffahrt.

36
Ungeachtet aller dieser Hinderniße muß ich doch zufrieden seyn, daß wir

37
beynahe den ersten Theil der
Histor. select.
zu Ende gebracht neml. 55 Kapitel

S. 40
des 3ten Buchs welches das längste u 80 in sich hält. Von Horatzens Briefen

2
haben wir gleichfalls die ersten 14 durchgegangen und Wielands Uebersetzung.

3
In dieser Uebung nehm ich meinen Sohn zu Hülfe, und weil letzterer noch zu keiner

4
Composition
angehalten worden, ich auch selbst weder im Reden noch Schreiben

5
niemals viel Fertigkeit gehabt: so müsten beide, aus Mangel eines beßeren

6
Werkzeuges, sich mit Muzels Trichter um die Wette qvälen, und ich zu meiner Schande

7
sehen, daß mein Sohn ungeachtet seiner ziemlichen Ueberlegenheit im
Exponi
ren

8
diese bisher von uns gantz
vernachläßigten
Uebung höchst nöthig gehabt.

9
Sie sehen hieraus daß ich das Latein bisher zur Hauptsache gemacht, theils

10
weil eine Gründlichkeit und mittelmäßige Kenntnis dieser Sprache zum

11
academischen Bürgerrecht
unumgänglich ist, theils die rechte Methode nicht

12
nur in alle übrigen Sprachen einen gar zu großen Einfluß hat und nach meinem

13
Urtheil weit mehr dient Aufmerksamkeit, Urtheil und Scharfsinn zu schärfen,

14
als irgend der Mathematik zugeschrieben werden kann, und der gantze

15
Mechanismus von Analyse u Constructionsordnung in nichts als einer
practischen

16
Logik
besteht. Uebereinstimmung und Abhängigkeit sind eben das in Sitten

17
und Pflichten, was die Syntax in Ansehung der Wörter.

18
Im Französischen, wo es eben so sehr an den Anfangsgründen zu fehlen

19
scheint, haben wir uns bisher begnügt den
Wailly
zu lesen; unterdeßen ist es

20
ein Fehler des Uebersetzers, nicht mehr auf den
Parallelismum
der deutschen

21
Sprache gesehen zu haben,
unterdeßen
weil
Wailly
zuförderst das lateinsche

22
zu seinem Augenmerk gehabt. Dieses hier noch unbekannte u ungenützte Buch

23
ist schon in Berlin statt des
Pepliers
eingeführt.

24
Seit dem 5 März haben wir das Engl. angefangen, und lesen
Popens
Briefe.

25
Dies ist aber für mich eine bloße Nebensache. Weil ich meines seel. Lehrmeisters

26
Bachmeirs Grammatik verloren, habe mir selbst eine neuere angeschaft. Ein

27
Wörterbuch ist ihm aber unentbehrlich, um so mehr, da ich nur blos das kleine

28
Johnson
sche besitze, welches ganz engl ist. Der Aussprache wegen wünschte ich,

29
daß er beßere Anführung als die meinige hatte. Dies kann aber fügl. bis

30
Göttingen aufgeschoben werden.

31
Mit dem griechischen war auch willens einen Anfang zu machen; wir haben

32
uns ziemlich im Lesen geübt. Im Grunde kann man kein lateinisch recht

33
verstehen ohne einen
zieml.
nothdürftigen Vorschmack dieser Grundsprache, die

34
im Grunde nicht schwer ist. Alle Wißenschaften haben ihre Kunstwörter daraus

35
entlehnt, und der Verstand erleichtert ungemein das Gedächtnis. Wie viel

36
griechische Constructionen, besonders in Poeten; was für einen weiten Einfluß

37
in die Qvantität der Sylben u. einer richtigen Aussprache.

S. 41
Mit Historie u Geographie kann ich mich gar nicht befaßen, und dies hängt

2
auch blos von Lust und Liebe ab. Mein Sohn liest die Zeitungen der alten Welt,

3
die ich Ihrem Herrn Sohn auch empfohlen, und treibt für sich aus Neigung die

4
Geographie. Der arme Junge ist aber so besetzt und hat mit dem Pollnischen u

5
seiner Kinderlehre gnug zu thun.

