633
334/12
Kgsb. den 15
Sept.
81.

13
Nun Herzens H. heut vor Acht Tagen erhielt Ihren lieben Brief, den ich

14
nicht eher als den Abend beym Schlafengehen zu Ende lesen konnte. Da

15
kamen die beyden
Lieut.
von
Bentevegni
u Hoghendorp und eben wie wir

16
über den
Shakesp.
saßen,
Prof.
von Schwarz mit einem Päckchen von

17
Hartknoch – und wie die Woche zu Ende gieng, ebenso fieng sich diese an.

18
Gott Lob und Dank, daß alles bey Ihnen wieder auf guten Gleise geht.

19
Hier gehen tägl. Sterbeglocken, für jung und alt. Nach Verhältnis der Erndte

20
dörfte die Weinlese noch stärker fallen. Die rothe Ruhr ist fast allgemein,

21
und noch betrübtere Nachrichten erzählt man vom Lande in Ansehung der

22
Menschen so wol als des Viehs; wiewol auch viele Lügen und

23
Vergrößerungen dabey unterlaufen. Meiner Hausmutter Schwester, ihr Mann, u einer

24
andern Schwester Tochter, die bey mir gedient, liegen auch u beunruhigen

25
uns wenigstens. Ob mein Haus vom WürgEngel verschont bleiben wird,

26
weiß Gott am besten. Wenigstens bißher Ihm sey Lob und Dank! befindt sich

27
alles nach Herzenswunsch – bis auf meinen alten grauen Kopf, der im
ewigen

28
Taumel und Schwindel ist ohne selbst zu wißen, was ihm fehlt, als daß er

29
nicht an seiner rechten Stelle
daheim
ist.

30
Die glückliche Entbindung hat mich immer ein wenig besorgt gemacht.

31
Freude und Leidenschaft geben uns Kräfte, die nicht dem Körper gehören,

32
und immer auf seine Kosten ersetzt werden müßen. Das kleine Myrrthen- und

33
CypreßenZweiglein von der lieben schönen Mutterhand hat mich sehr gerührt

S. 335
und der Rahme dafür ist schon besorgt. Nächst Ihrer unsterblichen Liebe stehe

2
unsere Freundschaft sonderlicher als Frauen-Liebe.

3
Daß ich neulich vergeßen Ihnen den richtigen Empfang der französischen

4
Gabe
de la Verité et des erreurs
zu bescheinigen, geht ganz natürlich zu.

5
Ich schreibe bisweilen so stark in Gedanken, daß wenn ich zum Papier komme,

6
so erschöpft bin, als wenn ich mich schon gantz ausgeschrieben hätte, und oft

7
gnug mich nicht besinnen noch unterscheiden kann, was ich habe schreiben

8
wollen und wirklich geschrieben habe. Meine Meynung Ihnen zu sagen: so

9
hab ich das Buch zwar mit vielem Hunger, aber wenig Gedeyen gelesen.

10
Vielen von den Brüdern hat es beßer geschmeckt als mir, und als ich es

11
Ihnen zugetraut. Ein Kaufmann zu
Lion,
Villarmosean
ist mir als der

12
Verf. genannt worden, und gegenwärtig wird es zur
Subscription
den Logen

13
wie ich gehört, aufgedrungen. Die 3 Buchstaben
C–H–R p.
538 hat mir

14
niemand entziffern können. Manche Vorurtheile sind handgreiflich; der

15
prahlerische Schleyer macht mir auch das Gute verdächtig. Meine mystische

16
Begriffe von der Sprache sind wenigstens von des Verf. seinen sehr verschieden.

17
Hätte wol lieber Ihr Urtheil gewünscht, da Sie die Symbolen beßer als ich

18
verstehen müßen, und ich überhaupt meinem eigenen Urtheil nicht traue. Um

19
ein Beyspiel anzuführen, so muß ich Ihnen sagen, daß mir das kleine

20
Fragment aus
Hemsterhuys
zum dritten mal beßer eingeleuchtet als die beyden

21
ersten male. So sehr ich mich auch auf den fünften Theil Ihrer Briefe freue:

22
so wünschte doch auch den
Andreä
von dem ich immer geglaubt, daß er schon

23
längst fertig läge.

