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Geehrtester Freund,

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Meine Briefe jagen sich einander. Der Innhalt des jetzigen ist eine Bitte,

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eine neue Bitte, bey der ich mich auf Ihre Denkungsart v. freundschaftl.

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Gesinnungen was zu gute thue.

S. 164
Ist es in aller Welt möglich, so besuchen Sie mich morgen früh. Wenn Sie

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um 8 Uhr abfahren sind Sie in einer Stunde hier. Ich werde Ihnen die

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Ursache sagen, v. warum ich auch so verfahre. Sie kennen mich und daß ich gegen

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meine Freunde wesentl. Achtsamkeiten niemals vergeße, daß ich selbige mehr

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in Handlungen als Worten zu bezeigen suche. Das übrige werde Ihnen bey

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unserer wechselweisen Umarmung näher erklären.

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Ich wollte gern das Ansehen eines freundschaftl. Besuches einem Dienste

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geben, den Sie mir Amts wegen thun können. Unser gnädiges Fräul. hat ein

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Weitenfeld
Landgut vmtl. 40 km südwestlich vom heutigen Dobele, Lettland [56° 37′ N, 23° 17′ O]
schlimmes Auge; des HE. General Excell. sind nach Weitenfeld verreist; ein

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kleiner Punkt am Augapfel macht die Frau Gräfin sehr besorgt. Sie weiß sich

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weder zu helfen noch wem Sie Ihr Vertrauen schenken soll. Gott weiß, ich

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wollte nicht gern, daß dieser kleine liebenswürdige Engel an seinem Gesicht

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Gefahr liefe. Thun Sie mir zu Gefallen v Liebe, diese kleine Spatzierfahrt.

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Urtheilen Sie beßer von Leuten, die Ihnen noch zu unbekannt sind; von mir, wie

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zu alten Zeiten.

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Ich wünsche also nichts mehr als Ihren Besuch. Sie können wenigstens

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Ihr Urtheil über diesen Zufall fällen v. einen WundArtzt vorschlagen, der in

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dergl. Krankheiten glückl. v. am geschicktesten ist. Es ist mir lieber daß Sie

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meinem Wink v einem zärtl. Triebe uns einander zu
sehen als
einen ordentl.

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Ruf fordern. Das erste wird Ihnen keinen Anlaß geben misvergnügt zu

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seyn. Sie können in einem Tage frühe genung zurückkommen um Ihre

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Patienten noch alle zu besuchen. Ich kann Ihnen nicht alles
sagen
schreiben

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was Ihnen mündlich zu sagen mir vorgenommen. Hundert andere

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Angelegenheiten werden mir Ihren Besuch angenehmer machen.

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Beyliegendes Buch
nicht ermittelt
Vetter
nicht ermittelt
Beyliegendes Buch schicken Sie zum Vetter mit der Entschuldigung, daß

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unplanirt
nicht gebunden
selbiges unplanirt wäre. Er weiß daß ich keine solche Bücher halte, mit der

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Historie
nicht ermittelt
Anfrage was der vorige Band für die Historie der
Constitution
kostet.

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Weil ich Sie morgen selbst zu sehen gedenke so werde keine Antwort als

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eine persönl. v mündl. erwarten. Ich bin voller Erwartung voller Vergnügen

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auf Ihre Umarmungen Dero ergebenster
Hamann.


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In der größten Eil.

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Es soll Ihnen um die wenigen Stunden, nicht leyd thun, die
S
wir hier

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zusammen zubringen wollen.

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Adieu. Kein Zwang! Lauter treuherzige Freundschafft v Freyheit!


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Adresse mit rotem Lacksiegelrest

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Mitow
Mitau, heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
à Monsieur / Monsieur Lindner / Docteur en Medecine à /
Mitow
/

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Mit eine
r
m /
Paudel
Buch. /

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 3 (3).

Bisherige Drucke

ZH I 163 f., Nr. 66.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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sehen als
]
Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955):
lies
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Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): sehen
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