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Theuerster Freund

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Diesen Augenblick – eine Viertelstunde vor Abgang der heutigen reitenden

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Post – erhalt ich Ihren Brief und kann keinen Augenblick versäumen Ihnen

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zu sagen, daß Sie nach meiner Meinung sehr wohl thun, wenn Sie die

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Beilage die hier zurück komt gehörigen Orts einschieben, nur statt des den

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franz. Herrn sehr anstößigen Schlusses, lieber noch hinzufügen wie Sie aus

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vestem Vertrauen auf die Hülfe der Gen-Adm. den Weg nach dem Cabinet

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der
Sie
jedem treuen Landesunterthanen u Diener zu seinem Gewinn

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offen strömt, noch unbenutzt gelaßen: und erhalten Sie darauf nicht

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beruhigende Antwort so schicken Sie daßelbe, was hier in der Beilage steht

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gerade an den König nur so viel als möglich abgekürzt: Vorausgesetzt daß

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die fürchterliche Baschasorder wirklich aus dem Cabinet gekommen.

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Daß Sie sich das nicht so geradezu gefallen laßen wollen, hab’ ich kein

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einziges Wort zu sagen. Auch ich bin der Meinung daß wenn einem die

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Hälfte des Einkommens genommen wird u man von der andern Hälfte nicht

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gut leben kan, man auch an den Verlust dieser zweiten Hälfte nicht viel

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verliert. Und Sie lieber edler Mann können ja durch jede Veränderung nur

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gewinnen, nie verlieren: es sey denn daß Sie Ihr Vaterland für keinen

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Gewinn verlieren wollten.

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Ich bin in Potsd. gewesen, deshalb hab’ ich für die Sache Ihres lieben

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Freundes noch keine ernstliche Erkundigung einziehen können: soll aber

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nächstens geschehen.

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Denina ist ein lieber sanfter ruhiger doch sehr heiterer bisweilen gar lustiger

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Mann. Er hat in seiner Physiognomie u Wesen ganz die gute fast edle

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Symplicität die sein Styl hat: gar nichts italiänisches, so deutsches.

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Raynal
lebt seit 8 Wochen bey Prinz Ferdinand eine Weile von der Stadt.

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Künftigen Monath komt er herein, denn werd’ ich oft mit ihm u Denina

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seyn, u zuletzt Ihnen erst ausführlich über ihn schreiben.

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In meinem Hause stehts Gott sey gedankt alles wohl. Von Dorow hab’

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ich noch nichts erhalten, aber ihm gestern mit der fahrenden Post 2 Zeilen

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geschrieben, dabey auch Ihnen zu melden daß Vetter bereits in ofner See ist

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und seinem künftigen Wohnort in der neuen Welt entgegensegelt. Nun sind

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Sie allem Zwange entbunden. Die Post will fort: nur noch unserer beider

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auch Jonathans herzlichste liebevolle Umarmung.

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Ganz Ihr
Reichardt


S. 454
Bl. den 16 Nov 82

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Wär der etwas poßierlich böse Schluß nicht in der Beilage gewesen, hätt’

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ich die Schrift gleich selbst in Ihrem Nahmen abgegeben. Mit einer andern

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Hand, da man Ihre kennt, mocht’ ichs aber nicht thun. An Deutsch meinen

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herzinnigsten Gruß.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2553 [Gildemeisters Hamanniana], I 40.

Bisherige Drucke

ZH IV 453 f., Nr. 674.