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22 Jul. 81.
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– Die Anzeige von
la Verité retablie
im 1 Band christl. Mag. hat mich so
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unruhig nach dem Werke gemacht, daß ich beinahe
Lav.
darum angesprochen.
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Auch diese Neugierde ist befriedigt, u. leider hängt unser Urtheil von einem
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Augenblick
, von einem mehrentheils willkührl.
Gesichtspunkt
ab, daß ich
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fast an allen menschlichen Urtheilen verzage, oder sie wie Majestätsrechte
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betrachte, u. mit dem Erzvater Joseph sagen möchte:
Auslegen
u.
Urtheilen
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gehört Gott zu. – –
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Das kleine Bändchen Kasualpredigten von
Felix Waser
hat mir eine
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angenehme Stunde gemacht. –
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Die
hierophantischen Briefe
betrafen eine Disputation des
D.
Stark
de
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reliquiis Gentilismi,
davon er die Fortsezung schuldig geblieben wie von
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seinem Hephästion. Die
in fronte
angeführte Stelle bezieht sich auf die
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Vorrede zum
Abregé
der KGeschichte des
Fleury,
welche man dem Philosophen
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von Sanssouci zuschreibt.
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– Ich wünschte sehr gern, Kaufmanns GeburtsJahr zu wißen,
etc. etc.
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Vergeben Sie es mir, daß ich so kleinfügige Bitten an Sie thue. Ich liebe
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meinen Heerd – u. über die
Götter hier
! wie jener Philosoph von seiner
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Küche sagte – vergeß ich Publikum u. alle Erscheinungen außerhalb. Sagt
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nicht auch die Schrift:
das Himmelreich ist in uns
? Wenn Seine Zukunft
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gleich einem Diebe in der Nacht seyn wird: so vermögen weder politische
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Authentiken noch prophetische Chronologien Tag zu machen, u. menschlich
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zu reden, wer diesen Dieb
verräth
, kann sich wenigstens für solche hohe
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Offenbarungen gewiß auf Satans Maulschellen Rechnung machen – u. das ist
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nicht Jedermanns Ding. Unter dessen Schildwachen u. Nachtwächter ihre
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Pflicht thun, wünsch ich mir u. meinen Kindern einen gesunden festen Schlaf mit
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dem Zusatz der Sulamith
in petto:
aber mein Herz wacht. Diese Wachsamkeit
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des Herzens ist vielleicht eine Tugend, der wir uns eben so wenig bewußt seyn
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können, als des Pulsschlages u. des Lebens im Schlafe u. die der allein kennt,
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der sie würkt u. in uns schafft – der stillen Ruhe ähnlicher als dem Lermblasen.
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Auch in Ansehung unserer Erkenntnisse u. Einsichten ist ein bescheidner Theil der
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Armuth u. dem Reichthum vorzuziehen.
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– Mir kommt es kaum möglich vor, daß
Zweifel
in
Verzweifelung
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ausarten kann – aber Vorwitz desto eher. Zweifel läßt immer etwas männliche
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Stärke; wie Vorwitz weibliche Schwäche muthmassen. Zweifel ist auch kein
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Unglaube; aber Vorwiz kann eine Folge desselben bereits seyn.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943; zugrunde lag eine Abschrift von Johann Georg Müller. Letzter bekannter Aufbewahrungsort der verschollenen Abschrift: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], III 18. Original ebenfalls verschollen.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 199 f.
ZH IV 314 f., Nr. 626.