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Kgsberg den 11
Novbr.
82.

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Herzlich geliebtester Landsmann und Freund,

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Wünsche von Herzen, daß Ihnen die heilige Martins Gans beßer geschmeckt

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als mir, denn ich habe keine gehabt. Die vorige Woche habe ich unruhig

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zugebracht und diese nicht beßer angefangen. Den 6ten
hujus
ist uns allen

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eine Königl.
Cabinets-Ordre
zur Unterschrift vorgelegt worden, kraft welcher

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wir alle wegen unserer Schelmereyen u Betrügereyen in die Karre gespannt

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werden sollen. Die
unvergeblichste Schelmerey
wäre wol, den wahren

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Grund eines dem Throne so nahe liegenden Uebels mit aller Einfalt des

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Herzens aufzudecken. Aber
wer ist hierzu tüchtig?

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Unter deßen unser Salomo predigt man soll nicht stehlen; stiehlt seine

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mulier peregrina
adultera Lacaena
uns den letzten Bißen Brot. Das ganze

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Verfahren sieht einer Spitzbüberey so ähnlich und ist von jeder Seite

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betrachtet so himmelschreyend ungerecht – betrifft weder die Königl. Caßen noch

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ihre Verwaltung, sondern ist im Grunde ein altes Gebühr und Trinkgeld,

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was in allen Häfen u Handelsstädten gemein ist; und wornach die alten

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Gehalte sparsam eingerichtet sind nach der gegenwärtigen jüdischen und

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beschnittenen Münzverhältnis zu den Lebenspreisen. Unsere Leute haben acht

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Tage lang an einer französischen Bettelschrift, das
argent de voye
betreffend,

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wie es der Verf. nennt, schmieden laßen, und sie können damit nicht fertig

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werden. Ich erbarmte mich also deutsch zu schreiben, wovon ich Ihnen

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mutatis mutandis
des
Plur.
in den
singularem
eine Abschrift mittheile. Das

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Lamm zur Schlachtbank und das vor seinem Scheerer verstumte Schaaf

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nebst der poßierl. Uebersetzung des
Ersterbens
in
Verhungerns

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ausgenommen, ist die Copie dem Original getreu. Die
Lage der Sache
und der
Gang

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der diebischen Füchse und Wölfe
darinn aufgedeckt. Keiner von unsern

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Leuten hat das Herz zu unterschreiben, und bereden mag ich niemanden dazu.

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Meine eigene Haut will aber gern zu Markt tragen und mich wie der Heil. des

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heutigen Tages und seine dumme Gans braten laßen. Von 25 rth zu leben

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ist schlechterdings unmögl. Bey aller meiner Sparsamkeit erfordert meine

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schlechte kümmerl. Haushaltung 20 rth wenigstens jeden Monath. Wo

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komt Holtz, Bier, Schuh, Stiefel, Kleidung
ppp
her. Hätten die furchtsamen

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Haasen unterschrieben und alle für einen gestanden; so wäre es mir vielleicht

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gelungen Kaufleute und Rehder aufzubringen u ins Cabinet zu gehen und

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dies
Douceur
als ihr Eigentum zu
reclami
ren u die
Gen
Adm.
für die

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ganze Summe, die sie für ihre
Nepoten, Mignons
und
Vagabonds
verschluckt,

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zur Verantwortung ziehen zu laßen. Aber nun läst sich leicht zum voraus sehen

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daß alles verschlafen und verhudelt werden wird, und die Schuld liegt – –

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ich mag nicht sagen, an wem? an meinen beyden Nachbarn – Sie können

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leicht denken, daß ich nicht mit meinem Kopf allein zu Werk gegangen bin,

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sondern alles, was ich nur zu erreichen im stande gewesen, um Rath gefragt

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und zu Hülfe genommen habe – aber Jerusalem! – Jerusalem! hat nicht

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gewollt. Machen Sie mit der Beyl. was Sie wollen. Ich will verantworten

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und
deduci
ren, was ich geschrieben habe. Finden Sie es der Mühe werth

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mir Ihre Gedanken und Vorschläge zu beßeren Maasreguln mitzutheilen;

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so erwarte selbige. Es mag mir übrigens gehen wie dem Mundschenken oder

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wie dem Hofbecker. Erhöht am Galgen ist beßer als verhungert, oder

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wenigstens eben so gut als die Karre; denn leider! ist es den Heuschrecken aus dem

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Brunnen des Abgrunds gegeben, nicht den Menschen zu töten, sondern zu

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qvälen, nach der neusten Politik.

