630
325/14
HöchstzuEhrender HErr und Freund,

15
Bin Ihnen schon lange etwas mehr als ein
Billet-doux
schuldig, oder

16
als ein
Postscript.
Nunmehr kann ich es
N
nicht
unterlaßen wenigstens

17
dies
vacuum
auszufüllen
.
Sie haben meinem Freunde bey Ihrem Auftrage

18
einen
guten Willen
zugetraut, und an dem hat es wenigstens bey uns beyden

19
nicht gefehlt, noch
daran
gelegen. Die öffentliche Ankündigung ist in den

20
hiesigen Zeitungen sogleich
beym
Empfang besorgt worden; aber in unsern

21
Gegenden herrscht eine große Kälte und Gleichgiltigkeit – und ein eben so

22
großer Mangel am
neruo rerum gerundarum.
Doch diese beyden Uebel sind

23
so
epidemisch
, daß es nicht der Mühe lohnt Beweise davon anzuführen.

24
Prof. Kreutzfeld ist überdem ein schwächlicher, schwindsüchtiger Mann und

25
meine Lebensart so lichtscheu und Maulwurf ähnlich, daß ich niemals weder

26
Geschick noch Glück zu dergl. Aufträgen gehabt habe und
lieber,
ohne als

27
mit Auftrag, mich intereßire. Daher ich Ihnen
in petto
gedankt, daß Sie

28
mich damit verschont. Wünschte, daß Sie in Curl.
u Liefl.
glücklicher

29
gewesen, wohin ich auch einen Wink gegeben, wiewol auch da meine

30
Verbindungen von keiner Bedeutung sind.

31
Da ich gegenwärtig mit meinem Sohn den Homer lese, und nichts als

32
ein Laye in dieser Sprache bin: so freu ich mich auf Ihre Arbeit und wünschte

33
besonders die Ausgabe Ihrer Erklärungen zu erleben, wozu Sie Hofnung

34
gemacht und wovon ich mich erinnere bereits Proben gelesen zu haben.

S. 326
Was macht Herr Boie? Wo und wie lebt Er
jetzt.
Ich bin ihm noch eine

2
Antwort
schuldig
– weil
ich gar nicht im stande gewesen bin Sein Verlangen

3
zu
erfüllen
.
,
und ich mich in dem Falle befinde, wo auch der römische Kayser

4
sein Recht verliert. Empfehlen Sie mich bestens Seinem geneigten Andenken,

5
und melden Sie ihm wenigstens, daß ich auch meiner alten Schuld noch

6
eingedenk bin, Trotz meinem höchst unglücklichen Gedächtnis, das sich noch

7
schlechter, wie die Butter in gegenwärtiger Jahreszeit hält.

8
Bey aller langen Weile die mich qvält, und bey der ich von einem Buch

9
zum andern taumele, wie sie mir der Zufall in die Hände spielt, weiß ich

10
bisweilen nicht wo ich meine Zeit hernehmen soll mein Tagewerk zu bestreiten.

11
Das Lucubriren und früh aufzustehen verbietet mir mein Alter und meine

12
Schlafsucht, die mit jenem zu wachsen scheint.

13
Vergeben Sie mir, HöchstzuEhrender Herr und Freund, daß ich Sie so

14
treuherzig mit den
Antithes
en meiner Bedürfniße und Umstände unterhalte.

15
Ich habe heute meinen jährlichen Kirchengang gefeyert, und da ich diesen

16
ganzen Sommer noch nicht aus dem Thor gewesen, so
bin in
Gedanken

17
reisefertig eine nah liegende Papiermühle mit meinen 4 Kindern und ihrer

18
Mutter zu besuchen auf einen oder anderthalb Tage. Die
molimina
und

19
Entwürfe zu dieser großen Wallfahrt
dati
ren
sich seit Ostern her – von

20
meinem alten Freund und Gevatter, gewesenen Verleger und Lotterie-Director,

21
nunmehrigen Papiermüller, Schriftgießer und Erbherren von und zu

22
Trautenau Johann Jakob Kanter – deßen
Bothschaft
oder Fuhrwerk ich alle

23
Augenblick vermuthe.

24
Mög es Ihnen doch an
häuslichen Freuden
– und an heraklitischen

25
Erfahrungen
ειναι και ενταυθα ΘΕΟΥΣ
(: Freund Asmus Berichten zufolge

26
scheinen Ihre beyderseitige Kindelbiere ziemlich parallel zu laufen:) – nie

27
fehlen. Gott laße alles was er Ihnen bisher geschenkt und ferner schenken

28
wird, gedeyen zu Seiner Ehr und Ihrem Trost bey den Mühseeligkeiten des

29
Schul- und Autorstandes, denn unser Publicum besteht, wie das alte

30
Griechenland, gröstenteils aus
Kindern
.
,
und aus einer Welt, die
betrogen seyn will
.

31
– – Haud mihi vita

32
Est opus hac – et Valeas –

33
wenigstens gesunder und zufriedner als   Ihr  

34
ergebenster Freund und

35
Diener

36
Johann Georg Hamann.

37
den 23. Aug.


S. 327
Voran geht ein Brief Kreutzfelds:

2
Königsberg. den 21
t
Aug. 1781.

3
Hochzuehrender Herr,

4
Die hier
beiliegende
Assignation
ist mir so klein und unbeträchtlich, daß ich auch

5
den geringsten Dank verbitte. Wenn ich statt dieser armseeligen zehn Pränumeranten,

6
ihrer hundert hätte gewinnen können, wie der Werth Ihres Werkes darauf Anspruch

7
machen kann, so hätte ich mich schon eher gerade an Sie gewandt, um Ihnen für den

8
ersten Auftrag zu danken, mit dem Sie mich vor einem Jahre beehrten. HE. Hamann

9
ist Zeuge, daß ich nicht aus Gleichgültigkeit die erste
Subscription
versäumt habe.

10
Einer von den widrigen Umständen war dieser, daß ich Ihre Zuschrift vom
23t
Sept.

11
79 erst im Anfange des
Febr.
80 durch den Buchhändl.
Hartung
erhielt.

12
Uebrigens muß ich Sie versichern, daß HE. Hamann, der sich Ihnen empfehlen

13
läßt, Freundschaft und Achtung für Sie hegt; und daß ich ebenfals Ihr

14
Wohlwollen zu verdienen wünsche, können Sie leicht, wenn Ihnen etwas daran gelegen

15
ist, von ihm selbst erfahren.
Ihr ganz ergebenster

16
Kreuzfeld.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Sammlung Radowitz 5873).

Die Briefe von Hamann und Johann Gottlieb Kreutzfeld (21. und 23. August 1781) wurden zusammen abgeschickt.

Bisherige Drucke

ZH IV 325–327, Nr. 630.

Zusätze fremder Hand

327/2
–16
Johann Gottlieb Kreutzfeld

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
325/16
N
nicht
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nicht
325/17
auszufüllen
.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
auszufüllen.
325/20
beym
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
beim
325/26
lieber,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lieber
325/28
u Liefl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u. Liefland
326/1
jetzt.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
jetzt?
326/2
schuldig
– weil
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
schuldig
weil
326/3
erfüllen
.
,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
erfüllen,
326/16
bin in
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
bin ich in
326/19
dati
ren
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
datiren
326/22
Bothschaft
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Botschaft
326/30
Kindern
.
,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Kindern,
327/2
Königsberg. den 21
t
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Königsberg den 21.
327/4
beiliegende
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
beyliegende
327/10
23t
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
23