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417/17
den
XXV
Aug. Dom. XIII.
82.
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Herzlich geliebtester Gevatter Landsmann und Freund,
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Ihr Geburtstag ist heute in meinem Hause gefeyert worden in Gesellschaft
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eines jungen Feldpredigers Zitterland der diese Woche aus
Moewe
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hergekommen ist, wo Sie auch in gutem Andenken stehen bey einem Hauptm. von
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Knebel, der einen Bruder dort hat, an den Sie auch einmal gedacht haben.
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Meine älteste Tochter machte mir auch die Freude das erste Stück und Lied
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auf dem Clavier hören zu lassen, worauf Sie Hill unterrichtet, der auch mit
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aß. Beschränkt Ihr Weisen dieser Welt – Ich hab ihr dafür ein alt ¼ Rubelstück
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eben in die Hand gedrückt. – Darnach kam ein Besuch von Juden, und ich
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hatte das Vergnügen in meinem Garten zu bemerken, daß der letzte von
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meinen Obstbäumen, auf den ich bisher so lange gewartet, auch ausgeschlagen
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war. An diesen beyden Wahrzeichen von Ihrem doppelten Geburtstage habe
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ich gnug – Gott lasse in Ihrem Hause Gesundheit, Freude und Friede und
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Liebe und Seegen reichlich einkehren Amen!!
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HE. Pf. Skubich
brachte
mir den 22
huj.
Einlage mit der Nachricht, daß
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Ihre liebe Schwester gesund ist und ihr Mann anfängt vernünftiger zu
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werden. Sie hat mir ein paar Zeilen geschrieben und schmachtet nach Antwort
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und gute
Bothschaft
.
S. 418
Vorige Woche habe mich nicht aus dem Hause gerührt, und denke auch
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diese halbe einheimisch zuzubringen. Meinen
Schiblemini
oder
epistolische
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Nachlese eines Metakritikers
angefangen; ob es weiter gehen wird, weiß
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der liebe Gott. Kopf und Herz ist dürre und welk. Die 1. Epistel handelt von
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der
gedruckten
Uebersetzung der Humischen Gespräche. Die 2. von der
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geschriebenen
u dem Mendelsohnschen Urtheil. Die 3. vergleicht den Juden u
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Philosophen. Die 4. Ist eine aufgewärmte Uebersetzung des letzten Cap. von
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Hume 1. Theil
on human nature
die 71 in ein paar Beyl. hier erschienen
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unter dem Titel: Nachtgedanken oder Confessionen eines Sceptikers. Die
4.
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dörfte wol auf Kant kommen von dem ich heute gehört, daß er seine neue
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Abhandl. schon abschreiben läßt, welche vermuthl. dem Göttingschen Rec.
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angehen wird – aber wie es scheint unter einem
andern
Titel als: Prolegomena
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einer Metaphysik die noch geschrieben werden soll – den ich Ihnen angegeben.
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Von Hartknoch ist noch kein Laut angekommen; von George Berens eben so
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wenig. Einem vielleicht blinden Gerüchte zufolge wird Hintz hier erwartet.
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Meine Vermuthung ist leider wahr, da W. hier wie ein Dieb fortgelaufen
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und sein besserer Bruder dafür haften müssen. Melden Sie doch etwas von
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seiner dortigen Durchreise.
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den 26.
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Das gestrige schöne Wetter ist wieder umgeschlagen. Gott gebe Ihnen eine
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bessere Weinlese, als die hiesige Erndte
gerathen
kann. Die kalte feuchte Luft
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wirkt auch sehr auf meinen Leib u. Kopf. Wenn ich nur könnte, würde ich
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morgen gern mit Fasten feyern. Ich glaube, daß mein Gehirn ein noch ärgerer
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Schleim als mein Blut ist.
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Wie geht es mit der Gesundheit meiner verehrungswürdigen Frau
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Gevatterin? Hälts mit dem Steigen auch so schwer wie mit dem Quecksilber in
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meinem Barometer, das ich vor langer Weile so fleißig wie mein seel. Vater in
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seinen letzten Jahren zu beobachten anfange. Erhalten wir zu Michael eine
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Fortsetzung von der heb. Poesie? Nichts weiter von Ihnen im Mercur?
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Schlosser soll auch Kant sehr mitgenommen haben in seinem Longin, den
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ich noch nicht gesehen.
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Die französische Physiognomik habe durchgelaufen. Die Kupfer werden
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kaum das Buch empfehlen u sind weit unter dem alten Original. Ihr häufig
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vorkommender Name und die Silhouette aus Asmus hat mir Freude
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gemacht. Ist es denn nicht mögl. zu einem Begriff von der Urkunde
Chevilah
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zu gelangen? Eben erhalte
Hofnung
des Jordans Buch
de vno et principio
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aus Italien zu erhalten. Es ist ital. geschrieben. Könnten Sie es nicht auf
S. 419
Ihrer dortigen Bibl. zum Ansehen bekommen, um mir zu melden ob es
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meiner Mühe lohnt. Viel Glück Ihrem lieben Gottfr. zu seinem 9
ten
Jahr –
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Gott seegne Ihn, Pathchen und all das Ihrige – Empfehlen Sie mich Ihrer
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lieben
Einzigen
– Mutter und Tochter. Ich ersterbe Ihr alter
Joh. Ge. H.
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Adresse:
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HErrn / HErrn Herder, / Oberhofprediger, OberKirchenrath / und
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Generalsuperintendenten p / zu /
Weimar
. / fr.
Halle
.
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 10787, Nr. 4).
Bisherige Drucke
Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 331 f..
ZH IV 417–419, Nr. 661.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
417/17 |
XXV |
Geändert nach der Handschrift; ZH: XXV. |
417/20 |
Moewe |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Moewe |
417/32 |
brachte ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: bracht |
417/35 |
Bothschaft ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Botschaft |
418/9 |
4. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 5. |
418/21 |
gerathen ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: geraten |