659
S. 412
Kgsb. den 11
Aug. Dom XI.
82.

2
Herzlich geliebtester Landsmann, Gevatter und Freund,

3
Den 14
Jul.
erhielte die gedruckte Briefe nebst Horatz und einen Einschluß

4
nach Riga, den ich mit der ersten Post besorgt, aber noch keinen Laut von dort

5
erhalten. Den 27 kamen endl. auch geschriebene Zeilen an nebst dem letzten

6
Briefe über den Baphometus, den Sie vermuthl. durch einen Schreibfehler

7
die 3 letzten nennen
. So sehr ich auch die versprochene Fortsetzung wünsche;

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so ist es mir doch lieb, daß Sie erst die Antwort des Buphametus abwarten,

9
von dem man hier erzählt, daß er ihrenthalben die Brunnencur in seinem

10
dazu ausdrückl. gemietheten Garten ausgesetzt. Was Sie mir vom Schloßer

11
schreiben, hat mir geahndt, aber selbst habe ich noch nichts gesehen. Was jene

12
große Säule auf einem 4
Qu.
seiten
langen Briefe über die ersten hat sagen

13
können, ist für mich ein Problem und bezieht sich vermuthl. auf das rechte

14
Futter des
Tempelherren Geheimnißes
, weil ich von Urkunden viel lauten

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gehört, und dies Vermächtnis ein Hauptknote und der kützlichste Punct für

16
die ehrlichsten und klügsten Ordensleute zu seyn scheint. Aber in den 2 ersten

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Briefen war dieser Punct doch gar nicht berührt. Bezog sich der lange Brief,

18
dem
Sie noch keinen Namen
zu geben wißen, etwa hierauf; so war es

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vermuthlich ein Wink. Gestern fand wider ein Neues Ding über die alten u

20
neuen Geheimniße angekündigt. Wird doch keine bloße Uebersetzung des

21
elenden Geschmieres vom Abbt
Robin
seyn, den einige für
Raynal
hier

22
ausgegeben
Amst.
79. weil der Titel ein blos
R
hat mit dem Motto aus dem

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Plinio: Mire silentio et tenebris animus alitur.
Bey welcher
Gelegenheit
hat

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sich Spittler in den Göttingschen Zeitungen mit Ihnen sonderbar begegnet?

25
Die Recension der nicolaitischen Schrift machte einen sehr lächerl.
Contrast

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in diesen Zeitungen. Er wurde eben so sehr gelobt als Ihre Meisterhand. –

27
Eh ichs vergeß; es hat sich ein junger Mensch, Namens Wedicke beym

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Kapellmeister in Berl. gemeldt u dieser dachte an ihn als einen ihm

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empfohlnen Landsmann von Kreutzfeld, der damals bey seinem Bruder in

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Neuhausen die Hundstage feyerte. Heute vor 8 Tagen besucht mich Kreutzfeld

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und weiß von nichts. Sollte ihm unser Landsmann zu Berl. Empfehlungen

32
an Sie mitgegeben haben; so warne ich Sie für diesen
Jean Jaques
mit dem

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verlogenen Jungfergesicht und Harpyienfingern. Er ist ein Schwestersohn von

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Pf. Skubich in Morungen, mit seinem ältern Bruder hab ich einigen Umgang

35
gehabt, aber alle die diesen jungen Menschen kennen, wißen seine
Industrie

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zum Lügen und Betrügen nicht gnug zu beschreiben. Ich vermuthe daß er

S. 413
Reichard durch einen Empfehlungsbrief, worinn er Kreutzfeld’s Hand

2
nachgemacht, hintergangen haben muß, und werde mir Mühe geben die Sache

3
heraus zu bekommen.

4
Rousseaus
Werke habe wol angeschaut, aber noch nicht auftreiben können,

5
ungeachtet der Anstalten, die ich dazu gemacht. Die Abhandl. über die

6
Sprachen fiel mir gleich in die Augen, und ich dachte eben daßelbe dabey was Sie

7
mir schreiben –
zwar bekannte
, aber
doch stark u hübsch gesagte Sachen

8
darinn zu finden
. Indem eben mein
Appetit
zu seiner
Confession
durch

9
Sie gereitzt worden war, erhielt ich wie vom Himmel gefallen, den 29
Julii

10
den ersten Theil derselben aus Potsdam vom jetzigen Hauptmann v

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Hogendorp, der mir den zweiten Theil gl. nachzuschicken verspricht, sobald er ihn