24
Gegen Wagner haben Sie
in puncto
der Bestellungen und Aufträge keinen

25
Verdacht. Mit dem neuen Laden dörfte es wol ein wenig schwer u langsam

26
gehen. Hartung ist durch den Tod seines Schwiegervaters in Tilsit ein reicher

27
Erbe wie man sagt geworden, und thut sein Bestes die jungen Anfänger zu

28
überwiegen. Sein Laden ist aber für mich verschloßen, und mein Umgang

29
zieht sich immer enger zusammen, daß ich fast aus aller Verbindung komme.

30
Journale
u keine gelehrte Zeitungen bekomme ich beynahe zu sehen, nicht

31
ein mal die hiesigen – denen ich freywillig entsagt, weil Wagner die hiesigen

32
Parasiten, welche sich auf 60 belaufen, alle ausgestrichen. Ungeachtet er mir

33
die Fortsetzung, als dem ersten Anfänger des zeitigen Recensentenunfugs,

34
aufdringen wollen, habe ich gleichwol Verzicht darauf gethan. Brahl ist auch

35
aus meinem Hause gebannt. Kraus komt nicht anders als ein Buch zu holen

36
und arbeitet immerfort an der zweyten Hälfte seiner
Disputation.
Bleibt

37
mir also noch Kreutzfeld übrig, und die beyden oben genannte
Offici
er – und

S. 336
was von selbst in meinen Taubenschlag geflogen kommt. Meine

2
heavtontimorumenische Gesellschaft hab ich übrigens keine Lust mehr jemanden

3
aufzudringen. Besuche fast also gar nicht mehr den Oberhofprediger noch meinen

4
Beichtvater, noch das
Jacobi
sche, noch
Courtan
sche noch Müllersche Haus,

5
wo Kraus
exclusive
verkehrt.

6
Ohngeachtet die Sommerstunden sich mit 7 Uhr anfangen, steh ich selten

7
vor 6 auf; kommt nach dem Morgenseegen der leidige
Coff
e. Ein Kapitel
p. t.

8
im Brief an die Römer und einige Verse im
εδαφῳ
des
Exodi
werden mit

9
Hänschen
durchgepeitscht
denn geht es vor oder auch nach 8 spornstreichs nach

10
der Loge, wo ich nichts als lese,
p. t. Buffons Histoire des Oiseaux,
auch

11
wol zum
Intermezzo
Berthold Vater u Sohn – Vor dem Eßen wird im

12
Ab- u Zugehen eine
Scene
im Terenz durchgelaufen. Vom Tisch zur
Iliade

13
des Homers, um 2 zur Loge bis gegen 6 Uhr. Im Ab und Zugehen wird

14
Caffé
getrunken u ein wenig Englisch
p. t. Tatler exponirt,
alles im Fluge.

15
D
Nach den Stunden kommen die beyden
Martis
Söhne auf den
Hamlet
zu

16
Gaste.
Bentevegni
schliest bisweilen mit einer
Scene
aus dem
Metastasio.

17
Denn kommt doch noch bisweilen Kreutzfeld oder ein anderer zum

18
Butterbrodt u Pfeifchen. Das Lesen und Schreiben bey Licht geht auch nicht mehr,

19
und
es
ich bin des Abends so marode, daß ich bisweilen den Nachtwächter

20
nicht abwarten kann.

