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Königsberg den 7 Juni 781.

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Herzlich geliebtester Freund,

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Auf widerholtes Verlangen übersende Ihnen alle meine letzten Beyträge

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zur Zeitung. Das beste möchte wol der von mir besorgte Abdruck der letzten

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Hälfte von Falk u Ernst seyn.

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Was das
Portrait
betrift: so bin ich ebenso unschuldig zu dieser

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Commission
gekommen, wie ich Sie gegenwärtig damit belästigen muß. Die Wirthin

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von
Mlle
Stoltz,
Me Pillet,
eine sehr dienstfertige brave Frau, bekam vor

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beynahe Jahr und Tag den Auftrag sich nach dem
Portrait
des einstmaligen

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Pensionairs
vom seel. Lindner und nunmehrigen Obrist
Lieut
von Stein zu

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erkundigen mit der Anerbietung es den Erben abzukaufen. Die alte

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Consistorialräthin forderte mehr auf Zureden als aus eigener Bewegung 3 #.

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Vor kurzen hat die Fr.
p
von Stein sich erklärt doch mit einiger Bedenklichkeit

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die gefoderte Summe zu geben, doch unter der Bedingung, daß die

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Frachtkosten mit eingeschloßen seyn sollten. Die alte unvermögende Frau hätte mit

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1 # vorlieb genommen und wuste kaum von der Sache mehr, stellte mir

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aber die Unmöglichkeit vor dies selbst zu besorgen. Sie werden daher so gütig

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seyn das Bild der Frau
Artillerie-Generalin
von
Wulff,
als einer

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Schwester der Frau von Stein
auszahlen
abzuliefern, welche das ausgemachte

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Geld auszahlen soll, und mir die Fracht und etwaige übrige Unkosten melden,

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damit ich den Rest von dem hier liegenden Geld für Sie der alten Lindnerinn

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abgeben kann.

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Weil
Me Pelet
allem Verdacht eines Eigennutzes zuvorkommen wollte:

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so hab ich für Sie den Brief beantworten müßen, und hänge in Ansehung

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des Einpackens vom Friedrich im Kanterschen Buchladen ab. Dies ist mein

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Gewinn bey dem Handel. Wünsche daß Sie keinen Verdruß bey Ablieferung

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haben mögen.

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Wenigstens habe der gnädigen Frau zu verstehen gegeben, daß der

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Affectionswerth nicht von Seiten der zufälligen Besitzerinn, welche eine 80jährige

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kümmerliche Stiftswitwe wäre, sondern der Familie geschätzt werden möchte.

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Am Pfingsttage setzte mich eben hin um Ihre Einl. nach Weimar zu

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befördern, als ich bereits Antwort nebst der ganzen heil. Familie in Silhouetten

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erhielt und mit einem Geschmack, den man hier zu Lande nirgends findt.

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Alles in Lebensgröße. Mit Gottes Hülfe sollen Sie es Selbst zu sehen

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bekommen. Die Mutter sitzt auf einem Stuhl u hat den jüngsten Sohn auf

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dem Schooß der eine Puppe mit einem Reuter vor sich hat. Der Vater steht

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hinterm Stuhl. Der älteste hat einen Maykäfer am Faden, mein Pathchen

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einen Schmetterling gefangen, nach dem der Dritte mit einer Flinte lüstern ist.

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Kurz ist eine lebende und redende Gruppe.

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Das Buch
Chevilah
ist nun auch herausgebracht. Es ist nichts als ein

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ziemlich gemeines Werk welches Sie vermuthlich auch in Ihrer Sammlung

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besitzen werden. Des
R. Meir Aldabi Hispani
Semitae fidei
שׁבילי אמונה

S. 308
durch eine französische Orthographie hat das Wort
Schebileh
in

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Chevilah
verwandelt werden können, und wie
Ziehen
in diesem alten Tröster

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die hieroglyphische Sprache hat entdecken können begreif ich nicht.

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Biß
dato
haben weder Kant noch ich den Anfang u das Ende des Abdrucks

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erhalten; unterdeßen schon Exemplaria genug hier sind u verkauft werden.

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Wie Spener auf einmal untreu wird, versteh ich auch nicht. Daß Kant ein

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wenig unzufrieden ist, läßt sich leicht erachten.

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Beaumarchais
habe weder selbst bisher ansehen, noch jemanden

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vorschlagen können. Gleich nach verrichteter
Revue
werde an HE v. Auerswald

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schreiben wegen
Buffon.

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Bitte die versprochene
Silhouette
nicht zu vergeßen. Charactere teutscher

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Dichter u Prosaisten in 2 Bänden bey
Voss
habe heute durchgelaufen. Die

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Vermuthung Bahrdt für den Verf. zu halten scheint mir nicht ungegründet.

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Weder
Er steht wenigstens nicht drinnen. Ich bin als Kontrolleur auch

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controllirt.

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Ehe dieser Brief ankomt, erhalten Sie wol noch einen über der Post. Muß

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in der Eil diesen Brief fertig halten, im Fall der Fuhrmann käme. Leben Sie

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mit den Ihrigen wohl; und Gott empfohlen von Ihrem alten Freunde

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JGHamann.


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Vermerk von Hartknoch:
Empf d. 25
Jun
1781.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 198 f.

ZH IV 306–308, Nr. 623.

Zusätze fremder Hand

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Johann Friedrich Hartknoch