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selbst durchgelesen haben würde. Ich warte aber noch darauf, und vor

13
Ungedult hab ihn aus dem Buchladen
anticipirt.
Was sagt jetzt der teutsche

14
Mercur zu seiner
Deduction
über das berüchtigte
Factum.
Kant ist so

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politisch, sich gar nicht um dies Buch bisher bekümmert zu haben, arbeitet

16
vermuthl. an seiner eignen Ohrenbeichte oder Gemächte der reinen

17
Vernunft.

18
Auch Mendelsohn’s Anmerkungen zur Abbtschen Corr. habe weder in den

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hiesigen Buchladen noch bey seinen hiesigen Glaubensverwandten auftreiben

20
können, bis ich sie ganz unerwartet auf der Schloßbibl. fand. Sein Urtheil

21
über Humens Broschüre hat so auf mich gewürkt, daß ich heute meinen

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Schiblemini anfangen können und den ersten Brief meiner
epistolischen

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Nachlesen eines Metakritikers
zu Ende gebracht auch den zweiten

24
angezapft. Gott gebe guten Fortgang zu dieser Arbeit, daß ich diesen

25
Geburtsmonath beßer anwenden möge, als mit der Humischen Uebersetzung vor

26
2 Jahren.

27
An
Subscri
benten zu den
Poetas illustres de España
ist hier nicht zu

28
denken; die Buchladen eignen sich hier auch alle dergl.
Collect
en zu oder sehen

29
es als einen Eingriff an. HE
Simon Friedlaender
hat auf 2
Exempl. Christian

30
Hill
auf
1
Packhofverwalter H.
d
o
und
Prof Poeseos
hat auch halbe Lust zu

31
1
d
o
gehabt. Mehr wie diese 4 sind hier nicht abzusehen. Bitte diese gehörigen

32
Ortes zu
denuntii
ren. Sollten sich noch einige finden; so werde das Meinige

33
thun. Kreutzfelds Mutter hat das Unglück gehabt sich auf dem Lande den

34
Arm zu brechen, welches ihrem Sohn ungemein nahe geht. Er verwelkt

35
sichtbar

36
Wir haben hier auf 3 Monathe tiefe Landtrauer wegen der Königin von

37
Schweden angelegt. Abt
Raynal
soll eine Art von Schlagfluß sich zugezogen

S. 414
haben durch die ihm zu Ehren angestellte Schmausereyen. Mendelssohn

2
arbeitet noch würkl. an Leßings Biographie, wie mir einer seiner Landsleute

3
der eben aus Berl. gekommen versichert. Diesen Mittag schickte mir mein alter

4
Freund Kr R. Hennings den dritten Theil der
Väterschule
zu von meinem

5
Lieblingsdichter
Retif de la Bretonne.
– Kennen Sie auch diesen fruchtbaren

6
Sonderling, über den ich eben wie
Mercier
in seinem
Tableau de Paris
denke.

7
Wer mag der deutsche Uebersetzer seyn? Ich wünschte daß er die Anerbietung

8
des Autors angenommen hätte und das ganze Werk uns mittheilen möchte.

9
Er ist seit seinem ersten Buch, das ich von ihm kennen lernte, die
Geschichte

10
meines Vaters
, in dem der Grund aller seiner übrigen Familienmährchen

11
liegt, immer mehr für mich gewesen, als
Jean Jaques

12
Die barmherzige Sage nicht gantz mit trockenem Fuße zu übergehen: so

13
war eben nicht von Lumpenhändlern, Apothekern p die eigentl. Rede – –

14
sondern von einem einzigen Wucherer, der sich Ihrer ersten

15
Unbeqvemlichkeiten zu Nutze gemacht. Ein bloßes Misverständnis, ohne
die geringste böse

16
Absicht zu Ihrem Nachtheil
, scheint wol der ganze Grund des ganzen

17
Gerüchtes gewesen zu seyn.
Was Sie selbst anführen
, u Ihre
S
strenge

18
Enthaltsamkeit von den Consistorialvögeln, Ihre Mildthätigkeit wurden mit als

19
Beweise angeführt – schienen mir das Ding wahrscheinlicher zu machen, daß

20
eine Art von Nothwendigkeit daran Schuld seyn müste, warum Sie Ihrem

21
alten Verleger andere vorzögen. Gottlob! daß alles Lügen ist.

