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Kgsb den 7 Jänner 83.
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Herzlich geliebtester Gevatter und Freund
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Den 23 Novb.
pc.
erhielt Ihren Brief den ich blos deshalb
allegi
re um Euch zu
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erinnern was Ihr daselbst von stummen und treuen Hunden Selbst sagt, und
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wovon die Deutung auf uns beyde paßt. Ich habe mich damals herzlich über
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alle das Gute von der lieben Frau Rebecca und Eurer Muse Schwangerschaft,
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von der Anlage der 6 Lusthäuschen und dem Gedeyen der Colonisten in dem
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Obstgarten und von der Fruchtbarkeit Eurer Weinreben über der Thür pp
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gefreut; und eben so innigen Antheil an dem Kummer unsers Eutinschen
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Freundes genommen, von deßen Odyßee ich gestern Abend das dreyzehnte Buch mit
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meinem Sohn und seinem Freunde
Hill
angefangen habe zu unserer grösten
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Winterlustbarkeit. An meiner späten Antwort ist wol hauptsächlich das leidige
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und liebe Subscriptionswesen schuld, welches ich nicht eigenhändig betreiben
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kann, sondern dienstbaren Geistern die mehr Einfluß in das Publicum haben,
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überlaßen muß. Mit der lieben Christenheit bin ich Gottlob fertig. Der dritte
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Zedel läuft aber noch bey unserer Judenschaft, und wird heute oder morgen
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erwartet. An Hartknoch habe auch deshalb nach Riga geschrieben, und aus Curl.
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erwarte ehstens einen guten Freund, den ich vielleicht dort zum Anwerber
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machen kann. Am guten Willen hat es mir nicht gefehlt, und der
Terminus fatalis
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geht doch erst mit dem Ende des Jänners. Mit der Gesundheit geht es Gottlob!
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leidl. in meinem gantzen Hause, und alles grüst und küßt Euch u die Eurigen
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in Gedanken. Hänschen u die älteste hat das französische angefangen, habe einen
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Umtreiber Namens
Toupet
der Aussprache wegen gehalten einen einzigen
S. 6
Monath, ihn aber abgedankt zu rechter Zeit; der erste Theil von Campens
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Robinson
ist unser Lesebuch. Sorgt also für die Fortsetzung, Herr Gevatter. Ihr
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habt aber noch Zeit, weil wir erst mit einem Blatt fertig sind, und das Mädchen
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langsam ist. Einen beßern Anfang hat sie diesen Sommer auf dem Clavier
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gemacht, – Ich habe meinen ersten Brief dieses Jahr ins Cabinet geschrieben. Daß
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ich gelesen oder erhört werden möchte, daran zweifele ich. Sollte ich wider all
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Vermuthen Antwort erhalten, so werd ich Euch auch mit der Nachricht eine
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Freude machen – weil es darauf ankommt, daß ich von meinem Posten leben
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kann, und zu Autor
ressourc
en weder Glück noch Geschick habe. Außer diesem
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Grundeis fehlt es mir nicht an hundert andern Zerstreuungen z. E. ein ganzer
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Ballast von Büchern liegt um mich herum aus der hiesigen Lilienthalschen
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Auction die nach Riga gehen sollen und von denen manche hier schwerl. wider
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vorkommen möchten. Mit der zieml. Sammlung von Freygeistern besonders
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engl. bin schon fertig. Außer den homerischen Abendstunden muß ich doch
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wenigstens meinen Sohn
taliter qualiter
abwarten, mit einem Capitel aus dem
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N. T. einem Maulvoll hebräisch, gegenwartig aus dem Josua und einem
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Maulvoll lateinisch aus der
Aeneide
u ¼ französisch mit seiner Schwester.
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Ohngeachtet meiner Einsiedlerey fehlt es doch nicht dann und wann an
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Zusprüchen. Ich gehe zu niemanden als
zu
in ausdrückl. Geschäften und auf
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Verlangen. Weder meine Augen noch mein Kopf halten über 10 des Abends aus
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und ein früher Aufsteher bin nur in den paar meiner besten Lebensjahre
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gewesen. Also geht es mir wie dem HE Gevatter auf HE Hermanns Apotheke, daß
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ich vor der Menge von Büchsen und von großen Eyfer zur Arbeit gantz und
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garnichts anzufangen weiß, und aus Verlegenheit das Beste zu wählen,
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überall nichts thue, und
sans comparaison
stätig werde, wie des Vater
Silens
oder
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Compere Asmus
sein Pegasus.