6
Da
Hier sehen Sie ein Gemälde unsers Tages
: Weil mein Sohn die

7
meiste Zeit eher zur Hand, so lesen wir ein Kapitel aus dem N. T. Ist Ihrer

8
fertig mit dem Frühstück u ich mit dem meinigen, so nehmen wir gl. unsere

9
Historias selectas
vor. Da ich um 7 Uhr nun ungefehr, mehrentheils eine Stunde

10
später ausgehen muß: so überlaß ich ihm Widerholung oder Zubereitung.

11
Währender Zeit sprech ich zu Hause wider an, wo sich Ihr Sohn frisirt,

12
unterdeßen ich einige Verse im
I
Buch Sam. mit
ihrem
meinem durchlaufe, und

13
ein
pensum
aus der
Aeneide,
welche wir diese Woche schließen werden, und

14
alsdenn auch diese Uebung meines Sohns mit dem Ihrigen werde vereinigen

15
können. Sprech wider einmal an u
corrigi
re, wo ich was gemacht finde, aus

16
dem lieben
Trichter
, der immer ein guter Leisten ist. Vor dem Eßen nehmen

17
wir noch einen Brief des Horatz vor. Nach dem Eßen wird ein wenig aus dem

18
Wailly
gelesen, hierauf geht Ihr Herr Sohn aus u komt in einer oder anderthalb

19
Stunden selten später nach Hause, meistens bey HE Stadtrath, Fr. Pf. Siebert,

20
HE von Schrader, auch bey seinem alten Hofmeister dem jetzigen Schul-

21
Colleg
en oder auch im Nothfall zu Ihrem HE Bruder – So bald ich zu Hause

22
komme, gehen wir ans Engl. unterdeßen sich mein Sohn mit einem jungen

23
Raphael Hippel
von einem sehr feinen Gesicht, und offenen Kopf im lateinschen

24
u griech. unterhält und mein
e
älteste Tochter das Clavier lernt
gratis
bey

25
meinem jungen Freund Hill, mit dem ich in Gesellschaft meines Sohnes dafür

26
gegenwärtig den
Pindar
u
Anacreon
durchlaufe nachdem wir die Odyßee zu

27
Ende gebracht, u zuweilen das Engl. fortsetze im
Spencer.
Wir eßen ein

28
Butterbrodt. Dienstag hat mein Sohn die Kinderlehre des Morgens abzuwarten u

29
Mitwoch nachmittags das pollnische. Der ihrige ermangelt beynahe keinen Tag

30
sich auf dem Clavier zu üben, und hier braucht es keiner Erinnerung. Ich gehe

31
mit Fleis in diesen
Detail,
liebster Freund, der Ihnen nicht zu eckelhaft seyn

32
wird um Ihnen die Unmöglichkeit zu zeigen, mehr Zeit als ich habe und mir

33
Ihr Sohn einräumt, anwenden zu können. Ich wünschte wenn er um 9 Uhr

34
schlafen gienge und dafür desto früher aufwäre; weil ich mehrentheils eine

35
ganze Stunde ihm zuvorkomme u er Mühe hat sich zu ermuntern; unterdeßen

36
hoffe ich auch mehr Ordnung nach dem Fest einzuführen in diesem Stück, und

37
da mein Sohn mit Gottes Hülfe vermuthlich nach Pfingsten eingesegnet

S. 42
werden dörfte: so werd ich auch beide mehr zu einer festen Stunde in Historie u

2
Geographie, als bisher möglich gewesen, anhalten können.

3
Was die Familienverhältniße betrift: so kenn ich den HE Lieutenant bereits

4
persönlich u bin den 2 März da mein Sohn gebeten wurde, von selbst zum

5
Besuch mitgefahren. Es war ein erwünschter Tag u meines Wißens die erste

6
Schlittenfahrt aufs Land seit 67. Es scheint eine recht brüderliche Neigung unter

7
beyden zu seyn u dieser
Oncle
hat beynahe ihren Sohn erziehen helfen. Dieser

8
Respectus parentelae
verdient alle Rücksicht
,
u gute Seiten, wenn sie zu sehr

9
auch ins
Moll
fallen müßen doch mit
Discretion
ge
behandelt werden.

