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Kgsb den 8 Febr. 82.

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Herzlich geliebtester Freund

7
Den 29
pr.
kam Ihr Fäßchen
Caviar
an und ist auch sogl. auf Ihre

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Gesundheit von der ganzen Familie verzehrt worden, auf Ihr Wohlergehen. Er

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war vortreflich –. Vorgestern wurde sehr durch eine Einlage, welche mir HE

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Isaac Levin
zuschickte, beunruhigt; gestern Morgen, da ich eben in Begrif

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war Erkundigungen einzuziehen, erhielt wieder eine Einl. durch HE

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Goldschmidt, und wurde beruhigt. Sie sehen, daß die Schuld nicht an mir gelegen,

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und ohngeachtet meiner
indolence
und
langueurs,
woraus mein Leben besteht,

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bleib ich doch ungern Freunden eine Antwort schuldig. Morgen denk ich mit

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der Vergleichung der Humischen Uebersetzung von Adv. Schreiter zu Ende

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zu kommen, worinn 3 grobe Druckfehler, Atheist für Theist, eine ausgelaßene

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negation,
die einen verkehrten Sinn giebt, und die Auslaßung einer poetischen

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Stelle das vornehmste sind. Die philosophische Genauigkeit ist durch den

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affectirten
Purismum
und die sehr uneigentl. Umschreibungen mancher

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Kunstwörter verdunkelt und beynahe bisweilen verhudelt worden.

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HE
D.
Schlegel wird vermuthl. Anzeigungen zur
Praenumeration
auf

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unsers Cons. Raths Bock wirthschaft. Geschichte von Preußen erhalten haben.

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Ich besuchte letztern zufälliger weise, der bisher nicht mehr als 5

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Pränumeranten aufzuweisen hat. Suchen Sie sich doch dieses in alle Wege
nützl
. u

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mühsamen
Werks so viel Sie können, aus patriotischer Nachbarschaft

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anzunehmen, und wo mögl. durch unsere Landsleute in Petersb. worunter auch,

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wenn ich nicht irre, ein gewißer Prediger Wolf gehört, die Ausgabe zu

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befördern. Laßen Sie sich dieses mein Anliegen empfohlen seyn und antworten

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Sie darauf.

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An Kleukers Nachtrag zur Zend-Avesta fehlt der Bogen
Q
im
II.
Theil

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S. 121–128. Der Custos ist das Wort:
Vierte
. Ich schickte sogl. zum

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Buchbinder das Exemplar, es hat aber nicht können wegen dieses
Defects

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gebunden, sondern muß
ad interim
blos geheftet werden. Sie werden ohne

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mein Bitten bey Gelegenheit dafür sorgen.

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Den 1
huj
ist endl. Gevatter Claudius Arche angekommen. Der
The
ist

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vortrefl. verwahrt gewesen, und ohne daß ich weiß wie es zugeht, von unsers

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Freundes, der ihn
recta
mit einer
Caravane
erhalten, an Kraft u Wirkung

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sehr verschieden und demselben überlegen. Klopstocks Meßias soll wills Gott!

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diesen Sonntag
Esto mihi
eingeweiht werden. Ein sehr schönes Kupfer vom

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Düßeldorfer
Jacobi
nebst dem
I
Theil seiner Werke habe auch erhalten.

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Eben jetzt lese die prächtige Ausgabe der Briefe und vermischten Werke

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des Lord Chesterfield in 4 grossen 4
o
Bänden, welche 40 rth in Engl. kosten

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sollen. Die Briefe an seinen Sohn haben mir in der Uebersetzung eben nicht recht

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gefallen, daher ich nur die zwey ersten Theile gelesen. Aus der Qvelle schmecken

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sie mir beßer, ich habe eben das zweyte
Volumen
der Briefe angefangen und

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kann nicht aufhören.

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Mein Hänschen hat seine 14te Stunde heute im pollnischen gehabt u findet

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mehr Geschmack an der Sprache als ich ihm zugetraut. Er übersetzt schon

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den ersten Gesang des
Woyna Chocimska
vom Bischof von Ermland.

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Haben Sie heute Nachrichten aus Zürich? Gott schenke Ihnen doch

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Gesundheit und Kräfte zur Meße und Reise. Kapellmstr. Reichard wird hier mit

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seiner ganzen Familie erwartet – auch von mir, mit meinem Hamb. oder

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Wansbecker Rauchfleisch und Flasche Malaga.

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Zum neuen Verlage wünsche Ihnen Glück. Auf den kleinen Nachtrag zur

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Kritik warte mit mehr Antheil. Hier komt monathl. ein Bogen zu den

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Hartungschen Zeitungen heraus, unter dem Titel: Raisonnirendes Verzeichnis –

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davon ich heute die erste Probe gelesen. John, Brahl, Mohr u d. gl. scheinen

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die jungen Raisonneurs zu seyn. Wenigstens hat man das Vergnügen die

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Idee
des alten Unternehmens nunmehr wirklich realisirt zu sehen – Alle

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meine Kinder sind zum Nachbar Miltz oder vielmehr seiner kleinen Tochter

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abgeholt worden, und mir thut es recht bange so einsam zu seyn.

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Wenn Sie was vom Freund George wißen, so melden Sie mir. Empfehlen

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Sie mich seinem HE Bruder. Leben Sie mit Ihrem ganzen werthen Hause

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recht wol. Hänschen u seine Schwestern sagen Ja! Ja! im halben Schlaf,

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wie ich auch diesen Brief schließen muß. Und hiemit Gott empfohlen.
au

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revoir
von Ihrem alten Freunde

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Johann Georg Hamann.


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Adresse mit Lacksiegelrest:

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HErrn / HErrn Hartknoch / in /
Riga
.


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Vermerk von Hartknoch:

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HE Hamann in Königsberg

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Empf den 9
Febr
782

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 237.

ZH IV 365 f., Nr. 642.

Zusätze fremder Hand

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Johann Friedrich Hartknoch