21
Die Sonntage habe ich der
Bibliothecae Fratrum polonorum
geweyht,

22
welche ich den heillosen Einfall bekommen habe anzufangen, wiewol es mehr

23
der Wink eines andern als mein eigener Einfall ist. Den Schabbath hab ich

24
noch für einen Israeliten Eichel oder Itzig aufgehoben, der sich zum

25
Studiren
applici
ren will und sich um meinen Sohn im hebr. verdient macht.

26
Hierin besteht also das Gemälde meines eiteln Wandels und tägl.

27
Lebenslaufs. Aus dem Eckel deßelben läßt sich eben nicht ein günstiges
Horoscopium

28
für meine künftige Autorschaft stellen, die von 2 Umständen abhängt,

29
nemlich der Uebersetzung des Hume, und daß Kant mit dem Auszuge seines

30
größeren Werks fertig wird, den ich nöthig habe um dieses so vollkommen wie

31
möglich zu verstehen. Er hat mir u Hartknoch den Verlag zugesagt und die

32
Arbeit soll nur einige Bogen betragen. Diese Kürze ist ebenso ein Problem

33
für mich, als das
Volumen corpulentum.
Wenigstens seh ich es für meine

34
Pflicht an, den Mann gantz ausreden zu laßen. Wegen des ersten Puncts

35
theile ich Ihnen folgende
Copiam
mit aus Hartknochs Briefe vom 11
Aug.

36
st. v.
mit „Weygand habe ich vor kurzem auch gebeten mir den Namen des

37
Uebersetzers von Hume und woraus seine Beyl. bestehen werden, zu

S. 337
melden. Ich darf Ihre Uebersetzung nicht mehr drucken. Auf Ihr Wort (da ich

2
Ihnen von einer
Collision
meldete) daß
s
Sie
i
Ihre Uebersetzung
ad Acta

3
reponi
ren wollten, hab ich ihm den alleinigen Verlag feyerlich zugestanden.

4
Was aber Ihre Beylagen betrift: so bin ich bereit sie in Verlag zu

5
nehmen“ –

6
Ich habe den 21
Jul.
selbst an Weygand geschrieben, der in Holland aber

7
sich aufhalten soll. Die beste Antwort wäre mir ein Exemplar seines Verlages

8
oder die Anzeige im bevorstehenden Meß
Catalogo
von der Erscheinung der von

9
ihm angekündigten Uebersetzung. Sie sehen daraus, HerzensFreund! daß

10
wenigstens
Umstände
mit meinem Eigensinn, wie man ihn nennt, parallel

11
laufen. Unterdeßen kann ich Ihnen die Grille nicht verschweigen, daß ich

12
mir ich weiß nicht was für ein Fest in Gedanken daraus mache jene

13
Uebersetzung mit der meinigen in der Stille vergleichen und das Urtheil meiner

14
hiesigen Freunde darüber prüfen zu können.

15
Biß jene Umstände also entschieden sind, kann ich keinen Plan zu meinem

16
Opusculo
machen, sondern muß warten, welches mich niemals gereut hat,

17
und den besten Vers giebt die Muse
Indignatio
ein.

18
Ihren Geburtstag habe mit einem langen Briefe an Reichard gefeyert, dem

19
ich eine Antwort auf die Empfehlung des von Hoghendorp schuldig war und

20
allerhand mehr zu schreiben hatte. Dieselbe Woche war zum Abendmal, u

21
hatte denselben Abend den heftigen Schreck daß ein Freund meines Sohns,

22
der junge Müller in unsern Teich fiel, wo er hatte ersaufen können, ohne daß

23
ich einmal von seinem Besuch etwas gewußt hatte. Gieng alles Gottlob!

24
ohne Schaden u Verdruß noch Folgen ab. Meine Beichte war der letzte

25
Buchstab des längsten Psalms. Meine Absolution war v. 25. und den Staub

26
deutete ich auf die
Bibl. Fr. Polonorum.


27
Den 17 –

28
Ich wollte gestern eben anfangen zu schreiben wie der polnisch reformirte

29
Prediger
Wanowski
und Kreutzfeld bald darauf mich besuchten, biß es

30
finster wurde. Nach einer wider meine Gewohnheit schlaflosen Nacht bin

31
ich genöthigt heute zu Hause zu bleiben. Vorigen Mittwoch besuchte mich Pf.