10
Den HE Stadtrath kenn ich noch gar nicht meines Wißens von Person. Er

11
ließ mich vorigen Palmsonntag einladen, weil ich aber selbst meiner ältesten

12
Tochter Geburtstag feyre, auch bey reichen Tafeln u großen Gesellschaften eben

13
nicht vergnügt seyn kann; so werde eine persönliche Bekantschaft mit ihm so

14
lange wie mögl. aufschieben. Vorigen Dienstag tratt mich Ihr Herr Sohn an

15
mit der Nachricht, daß er mit ihm fahren sollte aufs Land. Weil die Reise aber

16
8 Tage währte u er lieber ein paar bey dem andern
Oncle
zubringen möchte,

17
wünschte er daß ichs abschlüge. Ich gab ihm Recht, daß 8 Tage Abwesenheit mir

18
auch zu viel schienen. Er hielt sich aber den Morgen drauf so schlecht, daß ich ihn

19
dafür abstrafen wollte und den andern Tag dem
Oncle
sagen ließ, daß ich

20
gegen
seine Reise nichts einzuwenden
hätte, weil sein Fleiß nur ein

21
Feigenblatt gewesen war um eine Reise mehr nach seinem Geschmack dadurch zu

22
bemänteln. Er gieng Nachmittags wie gewöhnlich zu seinem
Oncle
u kam etwas

23
bestürzt nach Hause, daß er ihm eine abschlägige Antwort gegeben. Am

24
Charfreytage war er mit dem HE.
Lieutenant
zum Graunschen Tod Jesu gewesen, u

25
meldete mir wider mit vieler Unruhe an, daß er doch nach Friedrichsthal fahren

26
müste, weil man dort sehr ungehalten drauf wäre. Er fuhr also am heil. Abend

27
vormittags fort mit dem Wink möglichst nach Hause zu eilen. Die
Equipage,

28
wenigstens der Kutscher war aber aus Steinbeck. Diese Umstände gehen mich

29
übrigens weiter nichts an und ich überlaß es der Zeit den Zusammenhang

30
deutlicher entwickelt zu sehen. Bin ich so glücklich ihm mehr Geschmack an

31
Wißenschaften
u
Arbeit
einzuflößen: so würde eine andere Umstimmung der Seele

32
u beßere
Oeconomie
ihrer Kräfte u der edlen Zeit von selbst folgen. Ohne

33
Geschmack
und
freye Wahl
, ist alle Arbeit ein kahler Frohndienst.

34
Was den Ton an seine Schwester betrift, so habe sehr zufällig von ihm selbst

35
den einen Brief zu lesen bekommen, und dies gab mir Anlaß mir auch die

36
Antwort auszubitten. Liebster Freund, nicht Ausbrüche sondern die Qvelle des

37
Uebels ist die Sache wie in der Arzeney nicht Symptome das Augenmerk des

S. 43
Artztes sind. Aber ich hätte auch gewünscht daß eine
Schwester
und dazu eine

2
jüngere Schwester
ihrem ältesten Bruder gar nicht in solchem

3
männlichklugen Ton die Epistel gelesen, sondern mit ein wenig mehr Laune, Liebe und

4
Heiterkeit sich mehr an
der lächerlichen Seite
im Character ihres Geschlechts

5
u Alters gehalten hätte. Eine
strenge Moral
komt mir schnöder u schaaler vor,

6
als der muthwilligste Spott u Hohn. Das
Gute tief herein
, das Böse

7
herauszutreiben – Schlechter scheinen als man wirklich ist, beßer wirklich seyn als man

8
scheint. Dies halt ich für Pflicht u Kunst.


