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S. 416
Königsberg den 12 Aug. 82.
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Wolgeborner Herr Geheimte Rath,
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HochzuEhrender Gönner.
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Den 1 Febr.
c.
erhielt einen ganzen Kasten von meinem Gevatter Claudius,
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deßen Sympathie und Synergie ich vermuthlich auch das
doppelte
Denkmal
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und Unterpfand Ihrer Freundschaft zu verdanken habe. Er mag es
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verantworten, wenn meine späte Erkentlichkeit für den
I.
Theil
Ihrer vermischten
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Schriften
den eigennützigen Anschein einer Bitte um den folgenden haben
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sollte. Ich erinnere mich wenigstens
Allwills Papiere
im Mercur mit so viel
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Antheil gelesen zu haben, daß ich recht sehr wünschte, den Verf. davon zu
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wißen – und dieser so lange unbefriedigte Wunsch wurde auf eine desto
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angenehmere Art durch den Autor selbst
thätig
beantwortet.
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Krankheit, Umstände meiner inneren und äußeren Lage, Unvermögenheit
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zu denken, zu reden und zu schreiben entschuldigen wenigstens mein
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Stillschweigen. Ich habe leider! so viel lange Weile und so wenig Muße, daß ich
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nicht weiß, wo ich diese
hernehmen
und was ich mit jener anfangen soll –
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und dergl. Wiedersprüche erfährt jeder, mehr oder weniger, in seiner Natur
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oder in seinem Schicksal, die so verträglich wie die meisten Ehen sind.
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Uebrigens ist mein ganzes Lesen mehr Betäubung als Cultur – erbaut mehr den
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Sitz des Uebels, als daß es selbigen verstört. So lang ich ein Buch in der
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Hand hab, genüß ich; leg ich es weg, bin ich
gleich einem Mann
,
der sein
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leiblich Angesicht im Spiegel
beschauet,
denn nachdem er sich beschaut
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hat, geht er von Stund an davon
, und
vergißt, wie er gestalt war
.
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Kurz, ein so hungriger Leser, wie mein Magen, hat keinen Gaumen eines
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Kunstrichters, sondern verschlingt und verdaut mehr als er schmeckt und
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unterscheidt. Fragmente von
Schaustücken
, wie Sie uns mittheilen, laßen sich
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nicht nach dem Gehalt gangbarer Müntze beurtheilen. Ich habe den ersten
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Theil von
Woldemar
zu Rath
gezogen
um seinen Character zu ergänzen.
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Es ist mir aber eben so schwer geworden, ihn in seine Bestandtheile
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aufzulösen, als Ihnen vermuthlich, sein Ganzes zusammen zu setzen. Das Ideal
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seiner
Selbstständigkeit
ist für mein geschwächtes Nervengebäude vielleicht
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zu überlegen, das in einer
glücklichen Abhängigkeit
mehr Sicherheit und
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Ruhe findt. Fast scheint mir dieser Lieblingsheld zu derjenigen Claße von
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Wesen zu gehören,
welche eine unbeschränkte Unabhängigkeit der
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rohen Natur gern mit den Ergötzlichkeiten des geselligen Lebens
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verbinden möchte
, wie ich noch heute im
III.
Theil der
Väterschule
gelesen
S. 417
habe. Eine Verbindung dieser äußersten Ende komt mir freylich als die
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einzige Auflösung für das Problem
menschlicher Glückseeligkeit
vor. Ist sie
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aber eine Mauer? oder ist sie eine Thür? – Ist sie ein
Stein
? oder eine
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Tinctur
? ein trocknes
oder ein feuchtes
Menstruum?
Das mögen die
Salomone
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und
Buphamete
unsers Jahrhunderts entscheiden.
Non nostrum est
–
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Verzeyhen Sie dieses unzusammenhängende Geschmier. Ich empfehle mich Ihrer
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Gewogenheit und freundschaftlichen Nachsicht, mit dem herzlichen Wunsch
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aller Zufriedenheit und eines Anlaßes Dero zuvorkommende Gewogenheit
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durch einen ähnlichen Genuß von meinem Theil erwidern zu können, und
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habe die Ehre mit der vollkommensten Hochachtung und Gesinnungen zu seyn
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Ew Wolgeboren ergebenster Diener
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Johann Georg Hamann.
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Adresse mit Siegelrest:
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Des / HErrn Geheimten Raths
Jacobi
/ Wolgebornen / zu /
Düßeldorf
.
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Vermerk von Jacobi:
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Königsberg den 12 Aug. 1782
Haman.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, I 359–362.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 1 f.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 3: 1782–1784. Hg. von Peter Bachmaier, Michael Brüggen, Heinz Gockel, Reinhard Lauth und Peter-Paul Schneider. Stuttgart-Bad Cannstadt 1987, 46–47.
ZH IV 416 f., Nr. 660.
Zusätze fremder Hand
417/16 |
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
416/16 |
hernehmen ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: hernehmen, |
416/22 |
beschauet, ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: beschauet; |
416/28 |
gezogen ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: gezogen, |
417/4 |
oder ein feuchtes ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: oder feuchtes |