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325/14
HöchstzuEhrender HErr und Freund,
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Bin Ihnen schon lange etwas mehr als ein
Billet-doux
schuldig, oder
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als ein
Postscript.
Nunmehr kann ich es
N
nicht
unterlaßen wenigstens
17
dies
vacuum
auszufüllen
.
Sie haben meinem Freunde bey Ihrem Auftrage
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einen
guten Willen
zugetraut, und an dem hat es wenigstens bey uns beyden
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nicht gefehlt, noch
daran
gelegen. Die öffentliche Ankündigung ist in den
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hiesigen Zeitungen sogleich
beym
Empfang besorgt worden; aber in unsern
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Gegenden herrscht eine große Kälte und Gleichgiltigkeit – und ein eben so
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großer Mangel am
neruo rerum gerundarum.
Doch diese beyden Uebel sind
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so
epidemisch
, daß es nicht der Mühe lohnt Beweise davon anzuführen.
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Prof. Kreutzfeld ist überdem ein schwächlicher, schwindsüchtiger Mann und
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meine Lebensart so lichtscheu und Maulwurf ähnlich, daß ich niemals weder
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Geschick noch Glück zu dergl. Aufträgen gehabt habe und
lieber,
ohne als
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mit Auftrag, mich intereßire. Daher ich Ihnen
in petto
gedankt, daß Sie
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mich damit verschont. Wünschte, daß Sie in Curl.
u Liefl.
glücklicher
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gewesen, wohin ich auch einen Wink gegeben, wiewol auch da meine
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Verbindungen von keiner Bedeutung sind.
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Da ich gegenwärtig mit meinem Sohn den Homer lese, und nichts als
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ein Laye in dieser Sprache bin: so freu ich mich auf Ihre Arbeit und wünschte
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besonders die Ausgabe Ihrer Erklärungen zu erleben, wozu Sie Hofnung
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gemacht und wovon ich mich erinnere bereits Proben gelesen zu haben.
S. 326
Was macht Herr Boie? Wo und wie lebt Er
jetzt.
Ich bin ihm noch eine
2
Antwort
schuldig
– weil
ich gar nicht im stande gewesen bin Sein Verlangen
3
zu
erfüllen
.
,
und ich mich in dem Falle befinde, wo auch der römische Kayser
4
sein Recht verliert. Empfehlen Sie mich bestens Seinem geneigten Andenken,
5
und melden Sie ihm wenigstens, daß ich auch meiner alten Schuld noch
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eingedenk bin, Trotz meinem höchst unglücklichen Gedächtnis, das sich noch
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schlechter, wie die Butter in gegenwärtiger Jahreszeit hält.
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Bey aller langen Weile die mich qvält, und bey der ich von einem Buch
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zum andern taumele, wie sie mir der Zufall in die Hände spielt, weiß ich
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bisweilen nicht wo ich meine Zeit hernehmen soll mein Tagewerk zu bestreiten.
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Das Lucubriren und früh aufzustehen verbietet mir mein Alter und meine
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Schlafsucht, die mit jenem zu wachsen scheint.
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Vergeben Sie mir, HöchstzuEhrender Herr und Freund, daß ich Sie so
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treuherzig mit den
Antithes
en meiner Bedürfniße und Umstände unterhalte.
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Ich habe heute meinen jährlichen Kirchengang gefeyert, und da ich diesen
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ganzen Sommer noch nicht aus dem Thor gewesen, so
bin in
Gedanken
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reisefertig eine nah liegende Papiermühle mit meinen 4 Kindern und ihrer
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Mutter zu besuchen auf einen oder anderthalb Tage. Die
molimina
und
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Entwürfe zu dieser großen Wallfahrt
dati
ren
sich seit Ostern her – von
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meinem alten Freund und Gevatter, gewesenen Verleger und Lotterie-Director,
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nunmehrigen Papiermüller, Schriftgießer und Erbherren von und zu
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Trautenau Johann Jakob Kanter – deßen
Bothschaft
oder Fuhrwerk ich alle
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Augenblick vermuthe.
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Mög es Ihnen doch an
häuslichen Freuden
– und an heraklitischen
25
Erfahrungen
ειναι και ενταυθα ΘΕΟΥΣ
(: Freund Asmus Berichten zufolge
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scheinen Ihre beyderseitige Kindelbiere ziemlich parallel zu laufen:) – nie
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fehlen. Gott laße alles was er Ihnen bisher geschenkt und ferner schenken
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wird, gedeyen zu Seiner Ehr und Ihrem Trost bey den Mühseeligkeiten des
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Schul- und Autorstandes, denn unser Publicum besteht, wie das alte
30
Griechenland, gröstenteils aus
Kindern
.
,
und aus einer Welt, die
betrogen seyn will
.
31
– – Haud mihi vita
32
Est opus hac – et Valeas –
33
wenigstens gesunder und zufriedner als Ihr
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ergebenster Freund und
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Diener
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Johann Georg Hamann.
37
den 23. Aug.
S. 327
Voran geht ein Brief Kreutzfelds:
2
Königsberg. den 21
t
Aug. 1781.
3
Hochzuehrender Herr,
4
Die hier
beiliegende
Assignation
ist mir so klein und unbeträchtlich, daß ich auch
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den geringsten Dank verbitte. Wenn ich statt dieser armseeligen zehn Pränumeranten,
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ihrer hundert hätte gewinnen können, wie der Werth Ihres Werkes darauf Anspruch
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machen kann, so hätte ich mich schon eher gerade an Sie gewandt, um Ihnen für den
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ersten Auftrag zu danken, mit dem Sie mich vor einem Jahre beehrten. HE. Hamann
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ist Zeuge, daß ich nicht aus Gleichgültigkeit die erste
Subscription
versäumt habe.
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Einer von den widrigen Umständen war dieser, daß ich Ihre Zuschrift vom
23t
Sept.
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79 erst im Anfange des
Febr.
80 durch den Buchhändl.
Hartung
erhielt.
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Uebrigens muß ich Sie versichern, daß HE. Hamann, der sich Ihnen empfehlen
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läßt, Freundschaft und Achtung für Sie hegt; und daß ich ebenfals Ihr
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Wohlwollen zu verdienen wünsche, können Sie leicht, wenn Ihnen etwas daran gelegen
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ist, von ihm selbst erfahren.
Ihr ganz ergebenster
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Kreuzfeld.
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Sammlung Radowitz 5873).
Die Briefe von Hamann und Johann Gottlieb Kreutzfeld (21. und 23. August 1781) wurden zusammen abgeschickt.
Bisherige Drucke
ZH IV 325–327, Nr. 630.
Zusätze fremder Hand
327/2 –16
|
Johann Gottlieb Kreutzfeld |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
325/16 |
N nicht ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nicht |
325/17 |
auszufüllen . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: auszufüllen. |
325/20 |
beym ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beim |
325/26 |
lieber, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: lieber |
325/28 |
u Liefl. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u. Liefland |
326/1 |
jetzt. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: jetzt? |
326/2 |
schuldig – weil ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: schuldig weil |
326/3 |
erfüllen . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: erfüllen, |
326/16 |
bin in ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: bin ich in |
326/19 |
dati ren ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: datiren |
326/22 |
Bothschaft ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Botschaft |
326/30 |
Kindern . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kindern, |
327/2 |
Königsberg. den 21 t |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Königsberg den 21. |
327/4 |
beiliegende ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beyliegende |
327/10 |
23t ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 23 |