9
den 21

10
Ich bin heute mit Kolikschmerzen u einem empfindl. Durchfall erwacht und

11
habe mir die Freyheit genommen Ihrem HE Sohn ein
RhabarberPulver
zu

12
stehlen, daß ihm nicht mehr wie Eins übrig bleibt, weil er bereits andern davon

13
ausgetheilt. Es hat mir gute Dienste gethan, liebster Freund u ich bitte diesen

14
Diebstahl bey Gelegenheit zu ersetzen. Mein ganzes Haus ist Mittags

15
ausgebeten – und ich faste, welches bey mir ein sehr seltener
Appetit
ist. Von allem

16
dem, was ich Ihnen geschrieben, bitte keinen Gebrauch zu machen zu

17
Vorwürfen
und
ernsthaften Verweisen
, dafür aber desto mehr Ihren lieben

18
Sohn anzuhalten, daß er Ihnen selbst wenigstens alle Monathe einmal

19
Rechenschaft giebt so wol von der Anwendung seiner Zeit als Muße, die Sie ihm

20
täglich verordnet und die ich lieber hinführo zu Spatziergängen als zerstreuenden

21
Besuchen einlenken möchte. Der Sommer wird uns mehr Luft machen ein

22
wenig abgesonderter arbeiten zu können u der Garten auch zu häusl.

23
Bewegungen.

24
Ich bitte mir aber auf 2 Anfragen eine baldige Antwort aus; ob es Ihnen

25
gantz entgegen ist, daß er wenigstens
öffentl. Stunden
besucht. In welchem

26
Fall ich wol wünschte daß er Nachmittags von 4–5 bey meinem alten Freund

27
dem
Prof.
Kreutzfeld gienge, der immer einen römischen Schriftsteller zu

28
Grunde legt u denselben erklärt u deßen Vorlesungen er auch sonst schon besucht

29
haben soll weil sein alter Hofmeister in Verbindung mit diesem akademischen

30
Lehrer gestanden. Wie er damals imstande gewesen Nutzen davon zu ziehen,

31
versteh ich u begreif ich nicht. Gegenwärtig möchte er mehr davon ziehen können,

32
und oben ein könnte man ihn ein wenig auf jede Stunde vorbereiten. Durch

33
Kreutzfeld könnte ich auch zuverläßige Nachrichten von seinem Fortgang

34
einziehen. Und eben dies gienge mit dem Prof Kraus an der Statistick oder Historie

35
öffentlich liest. Mangelsdorf liest auch die Historie öffentl. wiewol sein

36
Auditorium
ein wenig hällisch u sehr
zahlreich
Es komt also auf Ihre Einwilligung

37
an in Absicht dieser Frey- oder öffentl. Stunden.

S. 44
Nun kommt meine zweyte Anfrage, wieviel Sie jeden Monath zu Bestreitung

2
außerordentl. Stunden anwenden wollen. Er versichert mich die Mathematik

3
bereits gehört ohne ein Wort verstanden zu haben. Daher ich einen fähigen

4
Studenten auf Prof. Kraus Empfehlung dazu aussuchen wollte, den ich unter

5
1
Ducat
en kaum finden möchte. Ebensoviel dörfte auch eine
Zeichenstunde

6
kosten und vor allen Dingen wünschte ich daß er
pollnisch
bey Zeiten

7
anfangen möchte. Mein Sohn hat über ein Jahr gelernt mit Zufriedenheit seines

8
Freundes u Lehrers u liest jetzt das dritte Gedicht des Bischofs von Ermland,

9
ohne im stande zu seyn sich schon selbst zu helfen oder mit Verstehen u Reden

10
fortzukommen. Ich zweifele ob diese Sprache so gut in Göttingen gelernt

11
werden kann. Hierüber erwarte mit nächsten Ihre Entscheidung. Wegen der

12
außerordentl. Stunden komt es auf einen Monath früher oder später nicht an; aber

13
in Ansehung der akademischen öffentl. Stunden wünschte ich daß er den Anfang

14
nicht versäumte, und würde auch ohne Ihre Antwort anräthig seyn daß er

15
pro hospite
selbige antreten u im Fall Ihrer Weigerung selbige wider ausfallen

16
ließe.