Praefiscine dixerim.
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Was macht denn, lieber Gevatter, Eure alte Mutter. Von Ihrer schweren
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Krankheit, aber nichts von ihrer Genesung weiter gehört. Der Himmel gebe, daß
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mehr Zusammenhang in Eurem Leben als Briefwechsel sey. HE v Auerswald,
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der sich des Subscriptionswesens nebst meinem jüngsten Gevatter Jacobi und
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Commere Courtan
eyfrigst angenommen, erwartet ein gantz warmes oder
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feuchtes Exemplar über der Post,
auf seine Kosten
, das Ihr an mich nur
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schicken könnt und das Meinige zugl. mit Beylagen. Er kann seine Neugierde zu
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büßen, das
Porto
für beyde bezahlen. Wenigstens last Euren Löwen oder Bären
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von Verleger den Namen des hiesigen Buchladens nennen, dem er mein
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Exemplar von
Irrthümer u Wahrheiten
committirt,
damit ich den Schuldner
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belangen kann. An einem solchen
Dedications
Exemplar von Irrthümern u
S. 7
Wahrheiten ist mir mehr gelegen als an allen Hünern Schiebkarren und
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Kleinigkeiten in gantz Wandsbeck, und hab keinen Kettenhund nöthig um solche
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unverschämte Diebe an- und wegzubellen. Seyd also so gut und bittet
den
Euren
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Löwen zum dritten mal den hiesigen Buchhändler bey Namen zu nennen und
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künftig wenigstens meinen auf das mir bestimmte Exemplar mit
sesquipedal
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Buchstaben aufzuschreiben, zu deren Muster eines Eurer
Couvert
an den Kgl.
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Packhofverwalter
Hamann
als Beyl. dienen kann. An einem solchen
sigl.
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Exemplar wird sich kein Bube wenn er nicht hünerblind ist, vergreifen.
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Wegen der
Expedition
der sämtl. Werke wünschte wol, wenn Sie nichts
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dagegen einzuwenden haben, daß Sie mir die Erlaubnis geben möchten meine
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Liste dem hiesigen Wagner u. Dengelschen Buchladen die Nachfolger meines
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alten Gevatters u Verlegers Kanter sind zu überlaßen, das eine Exemplar
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an HE. von Auerswald ausgenommen das ich mit der Post u ohne
franco
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erwarte. Hierüber gebt mir liebster
Claudius
mit erster Post Eure Erklärung, und
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geht allenfalls deswegen mit Löwen zu Rath. Mit Hartung mag ich gar nichts
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zu thun haben u mit den andern so wenig als mögl.
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Euer Wein hat bis zum 1
Sept
ausgehalten, wo ich die letzte Oelung davon
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genoßen. Den 9
Xbr.
erhielte 6 kleine
Bouteillen
von dem Hauptmann von
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Hogendorp
oder vielmehr
seiner
Mutter der Gräfin, 2 davon habe verehrt und die
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dritte ist noch nicht verzehrt. Es soll
Cap
Wein
seyn
, ich nenne ihn
da Capo
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wegen seiner geistigen Lieblichkeit, auf den Fläschchen steht
Costanza Wein
.
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Der mittelste HE v.
Hogendorp
ist Euer Gast gewesen.
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Euer Puppenwerk hat mein Haus ärger als der spanische Pips heimgesucht.
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Meine Kinder wurden von der Seuche auf einmal so angesteckt und die Fabrike
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nahm so überhand, daß man sich vor Puppen nicht zu rühren wuste. Endlich
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hat das Uebel nachgelaßen. Die Haverey ist bezahlt, aber ohngeachtet alles
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widerholten Mahnens kann ich die Rechnung für die Fracht u Zoll p. noch
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nicht erhalten, woran es liegt weiß ich nicht; die Rechnung mit den 24
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Obstbäumen ist längst abgemacht.
