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S. 378
Kgsberg den 22 April 82.

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An HE Müller in Schafhausen.

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Sie erhalten hier die leere Hälfte Ihrer gütigen Zuschrift vom 3 März

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ausgefüllt wider zurück – wenigstens mit dem Schein des richtigen Empfangs

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– statt einer förmlichen Antwort auf den mir angenehmen Innhalt Ihrer

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guten Gesinnungen, die ich beßer zu erkennen als zu erwiedern im stande

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bin.

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Jeder Schriftsteller ist hierin ein
schöner Geist
, daß ihm die Eroberung

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eines neuen Lesers schmeichelt und ein wenig Bulerey scheint zum Handwerk

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zu gehör
ig
en, oder vielmehr zum Beruf – –
neque enim mihi cornea

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fibra est.

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Wir haben das Gute, das wir von einander wißen,
Einer Qvelle
zu

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verdanken. Da wir nunmehro in einer gleich weiten Entfernung von dieser

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Qvelle und von ihrem wohlthätigen Genuße leben: so wollen wir selbige zu

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einem gemeinschaftlichen Heerde oder Brennpunct unsers gegenseitigen und

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wechselweisen Andenkens machen.

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Ich wünsche Ihnen also zuförderst zu Ihrer glücklichen Heimkunft in Ihr

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liebes Vaterland Glück, bitte meine 3 Zürcherfreunde, die Herrn Lavater,

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Pfenninger und Häfeli bey Gelegenheit herzlich zu grüßen, auch unbekannter

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weise den Verfaßer eines sehr erbaulichen Drama für das Landvolk – Ich

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weiß weder recht seinen Namen noch Aufenthalt – Aber so viel weiß ich, daß

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ich mit einem fahrenden Ritter beyde Indien durchstreift, überdrüßig seiner

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Dulcineen und Oelgötzen –

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Auditis? an me ludit amabilis

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Insania? – – – –

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Aber
I
in Lienhards und Gertrud Maurer-Hütte sah ich Erscheinungen

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einer ächteren Philosophie und Politik, als in
Raynals
10 Theilen ost- und

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westindischer Mährchen –

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Komt Ihnen die Hut und Warte des Ihnen zubereiteten Weinberges so

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beschwerlich vor? Bedenken Sie, würdiger junger Mann und Freund, bey

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jeder Tageslast und Hitze, das Ende –

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Wie gut wird sich’s doch nach der Arbeit ruhn!

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Wie wol wird’s thun :,:

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Bitte mir den Namen und die Gegend Ihrer stillen Landpfarrey zu melden,

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um meinem ältesten und einzigen Sohn die Anweisung auf seine

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bevorstehende Wanderschaft allenfalls mitgeben zu können.

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Alles schläft um mich, und ich bin ungern der letzte, auch meiner Gedanken

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und Sinnen nicht mehr ganz mächtig, wegen äußerer und innerer Schwäche.

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Empfehle Sie also göttlicher Obhut, mich Ihrem geneigten Andenken.

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Johann Georg Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 63.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 246–248.

ZH IV 378 f., Nr. 647.