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344/4
Kgsb. den 23
Nov.
81.

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Herzlichgeliebtester Freund,

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Ihr langes Stillschweigen hat mich sehr beunruhigt, und noch mehr die

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bereits vor einiger Zeit erhaltene Nachricht von einer schweren Krankheit, die

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Sie befallen, ohne daß es mir mögl. gewesen nähere Umstände von Ihrer

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Beßerung zu erfahren. Gott wolle Sie doch erhalten und stärken, daß wir

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uns künftiges Jahr einander sehen. Steiger in Winterthur freut sich schon

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auf Ihre Ankunft. Ich erhalte den 2ten Brief von ihm wegen der

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Schellenbergschen Kupfer. Er hat meine erste Antwort gerade umgekehrt verstanden.

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Des
Christiani Auction
ist diesen Montag angegangen, HE
Courtan
hat aber

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erst Mittwoch Ihre
Specification
erhalten, und brachte mir eben Ihre Einl.

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wie ich auf dem Wege zu seinen Eltern war, die ich seit langer Zeit nicht

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besucht hatte. Es ist mir wenigstens eine Freude gewesen Ihre Hand zu sehen.

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Von Weygand selbst habe einen Brief den 11
huj.
erhalten nebst seiner

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Verlagsliste, woraus ersehen, daß ihm mein Brief vom 21
Julii
unter Wagners

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Einschluß nicht zu Handen gekommen. Ihr mitgetheiltes
Billet
hat mir

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wenigstens zur Auslegung seines Schreibens gedient. Ihr
Concipient
scheint zu

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dem ganzen Misverständniße Anlaß gegeben zu haben.
Ich bin herzlich

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froh
, daß ich mit meiner Arbeit zu Hause geblieben bin, und werde auch

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nicht eher anfangen, bis alle die
lumina mundi
ausgeredt haben. Ich warte

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mit Sehnsucht auf die Plattnersche Ausgabe, das 8 Bogen lange

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Wintergespräche, und die Uebersetzung. Hier geht alles saumseelig. Es hieß daß

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Hartung alle Sachen zu Lande kommen ließe, noch aber ist wenig zu sehen und

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zu hören. Der neue Buchladen hat noch keine Nachricht aus Lübeck. Das

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zweete, worauf ich warte, ist Kants
Auszug
oder
Lesebuch
, und ich wünschte

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wenigstens von Ihnen zu erfahren, ob die Arbeit schon unter der Preße ist,

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und wenn selbige fertig werden möchte. Seine Kritik lese gegenwärtig zum

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dritten
mal – und vielleicht zum vierten – Den besten Schlüßel erwarte in

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dem neuen Buche, und bitte mir daher von dem Anfange u Fortgange

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deßelben Nachricht zu geben, ob Sie es schon in Ihrem Verlage haben oder wenn

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Sie es bekommen werden. Was ich Ihnen neulich von meinem
Schiblemini

S. 345
geschrieben, sehen Sie als nicht geschrieben an. Der Titel möchte wol bleiben,

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aber von dem Innhalt und dem Plan ist noch nichts bey mir reif und

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zeitig. Kommt es zum Verlag; so bieth ich Ihnen zuerst an. Haben Sie keine

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Genüge, so kommt die Reyhe an unsern neuen Laden. Erhalt ich hier auch

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einen Korb; so ist es mir gleichviel, ob W. oder ein anderer sie bekommt; aber

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Beyl. zu seinen Fabricanten und Plattnern sollen meine Arbeiten nicht werden.

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Es lohnt aber fast der Mühe nicht von ungelegten Eyern mehr zu reden. Für

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mich ist es genug, daß
Hume heraus ist
– und ich nicht der Uebersetzer bin.

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Aber die gedruckte u ungedruckte Uebersetzung vergleichen zu können, soll ein

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rechtes Fest für mich seyn. Unser liebe Herder hat mir gestern mit einem lang

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erwünschten Briefe erfreut. Grüßen Sie doch meinen alten Freund
George

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Berens
bestens und tragen Sie auch so viel Sie können bey dort den

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Christoph Neumann
gut unterzubringen. Er ist ein guter Freund meines

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Michels, und ich habe eine gute Meinung damals von dem jungen Menschen

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gefaßt, der eine gute Anlage zu haben schien – nur nicht zum Studieren.

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Wenn Sie Ihr Meßgut in Ordnung gebracht haben: so geben Sie mir

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doch ein wenig Nachricht von Ihrer Gesundheit. Wenigstens
Kleuker
erwarte

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durch Ihre Güte; vielleicht ist Ihren Sachen das ganze verlorne Päckchen

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beygelegt. Heute besuchte mich HE
Courtan
und ihm hab ich den geflickten

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Bogen zum
la Mare
zum Uebersenden anvertraut, bitte auch den Preis für

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den
Buffon
und die versprochene Theile der Fortsetzung nicht zu vergeßen –

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Meine Einnahme wünschte auch an HE
Courtan assignirt
zu sehen; weil

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ich fremdes Geld gern, so bald wie möglich, los seyn mag. Gott seegne Sie

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und die lieben Ihrigen mit allem Guten!! Hänschen ist des Grafen v.

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Kayserlingk
Commissionär
auf der
Auction,
hat
carta blanca,
u für Kants

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Schätzung der lebendigen Kräfte 4 fl.
Bodini Theatr.
5
d
o
bezahlt, desto wohlfeiler für

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sich u seinen Vater,
Rorarius
4 gl.
Garzoni Piazza
d
o
.
Marianchen ist vorigen

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Sonntag vor 8 Tagen in ihr 4tes u die Abcschützin Lehnchen wird den 1
Adv.

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in ihr 8tes Jahr gehen. Alles wol Gottlob! nur Hänschen hat seit einigen

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Wochen in Stammern u Stottern so
avancirt,
daß mir Angst u Bange wird

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für den armen Schelm. Ob er polnisch oder franz. anfangen wird, ist noch

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nicht ausgemacht. Ich umarme Sie als Ihr alter Freund u Diener u Schuldner

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Joh Georg Hamann.


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Auf der Adreßseite:

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Haben Sie viele
Kritiken
in der Schweitz abgesetzt? wenn diese Frage

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nicht zu vorwitzig ist.


S. 346
Adresse mit Siegellackrest (Kopf des Sokrates nach links):

2
HErrn / HErrn Hartknoch / Buchhändler / in /
Riga.


3
Vermerk von Hartknoch:

4
HE Hamann in Königsberg

5
Empf den 29
Nov
1781

6
beantw
d
9
Dec
1781

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

ZH IV 344–346, Nr. 635.

Zusätze fremder Hand

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–6
Johann Friedrich Hartknoch