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Im Herbst hab ich noch eine Tannen Allee gepflanzt
diesen Herbst
und mit
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einer
Eiche
meinen Hayn vermehrt. Vom Fortgange werde nicht ermangeln zu
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seiner Zeit gehörigen Bericht abzustatten. Einer der schönsten Aepfelbäume hat
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auch noch im späten Jahr Blüthen getragen.
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Den 13 –
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Ein unvermutheter Durchgang eines meiner ältesten und besten Freunde,
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George Berens
, aus Riga, der heute vermuthlich abgehen wird, hat mich
S. 8
zerstreut. Er hat Klopstock in Hamburg besucht, und ist nicht in Wandsbeck noch
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Weimar gewesen, wozu er sich doch ausdrücklich lederne Reithosen
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mitgenommen. Hier ist die Liste:
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HE
Accise-
und Zoll
Director
Stockmar, 2
Exempl.
des 3
ten
Theils Königsb.
5
HE Kriegsrath Hennings 1
Exempl.
des 3
ten
Theils
6
HE Kriegsrath und dirigirender Bürgermeister Hippel 1
Exempl.
des 3 Theils Königsberg
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HE Feldprediger
Zitterland
zu
Mewe
–––
8
HE
Lieutenant
von Loßow
–––
9
HE Kaufmann Kolk
–––
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––– Dornheim
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––– von
Reaus
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––– Kloht
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– Prediger Lauwitz
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– Oberhofprediger und
General Superintendent D.
Schultz
15
–
Assessor Niclaus
2
Exempl.
des 3
ten
Theils
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– Friedrich Conrad
Jacobi,
Kaufmann
17
–
Wulff Friedländer
18
–
Meyer Friedländer
19
–
Bernhard Friedländer
20
–
Simon Friedländer,
auf alle Theile
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–
Doctor Med. Joel
auf den 3
ten
Theil.
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Frau Reichsgräfin von Henkel-Donnersmark in Bartenstein
}
23
– von Winterfeld auf
Gubbien
}
24
HE von
Tettau
auf
Tolx
}
auf alle 3 Theile
25
HE Regimentsqvartiermeister
Kuwect
in Bartenstein
}
26
–
Auditeur Westphal
in Bartenstein
27
–
Lieutenant
von
Auerswald
in Bartenstein auf den 3
ten
Theil
NB
mit der Post.
28
Madame Sophie Marianne Courtan
29
–
Emilie Laval
30
HE Friedrich
Toussaint
31
HE
Seiff
in
Pillau
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– Regimentsqvartiermeister
Bergius
in Preuß. Holland
33
– Feldprediger
Jedosch
34
–
André Jaques Espagniac
in Königsberg.
35
–
Secretarius Berent
alle 3 Theile
S. 9
– Johann Friedrich
Schultz
alle 3 Theile
2
–
Director Hagen
alle 3 Theile
3
– Criminalrath
Jensch
alle 3 Theile
4
–
General Lieutenant
von
Lengerfeld Excell.
alle 3 Theile in Pr. Holland
5
Sa
27
Exempl.
des 3
ten
Theil + 1 für den Briefsteller = 28
6
11
Exempl.
des gantzen
Asmus
7
38
saluo errore calculi,
denn mir ist der Kopf sehr wüste.
8
Wünsche übrigens ein gesundes geseegnetes Neues Jahr, glückliche
9
Entbindung der liebwerthesten Frau Gevatterinn u Eurer lastbaren Muse. Küst
10
Pathchen u Geschwister. An Mattheschen im Keller auch unbekannter weise meinen
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Salamalec
u
Respect.
Und hiemit Gott empfohlen.
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Johann Georg H.
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Sammlung Warda.
Bisherige Drucke
Wolfgang Stammler, Matthias Claudius, der Wandbecker Bote. Ein Beitrag zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. Halle an der Saale 1915, 253–254.
ZH V 5–9, Nr. 684.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
6/25 |
Silens |
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Silens |
7/19 |
seiner ]
|
Geändert nach einer Korrektur in der Abschrift Wardas; ZH: sr. |