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Kennen Sie nicht den Verfaßer von dem Buch der
Weisheit und Tugend
,

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das dem
Kritiker der Vernunft
zugeeignet worden, von dem ich es heute

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eben auf meine Bitte erhalten?

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Ihren
Der Brief vom Vetter und meine Abschrift des engl. ist unserm

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Dorow zur Beförderung vor 8 oder 14 Tagen übergeben,
der es befördern

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wird.
Wißen Sie nichts von seiner Abreise?

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Werden Sie mir bald auf jenen letzten Punct wegen meines Freundes aus

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Lübeck antworten, daß ich ihm wenigstens Bescheid geben kann?

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Was macht Ihre liebe Frau? Steht alles in Ihrem Hause gut? – Einen

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liebenswürdigen Mann u. sehr guten Freund von Ihnen HE Kriegsrath

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Deutsch habe kürzl. kennen gelernt und den Auftrag erhalten Sie zu grüßen.

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Heute ist hier eine
Opera buffa
aufgeführt worden; habe blos die Leute

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hinlaufen gesehen. Kürzl. ist Kranzes Krug abgebrandt und ein
dorthiger

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Fuhrmann hat Wagen und Pferde eingebüßt, seine
Passagi
er all das ihrige

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worunter auch ein Musicus Feige, der nach Riga bestimmt gewesen. Vorigen

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Sonnabend war wieder auf dem Lande Feuer, das richtüber meinem Fenster

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ein fürchterl. Ansehen gab, ohne daß man den eigentl. Ort bisher erfahren

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können. Man hat Schönflies, Tharau, Aweiden genannt; habe aber bisher

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nichts gewißes erfahren, daher ich vermuthe, daß es fürchterlicher ausgesehen

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haben, als gewesen seyn muß.

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Verzeyhen Sie, Herzlich geliebtester Freund und Landsmann, daß ich

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Ihnen so oft schreibe, ohne den geringsten angenehmen Innhalt.

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Gegenwärtigen Brief habe blos gewagt, um Sie an meiner Noth Antheil nehmen zu

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laßen, und mein Herz zu erleichtern, weil ich Schlaf und Appetit und alle

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Lust zu leben verliere, und in meiner eigenen Noth die allgemeine mir zu

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lebhaft vorstelle. Wißen Sie keine andere Mittel als Zurechtweisungen; so

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schonen Sie nicht, sondern sagen mir die Wahrheit so
gerade
, als Sie können

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und wollen.

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Alles schläft in meinem Hause; und ich bin wenigstens müde; wenn gleich

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nicht schläfrig. Um meiner aufrührischen Einbildungskraft Friede zu

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verschaffen und sie zu besänftigen, schrieb ich Beyl. aber umsonst. Einer

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ähnlichen Täuschung zu Gefallen theile ich Ihnen selbige in
forma probante
mit.

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Schicken Sie mir selbige mit Ihrer
Resolution
wieder zurück, oder
cassirt

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Was haben Sie an Denina für einen Mann dort erhalten? Vergeßen Sie

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Ihre
Deipnosophi
sten nicht?

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Ich umarme Sie und Ihre liebe Hälfte, Jonathan und Minchen. Gott

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seegne Sie alle. Von meinem verlornen Freunde,
D.
Lindner dem jüngsten

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habe endl. Nachricht nach Jahr und Tag, daß er in
Mitau,
aber nicht gesund,

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sondern vor Schmerzen auf der rechten Seite gelähmt angekommen, und daß

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er ehstens seine alte 81jährige in letzten Zügen liegende Mutter noch sehen

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wird.

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Vergeßen und verschmähen Sie nicht Ihren alten Landsmann und Freund

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Johann Georg Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 1.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 292–294.

ZH IV 447–450, Nr. 672.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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dorthiger
]
Geändert nach Druckbogen 1943; ZH:
dortiger