667
429/5
Blitz, Donner und Hagel! Wo ist mein Brief, der deutsche, den Vetter an

6
mich geschrieben. Heraus mit ihm! wenn ich nicht noch sieben Flüche zu denen

7
zugeben soll, mit denen sich meines seel. Vaters seel. Bruder Johann George

8
hinsetzte, den zweiten Theil der asiatischen Banise anzufangen. Aus weßen

9
Macht können Sie mir den deutschen Brief, den Vetter an mich geschrieben,

10
zurückhalten, und unterschlagen, – und wer hat Ihnen die Macht gegeben –

11
„und wie habt Ihr das thun dürfen? Wißt Ihr nicht, daß ein solcher Mann

12
wie ich bin, errathen konnte?“

13
Erschrecken Sie nicht, liebste beste Frau Capellmeisterin, vor dem Donner,

14
Hagel und Blitz. Die Sache betrifft keinen Eyerkuchen; sondern eine Urkunde,

15
einen Belag zur Geschichte des menschlichen Herzens, einen Text, über den

16
unser Vetter vor seinem Abschiede aus dieser alten bösen Welt 2 ganzer

17
Bogen in
folio
Noten Anmerkungen und Berichtigungen geschrieben, die mir

18
ohne ihren Text eben so viel nütze sind, als ein Schloß ohne Schlüßel,
oder

19
rückwärts
, wie Junker Asmus in Wandsbek sagt. Ehe ich zur

20
Hausuntersuchung schreite, Madam, bitte mir den Schlüßel zu Ihrem Weinkeller
aus

21
und den grösten Willkomm von Gold, Silber oder verklärter Erde aus, damit

22
zu weißagen, in welchem Winkel mein Eigenthum nach seiner Erlösung sich

23
sehnt. Ich vermuthe allerdings
Teufeleyen
in diesem Briefe, und daß Er

24
nicht das Herz gehabt Sie zur Helerin deßelben zu machen. Unschuld, wie die

25
wahre Weisheit weiß von nichts und verdient eine so sanfte Ruhe und eine

26
so gute Nacht wie ich Ihnen wünsche.

27
Blitz, Donner und Hagel! mein Herr. Sind Sie nicht der
Jonathan
dieses

28
Hauses; wenigstens sehen Sie der Silhouette, die über meinem Bette hängt,

29
viel mehr ähnlich? Freundschaft ist sonderlicher denn Frauenliebe – Seitdem

30
der Abt
Janaes
oder Jambres hier aus- und eingeht, ist mir ein
bijou

31
indiscret
in der Sprache moderner welscher Verschnittenen der Philosophie und

32
Politik, deutsch zu sagen, ein
Brief
,
sacra res
! in der Sprache altdeutscher

33
Liebhaber und Virtuosen – nicht zu Handen kommen. Heraus mit ihm!

34
Da Capo.


S. 430
Wie sind die Helden gefallen! – Die Töchter der Philister freuen sich, die

2
Töchter der unbeschnittenen allgemeinen Bibl. frolocken. Ach mein

3
Auserwählter, ach du Bruder meiner Muse, ach mein erwünschter rüstiger

4
Argosbesieger! Was kein Gott, kein Freund das Herz gehabt – hat Sch. –

5
und Vetter Nabal gethan.
Bien Vous fasse comme aux chiens l’appetit

6
d’herbe –

7
Aber ohne Deinen Freund wärst du keinen Gefahren der Seelenverkäufer,

8
keiner Untreue des gläsernen Weltmeers, ehrlicher Vetter Becker! keinen

9
odyßeischen Wallfahrten in eine neue Welt und unterirrdische Demokratie

10
ausgesetzt gewesen, sondern Dein unsterblicher Name hätte geglänzt als ein

11
Stern erster Größe unter den jüngsten Märtyrern für die Freyheit des menschl.

12
Geschlechts.

13
Mein Herr musicalischer Magazinverwalter, warten Sie auf keinen Dank

14
weder für ihr
drittes
noch
viertes
Stück, auf keine Copie der engl. Noten

15
zum deutschen Text –

16
A propos!
Woher komt die schöne JungferHand Ihrer
Postscripte?

17
Denn was Ihre Briefe anbetrift, so sehen sie recht so aus, als wenn Sie

18
selbige mit dem Bogen Ihrer Geige schreiben.

19
Warten Sie auf keinen Gruß von Kreutzfeld, und was er mir alles heute

20
vorgehustet und leider! vorgekeucht von dem was ich Ihnen und was er selbst

21
schreiben wollte.

22
Kurz, schicken Sie mir den
deutschen
Brief nicht; so mag ich weder Ihr

23
Freund, noch Landsmann, noch Gevatter, noch
Caliban ab epistolis,
noch

24
wie meines seeligen Vaters seeliger Bruder länger heißen

25
Johann Georg Hamann


26
und hiemit Gott befohlen
den 14 8
br.
82. gegen Mitternacht.


27
Schicken Sie nicht mit erster Post; so will ich
Sie
mich so ärgern, daß

28
Sie vor Lachen, wo nicht bersten, doch, wie Homer seine Epopeen, d
as
en

29
mit Unrecht verschluckten Brief von sich geben sollen. –

30
Sapienti sat!

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 1.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 281–283.

ZH IV 429 f., Nr. 667.