32
Fischer
der im
Licent
zu thun hatte wegen der von seiner Mutter

33
angekommenen Sachen, die vermuthl. her ziehen wird. Er meldete mir, daß es eben

34
seines einjährigen Sohns Geburtstag wäre, und selbiger in letzten Zügen

35
läge. Sein Schwager,
Secr.
auf der
Accise, Naugardt
war ein paar Tage

36
vorher gestorben. Also i
st
n doppelter Trauer. Er trug mir auf seine

S. 338
freundschaftl. Grüße u Entschuldigungen daß aus seinem langen Briefe noch nichts

2
geworden.

3
Fausti Socini
Fragment über die
Bergpredigt
habe zu Ende gebracht,

4
aber auch nicht viel Licht gefunden über dies schwere Stück der evangelischen

5
Geschichte. Eine sehr merkwürdige Stelle über den Anfang des Ev. Johannis

6
ausgeschrieben, die einer Weißagung und Lästerung sehr ähnlich sieht. Ihr

7
Urtheil über die Geschichte des Chil. ist völlig das Meinige, ohne die Qvellen

8
zu kennen; er gesteht selbst compilirt zu haben. Man hat es mir ausdrückl.

9
versichern wollen, daß die Schrift vom Ursprung u Wachstum der menschl.

10
Erkenntnis nicht von demselben
Irwin
seyn soll, und er würde dadurch sehr

11
in meinen Augen verlieren. Auf Plank bin sehr neugierig; hier ist noch nichts

12
zu haben von ihm. Ey! der Verf. von der Apol. der Vernunft? Sein erbaul.

13
Bekehrungsroman am Ende krönt das Werk

14
Den ersten Theil vom
Tableau de Paris
habe auch mit vieler Mühe

15
bekommen. Er gefällt mir doch beßer als sein
Art Dramatique.
Die neue

16
Ausgabe von
Raynal
unphilos. u unpolit. Geschichte kann kaum erwarten, so

17
neugierig hat mich des
Procureurs
Auszug darnach gemacht, welchem

18
zufolge er zum Scheiterhaufen verdammt worden.

19
Was der
Antonio
von Göthe bedeuten soll in Ihrem Briefe, verstehe ich

20
nicht. Nach dem
gerechten Momus
, der auch vermuthl. ein Pasqvill auf

21
Sie enthält, hab ich mich auch umsonst erkundigt. Für Ihre theol. Briefe

22
seyn Sie unbesorgt. Je mehr man sie liest, desto beßer schmecken Sie. Eine

23
Uebersetzung von Hemsterhuys Schriften wurde einmal wo ich nicht irre,

24
längst angekündigt; habe aber niemals etwas zu Gesicht bekommen können.

25
Schlözers Briefwechsel habe mir auch vorgenommen
ab initio
zu lesen,

26
da HE von Auerswald sich ihn angeschaft. Ich habe nur einzelne Stücke

27
zufällig ansehen können. Ihre Beyträge zum Mercur werden mir sehr

28
willkommen seyn.

29
Hegelmeier über die jesuitische Betrachtungen ist ein recht gutes Buch. Ich

30
wünschte mehr von dem Mann zu lesen, habe aber nichts auftreiben können.

31
Kennen Sie seine Selbstgespräche. Eiferts Untersuchung hat ungeachtet seiner

32
gesetzlichen langweiligen Methode gute Gesinnungen. In ihm glaub ich eine

33
Anspielung auf die
Chevila
gefunden zu haben, woraus ich schließen möchte

34
daß selbiges mehr in Zeichnungen als Buchstaben besteht. Ich weiß nicht,

35
wie man so gleichgültig gegen des armen Propheten nachgelaßene Schriften

36
seyn kann, und daß es Ihnen nicht möglich fällt sich und mir Licht darüber

37
zu verschaffen. Es ist wirklich eine außerordentl. Urkunde für mich
ü
s
ber
den

