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462/32
Kgsb. den
6
7
Xbr.
82.
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Herzlich geliebtester Landsmann und Freund,
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Meinen innigen Dank für das 4te Stück Ihres Magazins, das ich
eben
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am 27
pr.
am Tage
Jonathans
(wenigstens nach unserm Preuß. Kalender)
S. 463
erhielt, als ich eben mein Testament abgeschrieben hatte, und mir Kr.
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Schwanengesang sehr willkommen machte. Der 2
h.
als Geburtstag meiner
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mittelsten Tochter
Lehne Käthe
, die ihr neuntes Jahr antratt wurde durch
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Ihren zärtlichen Brief noch herzlicher. Den 5
hui.
habe meinen letzten Willen
5
beym hiesigen Gerichte
deponi
rt, und dadurch auch einen Stein vom Herzen –
6
den 8
II Adv.
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Hier wurde durch einen Besuch von meiner Gevatterin
Me Courtan
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unterbrochen. Ich weiß nicht mit Worten – geschweige mit der That, meine
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Erkenntlichkeit für Ihre freundschaftl. liebreiche Gesinnungen gegen mich und
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mein Haus auszudrücken. Gott erfülle Ihre gute Hofnungen von meinem
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Sohn, und mache ihn Ihres Vertrauens und der Zuneigung jedes
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rechtschaffenen Mannes würdig. Amen.
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Mein Freund in Lübek hat sich eines beßeren bedacht. Sie sind also aller
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Mühe in diesem mir eben nicht recht schickl. Auftrage überhoben. HE Pleßing,
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ein Freund des Göthe u Kr.R. Dohms wird Ihnen nächstens einen Gruß
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von mir bringen. Ich habe an den Schicksalen seiner unglückl. Leidenschaft
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näheren Antheil genommen als an seinen Ein- u Aussichten, die ich nicht zu
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beurtheilen imstande bin. Es ist mir angenehm gewesen den Sohn eines
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würdigen Mannes kennen zu lernen, von dem ich ein Buch über die Abgötterey
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in 2 Octavbänden besitze, und ich habe seit 2 Jahren mit ersterm in einer
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gewißen Vertraulichkeit gelebt, trotz alles Contrastes unserer Grundsätze.
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All mein Antheil an der gemeinschaftl. Zöllner Sache ist fruchtlos gewesen,
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und ich habe mir durch meinen Ungestüm lauter Feinde gemacht und der
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Verleumdung alle mögl. Blößen gegeben mich zu schaden, wenn sie will und
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darf. Auch das kann zum Guten dienen, mich theils vorsichtiger – theils
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thätiger zur Nothwehr zu machen.
27
Sie haben den 25
pr.
Antwort von der
Gen. Adm.
u den 28 von Sr. Excell.
28
dem Minister von Schulenburg erhalten, an den sie aus einer wahren
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Dummheit ihr
petitum
gerichtet. Erstere vertröstet die
Suppl.
mit einer Allerhöchsten
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Entscheidung u letzterer weist sie an die
Gen. Adm.
Nun heißt es, werden
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sie künftigen
Januar
ins Cabinet gehen. Der König ist einmal gegen uns
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als Empfänger dieser Biergelder eingenommen. Die Kaufleute, als Geber,
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wären auch berechtigt diesen mißl. Schritt zu thun. Ich zweifele aber, daß
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es so weit kommen wird, und mag auch keinen
dritten
aufmuntern dies
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glühende Eisen zu unserm Besten anzufaßen. Sollten Sie mir noch einmal
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in diesem Jahr schreiben; so
wünschte und bäte mir wol einen Wink in
S. 464
Ansehung
des jetzigen
Chefs,
Bar. v Bismark Exc. aus, ob es der Mühe
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lohnen möchte und von dieser Seite die Sache anzugreifen wäre, im Fall ich
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zwischen Tür u Angel käme.
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Welchen Tag unser Vetter abgeseegelt weiß ich noch nicht. Vom Hauptm.
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v Hogendorp habe in voriger Woche einen deutschen und französischen Brief
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erhalten. Der erste war ein
Avis
von 6
Bouteill
en
Cap
Wein, die mir die
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Gräfin schickt, und der in Pillau angekommen seyn soll. Der mittelste giebt
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keinen Laut von sich – und hat seit Jahr u Tag mir
Hemsterhuis
Schriften
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versprochen. Dergl. Lebensmittel laßen sich
mittheilen u selbst genießen
.
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Jene setzen mich in 100
Verlegenheit
wegen der Collisionen zwischen
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Mittheilung u Selbstgenuß. Von was für zufälligen Gesichtspuncten doch unser
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Urtheil von Menschen abhängt?
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Gott laße Sie, liebster Landsmann u Freund, dies auf die Neige gehende
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Jahr mit Gesundheit, Seegen und Freude beschließen – allen Saamen des
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Guten mit hundertfältiger Frucht gedeyen und heimkehren.
Meine
Die
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herzlichste Wünsche, Grüße und Küße an Sie, Ihre Seelengute Hälfte,
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Luischen u Pflegsohn und alles was Ihnen lieb und werth ist – von mir
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meinem Sohn, seinem Geschwister u ihrer Mutter. Ich umarme Sie und
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Jonathan als Ihr alter treuer Freund u Landsmann
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Johann Georg Hamann
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Adresse mit Lackrest:
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Freund Reichardt
!
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 1.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 302–304.
ZH IV 462–464, Nr. 677.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Verlegenheit ]
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Geändert nach Druckbogen 1943; ZH: Verlegenheiten |