22
Aber Ihre hypochondrische Unlust, die sich mehr auf politische als

23
ökonomische Umstände zu beziehen scheint, ist wenigstens der
Gesundheitslage

24
nicht günstig. Wir haben hier alle, liebster bester Landsmann Gevatter und

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Freund, einer höheren Fürbitte nöthig, daß unser Glaube nicht aufhöre, wenn

26
er, wie der Weitzen, gesichtet werden solle.
Erzürne Dich nicht über die

27
Bösen, sey nicht neidisch über die Uebelthäter
. Aßaphs Heiligtum ist

28
Ihnen näher wie mir. Ambition ist eine ärgere Selbstmörderin und

29
Giftmischerin als Werthers Lotte mit ihren schnöden Reitzen.


30
Den 12 –

31
Heute war eine eigene Erscheinung auf dem Licent von einem
Geistl.
seiner

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Frau u Sohne, die mit Hack und Pack ankamen, und der durch ein

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Misverständnis für einen Nachfolger des seel. Lilienthals ausgegeben wurde.

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Sein Ansehen und Betragen war so auffallend, daß es jedermanns

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Aufmerksamkeit auf sich zog. Endlich kam bey der
Declaration
seiner Sachen heraus,

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daß er unter dem Namen eines
Recto
rs u Predigers aus Pleße in

S. 415
Oberschlesien
von
dem Fürsten von Anhalt Cöthen kam, und
Suche
hieß. Er gab

2
vor, seinen Sohn auf die Akademie hier zu begleiten. Die ganze Familie sprach

3
französisch, eben nicht sonderlich – und er wird vermuthl. als Sprach- oder

4
Schulmeister hier unterzukommen suchen.
Vermuthl.
Als Landsmann

5
suchte er den Kirchenrath Hennig im Löbenicht auf, wo man bald mehr von

6
diesem Colonisten mit 7 Sprachen u einer Geige erfahren wird.

7
Danke noch herzl. für Ihren Wieland und wünsche Ihnen dafür ein

8
planirtes Exemplar – und dem Publico auch seine Uebersetzung der

9
Sermonen, von denen Sie sich nur zum voraus 2 rohe oder planirte Copien

10
bestellen. In meiner Kindheit war
ungeleimtes
Papier die einzige Sache,

11
gegen die ich eine Antipathie hatte. Diese besondere Art von Eckel hat sich aber

12
mit den Jahren verloren.

13
Mit Ihrem letzten Briefe erhielt zugl. einen aus der Schweitz von Pfenn.

14
der ein Jahr lang liegen geblieben war u einen Einschluß von Gevatter

15
Kaufmann
d d
Schafhausen 18 Feb. 81. Vermuthl. wird er jetzt schon in Barby

16
seyn wenigstens redt er die Sprache dieses neuen Vaterlands, und verweist

17
mich selbst auf Mochels Urne, die ich kürzl. gelesen.

18
Nun ich umarme Sie im Geist, liebster bester H. zu unserm Geburtsmonde.

19
Gott schenke Ihnen Gesundheit, Zufriedenheit und überschwenglichen Seegen

20
– laße Ihnen Freude an Ihren Kindern leben, und mache mein Pathchen

21
zu einem Ritter Mengs – Schreiben kann ich nicht; seufzen
en maître.
Hab

22
diesen ganzen Monath, wie Augustus
inter lacrymas et suspiria
heimgeseßen

23
– doch vorige Woche 2 mal bey Hippel gespeist und gebischoft.

24
Küßen und grüßen Sie Ihre liebe, würdige
Geva
Hälfte
– Bin kein Prophet –

25
sonst wären Sie schon längst in B. oder ich in W. gewesen. Doch durch

26
fehlgeschlagene eitle Wünsche wird eben der unerkannte Zweck derselben erfüllt –

27
wie aus dem Nichts – Etwas und Alles. Die Hofnung uns und die Unsrigen

28
einander zu sehen wachse und reife mit jedem Jahre bis zur bevorstehenden

29
Erndte. Ich umarme Sie und ersterbe mit meinem ganzen Hause

30
Ihr
alter ergebener verpflichteter und ewig treuer

31
Johann Georg H.


32
Adresse:

33
HErrn / HErrn
Herder
, / Oberhofprediger, Oberkirchenrath / und General

34
Superintendenten / des Herzogtums /
Weimar
/ fr.
Berl.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 238–239.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 275–278.

ZH IV 412–415, Nr. 659.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
412/12
Qu.
seiten
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Qv
art
seiten
413/30
1
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
1,
413/35
sichtbar
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sichtbar.
414/31
Geistl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Geistl.,
415/24
Geva
Hälfte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Hälfte