S. 339
Ursprung der Sprachen. Wie weit liegt der Ort von Ihnen? Gieng es nicht

2
an durch Dahlberg oder Zimmermann oder Gleim. Der astronomische Theil

3
der nicht verdiente gerügt zu werden, hat das Beßere unterdrückt. Sollte sich

4
keine Academie der Handschriften annehmen? Weiß man keine

5
Familienumstände oder hat sonst Nachrichten von der Person des Manns. Nun wenn

6
Hartknoch künftig Jahr nach der Schweitz geht, will ich noch den letzten

7
Versuch machen. Ich denk mit dem Abdruck des Falk hat es auch so lange Zeit.

8
Pour la rareté du fait
sollen Sie auch Krausens
Disp.
miterhalten, wenn der

9
zweite Theil zur Welt kommen sollte.
D.
Köhler hat schon seine beyde

10
Meisterstücke fertig über das letzte Kapitel des
Coheleth,
sucht nach einem

11
Respondent
en
cum beneficio.
Ein geitziger Mann – der sich
sans façon
(auf des

12
Ministers Wort) auch die
Survivance
auf die griechische
Profession
des
D.

13
Bock
hat zueignen wollen. Dieser Zug hat mi
ch
r seine Bekantschaft sehr

14
gleichgiltig gemacht, daß ich mich um ihn u seine Gelehrsamkeit noch nicht

15
bekümmert habe, von der man übrigens gute Vermuthungen hat.

16
Der Großkanzler ist hier u Hippel wird als StadtPräsident und Geh.

17
Rath, sagt man, nächstens erwartet, welches wahrscheinl. ist
quâ Chef
des

18
CriminalCollegii. Aus seiner Reise wird also nichts werden. Ob Hoghendorp

19
über Weimar gegangen oder noch gehen wird zweifele auch. Vielleicht komt

20
dafür HE
Prof. à
Schwarz aus Moscau, ein geborner Siebenbürger, der

21
wie es scheint in Ordensgeschäften nach Braunschw. geht, einen zieml. Ansatz

22
zum
Adepten
hat, mich mit gelehrten Wildbret aus Moskau weidl. beschenkt

23
hat, welches für meinen Hans aufgehoben ist worunter das wichtigste
Sect.

24
1.
Part.
1. des Matthäischen
Catalogi
von den dortigen
Mst
en ist. Seinem

25
Bericht nach liegen noch 5 Abschnitte fertig, es fehlt aber am
Fonds
zum

26
Druck. Sie kennen die asiatische Pracht. Er hat dem Kayser bey seinem

27
damaligen Aufenthalt ein Handbuch des deutschen Styls zugeeignet, ersuchte

28
mich aber ihn nicht nach diesem
Echantillon
zu beurtheilen. Hartkn. empfahl

29
ihn mir als seinen Freund und rechtschaffenen Mann – Er hat mir wenigstens

30
den Einfall gegeben meinen Sohn zum pollnischen anführen zu laßen,

31
worüber auch schon gestern mit
Wanowski
Abrede genommen. Das franz.

32
kann warten.

33
Mein kleiner Pathe August ist ein braver Knabe, daß er sich seines alten

34
Pathen freut ohne noch den geringsten Anlaß dazu erhalten zu haben. Gott

35
seegne Ihn zum großen Mann!
DEVS prouidebit –
Die Hofnung uns

36
einander noch zu sehen, ist mir so lieb als das Leben, und beydes hängt an

37
Einem Faden und von Einer Hand ab!

S. 340
In der Welt habt ihr Angst; aber seyd
getrost —
Der Fürst dieser Welt

2
mag uns so schwarz vorkommen wie er will; so ist er des lieben Gottes sein

3
Diakonus, und der heilige Geist schwebt auch in
dies
deßen Kapelle – und über

4
dieser Sündfluth als Rabe als Taube. Alles ist gut und den Reinen ist alles

5
rein. Des Sancho Pancha Transcendentalphilosophie ist mir so heilsam, wie

6
des Samariters Oel und Wein. Gönnen Sie jenen Leuten ihr Element, wenn

7
sie sich wol darin befinden, und bleiben Sie in dem Ihrigen.