17
Zu Schulfüchsereyen der
Toilette
u
Garderobe
fehlt es weder an Geld noch

18
ressources;
aber für ein Buch ist kein Heller zu Hause, hat auch gar nicht die

19
Sorgfalt eines Haushalters für dieses Geräth. Gleichwol war ihm ein
engl
. u

20
lateinisches
Wörterbuch u einige Handbücher unentbehrlich z.E. die

21
Schellersche Grammatik, welche ich gern nach den Feyertagen mit ihm durchgehen

22
möchte und ein Buch ist das er mit dem Wachstum in der Sprache mehr u mehr

23
lieb gewinnen wird. Auslagen bin nicht imstande zu machen, und was an Ihrem

24
ausgesetzten
überschritten
erspart werden wird, soll Ihnen haarklein berechnet

25
werden; so wenig wie ich ohne Ihre Einwilligung überschreiten werde.

26
Das
Andenken der vorigen Erziehung
hätte in den 2 Jahren wo er sich

27
unter Ihren Augen aufgehalten ziemlich gemildert werden können. Gott gebe

28
daß Sie so viel wenden mögen an Ihres
Erstgebornen
Nachfolger, als seine

29
seel. Grosmutter – und daß nicht
dort
mehr versäumt wird, als
hier
geschehen.

30
Halten Sie mir dies Wort der Erinnerung zu Gut. Das übrige bleibt
in petto

31
und
en reserve
von Ihrem alten Freund u aufrichtig ergebnen Diener

32
Johann Georg Hamann.


33
den 26 des Morgens

34
Ihr lieber Sohn ist vorgestern erst vom Lande zurückgekommen, wo er

35
vergnügter wie er sich vorgestellt gewesen, aber
S
ein wenig Schnupfen und

36
Flußfieber zu Hause gebracht. Wir haben gestern von 56 bis zum 61 Kap. in

S. 45
unsern Geschichten zu Ende gebracht und si
ch
nd eben in der Materie der

2
Freundschaft, von der er einen großen Lästerer dort kennen gelernt. Ich bin

3
währender Zeit so beschäftigt, daß ich meinen eignen Sohn nicht habe

4
vorgestern einmal habe vornehmen können der ohnehin den gantzen Tag in meinen

5
Geschäften zu laufen gehabt. Ich schreibe dies
P.S.
auf Ihres lieben Sohns Pult,

6
dem ich wegen seiner gestrigen Unpäßlichkeit heute gern einen längern Schlaf zu

7
gute halte.

8
Verzeihen Sie meine Unordnung im Schreiben – Ich erwarte Ihre

9
Erklärung auf meine Anfragen. Morgen den 27 ist Ihr lieber Sohn just ¼ Jahr bey

10
mir gewesen. Bis zur Abreise Ihren HEn Bruders ist der
Termin
zu seiner

11
Probezeit bestimmt, und ich hoffe daß Gott alles Gedeyen geben und unsere

12
gemeinschaftl. Absichten erfüllen wird. Ihre Erinnerungen über den Ton seiner

13
Briefe bitte mir immer im Nothfall mitzutheilen, werde mir aber keinen

14
unmittelbaren Einfluß darüber anmaßen. Dergl. Symtome des Leichtsinns hören

15
von selbst auf, wenn die Qvelle gebeßert wird, und müßen eher
befördert
und

16
evacui
rt
, als zurück getrieben werden.

17
Es ist mir um einen Grund und die Fähigkeit zu thun, daß er in den Stand

18
gesetzt wird ihn hernach Selbst weiter anzubauen. Denn ohne selbst zu
denken

19
u zu
arbeiten
, mit
Lust
und
Ueberlegung
, ist alles nur Zwang und

20
Täuschung.

21
Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemalin, und ganzen Hause, vorzüglich

22
der liebenswürdigen moralischen Briefstellerin. Ich umarme Sie und ersterbe

23
Ihr alter treuer
Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 3.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 331–340.

ZH V 38–45, Nr. 696.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
40/8
vernachläßigten
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
vernachläßigte
40/33
zieml.
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
zieml.
41/26
Anacreon
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Anacreon
41/26
Pindar
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Pindar
42/9
ge
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
ge
43/11
RhabarberPulver
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Rhabarber-Pulver
43/36
zahlreich
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
zahlreich.