8
Ita plerique ingenio sumus omnes: NOSTRI NOSMET POENITET.

9
Auf die abgebrannten Kanonen werde auch in den Zeitungen Acht geben

10
laßen, und nehme ungeachtet meiner unendlichen Entfernung auch an diesem

11
entwickelten Blatt
Antheil.

12
Gott schenke Ihnen und den lieben Ihrigen nur Gesundheit, und laße Heil

13
und Seegen, Ruhe und Freude in Ihrer Zionsburg u Abtey walten.
Quae

14
supra nos, nihil ad nos.
Alles übrige soll uns nicht anfechten. Meine Wüste

15
ist hier weit öder. Je mehr die Kinder anwachsen, je größer werden die

16
Sorgen, u desto weniger der Freuden. Keine Hülfe zu ihrer Erziehung, besonders

17
beyden Töchtern
k
kein
homogener Umgang, und der leidige Trost, daß die

18
Schuld an mir liegt, und ich dieses Genußes nicht mehr fähig bin. Daher mich

19
immer mehr zurückzuziehen suche. Schade um die Zeit u Mühe welche es Ihnen,

20
bester Herder,
kosten,
muß, mein Geschmier u leeres Gewäsche zu entziffern.

21
Aus Morungen weiß auch keine Sylbe. Was macht Ihr Morunger dort?

22
Eben jetzt erhalte
Möser
über die Litteratur. Göthe ist artig gerechtfertigt,

23
und die ganze Wendung politisch. Wer oder was ist der
Heyer
eines jeden

24
Jahrhunderts S. 27.

25
Mich selbst bedanken für das doppelte Zweiglein kann ich nicht; thun Sie

26
es auf
s
beste durch die zärtlichsten Grüße und Küße. Bitte wegen Ihrer

27
Vorrede nicht die Klaglieder zu vergeßen, als Erstlinge der Michelsmeße. Hab

28
ich sie doch schon besprochen.

29
Was ist das Meisterstück von
Filicaja
, das uns Richardson gezeigt? Sollte

30
Ihr Musäus nicht auch das Wertherfieber geschrieben haben, ein Büchlein

31
das ich mehr wie einmal gelesen, und mir nicht nach Würden scheint

32
aufgenommen zu seyn.

33
Sollte ich zum Werk schreiten und in meiner Autorschaft fort kommen;

34
so werd ich nicht unterlaßen Ihnen Nachricht zu ertheilen und mich Ihrer

35
christl. Fürbitte empfehlen. Der Titel soll seyn: Epistolische Nachlese eines

36
Misologen. Gott sey mit Ihnen und den Ihrigen, wie mit mir und den

37
Meinigen. Vorgestern haben wir Regen, gestern einen Regenbogen, und diesen

S. 341
Abend ohngeachtet eines bestirnten Himmel Blitze gehabt. Der Donner ist

2
wol vor dem Geschnarr 2 verrosteter Spinnräder und dem Gewäsche eben

3
so viel Strickerinnen mit ihrem Bruder
Polyhistor
nicht zu hören gewesen.

4
Marianchen hat das beste Theil erwählt und schläft. Will ihr nachfolgen,

5
und ersterbe   Ihr
alter treuer Freund Gevatter und Landsmann

6
Johann Georg H.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 227–228.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 217–222.

ZH IV 334–341, Nr. 633.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
335/11
Villarmosean
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Villarmojean
336/9
durchgepeitscht
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
durchgepeitscht,
338/37
ü
s
ber
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
über
340/1
getrost —
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
getrost – –
340/17
k
kein
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kein
340/20
kosten,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kosten