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282/25
Den 27 April 81.
26
Herzlich geliebtester Landsmann, Gevatter und Freund,
27
Der Mayschein hat sich mit dem Georgentage eingestellt und ich schmachte
28
nach Nachrichten von Ihnen – Ist Ihr zweytes Bändchen von Briefen noch
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nicht fertig? Endlich hab ich auch den ersten Brief aus Wandsbeck in diesem
30
Jahre vor kurzem erhalten, wo man sich auf ein Kindtaufen im May
31
ebenfalls gefaßt macht. Der Abwechselung wegen wünschte ich Ihnen ein
32
Fräulein und dem armen Asmus ein Männlein. Der Art wegen verdiente doch
33
auch der Namen erhalten zu werden. Habe eben heute Ihren fünften Brief
34
im März des deutschen Museums gelesen, – und meine Silhouette bekommen,
S. 283
die ich eile Ihnen mitzutheilen. Wir haben hier einen Silhouetteur, der sich
2
einige Wochen hier aufgehalten und eine Silhouetrice, welche die ganze Stadt
3
und alle noch übrige runden Thaler und
1
/
6
in Schattenbilder umsetzen. Der
4
Mann heist Sidow und geht nächste Woche nach Rußl. Ich hab ihm 2 mal
5
geseßen; das erste mal beklagte er sich über meinen langen Bart und meine
6
unschlachtige Augenbraunen. Hiezu kam noch meine sehr vermeckerte alte
7
Perüke. Ich saß zum zweyten mal mit bloßem kahlen Kopf – bin dem
8
ohngeachtet nicht so kentlich als mein Hänschen, mit deßen Ähnlichkeit
9
jedermann zufrieden ist. Vielleicht schick ich Ihnen nächstens mein Serrail von
10
der Silhouetrice; bin vor der Hand des Silhouettirens ein wenig überdrüßig,
11
lege auch Lauson u Kreutzfeld als ein paar Landsleute bey, weil sie beyde
12
mir zu Gefallen haben sitzen müßen, letzterer an seinem Geburtstage. Maler
13
kenn ich hier nicht, Ähnlichkeit und Güte der Zeichnung ist noch mißlicher,
14
und leider! auch eine Silhouette im besten Geschmack für mich zu kostbar.
15
Am Geburtstage des Königs bekam den Einfall
Voltai
rens Werke zu lesen,
16
bin auch am Palmensonntage damit fertig geworden, nemlich mit der
17
Ausgabe von 54
Vol.
in
gr.
8
o
Die Marterwoche habe als
Collecteur
für Wezels
18
Wilhelmine zugebracht, weil der
terminus peremtorius
da war und ich noch
19
eine Antwort vom vorigen Sept. schuldig war. Wahrscheinlich ist er Verf.
20
der Recension von Oberon in der N. Bibl. weil sein letzter Roman den ich
21
noch nicht kenne angeführt – und keinem andern hätte wol Campens Robinson
22
bey der Gelegenheit einfallen können.
23
Von Kantens Kritik der reinen Vernunft habe die ersten 30 Bogen durch
24
des Verlegers Vorsorge erhalten, und warte mit jeder Post auf Anfang u
25
Ende. Sie als ein alter Zuhörer werden ihn vielleicht beßer verstehen. An
26
Lesern wirds ihm so wenig als der gelehrten Republik an Subscribenten fehlen,
27
aber eben so wenig, die ihn faßen werden, und
dies
wird eben kein Glück
28
für sie noch für ihn
seyn:
Denn alles scheint mir doch auf ein neues
Organon
29
auf neue Kategorien, nicht so wol scholastischer Architectonik als
30
sceptischer Tactik
hinauszulaufen
.
31
Mit eben so viel Ungedult warte auf die Uebersetzung des Hume. Hartkn.
32
und ich haben bestellt daß mir selbige sogl. übermacht werden soll. Ihr
33
Anblick wird meine Arbeit bestimmen und die Einrichtung derselben, wenn ich
34
noch arbeiten
kann
und
soll
35
Kanter hat Gottlob! seinen Laden verkauft an Dängel und Wagner in
36
Comp.
Letzterer ist bereits zur Meße gegangen.
37
Nachdem ich lange gnug umsonst mich um Tempels Denkwürdigkeiten
S. 284
bemüht, erhielt ich sie am Palmensontage eben wie ich mit
Voltai
re fertig
2
war; habe aber nicht den Grund finden können, warum sie mich auf dies
3
Buch aufmerksam gemacht. Mein Kopf war aber so erschöpft, daß die
4
Schuld wol an ihn gelegen haben mag. Können Sie mir etwa das Stück
5
angeben, was für meine Neugierde gehört. Was ist das für ein Poet
Rhenton
6
und die Anführung
Lib. I.
20.
II.
1 welche in der Note 2) S. 32 steht. Führt
7
ihn
Cicero
in
Epist. ad Atticum
an? Ich habe leider! keinen
Cicero
und über
8
den welschen, den alten Römer ausgeschwitzt.
9
Neckers Compte rendu
hat mir einen vergnügten Abend gemacht und sehr
10
neugierig auf sein
Eloge
des
Colbert,
welches noch nicht hier ist.
Carvers
11
nordamerikanische Reisen haben mich angenehm unterhalten u besonders die
12
Einweihung in die
Wakon Kitschemale
oder freundschaftl. Einweihung des
13
Geistes.
Le Procès des 3 Rois
wird dort eben keine Seltenheit seyn. Der
14
Anfang erschüttert; aber so lange ist es wol nicht mögl. auszuhalten und
15
je weiter man kommt, je
mehr
erla
man
ermüdt. Mir komt es sehr unwahrscheinl.
16
vor,
Linguet
für den Verf. zu halten; eher den Dramatisten des
Partage de
17
la Pologne.
18
Leßings Gespräche sind auch einmal hier angekommen; scheinen nach einer
19
fehlerhaften Abschrift abgedruckt zu seyn, der Vergleichung zufolge, die ich
20
vorigen Mittwoch angestellt. Da die ersten 2 Gespräche in den hiesigen
21
Zeitungen statt Beyl. gedient: so möchte wol den Abdruck nach unserer beßern
22
Handschrift besorgen.
23
Diedrichs ist auch den Weg alles Fleisches gegangen. Es war Schade um
24
den Mann; seine Gesundheit war so zurüttet, daß kaum etwas von ihm
25
mehr zu erwarten war. Man redt von Bahrdt; so wie von Engel als Starks
26
Nachfolger in Mitau. Letzterer hat sich hier über 14 Tage aufgehalten, weil
27
seine Frau unterwegens sehr gelitten durch das umgeworfene Fuhrwerk. Hier
28
läuft das Gerüchte von unsers Königs Neugierde ihn zu sprechen, wie in
29
Berlin selbst. Er soll hieher geschrieben, blos Büsching
u Teller
aber wie es
30
mir scheint, nicht
Teller gesehen haben, und hat über Potsdam nach
31
Magdeburg gehen wollen. Vielleicht erfahr ich mehr –
32
Claudius hundertjährige
Bouteill
e Rheinwein ist auf den 28
Ianuar
33
Dom. IV.
p
Epiphanias
als dem Geburtstage meiner verehrungswürdigen
34
Frau
Gevatterin
Gott gebe schon glücklichen Kindbetterin! Wohl ausgeleert
35
worden. Am letzten
ejusdem
besuchte mich
Prof.
Bause auf seiner Heimreise
36
nach St. Petersb. u brachte mir Nachrichten aus Weimar und Wandsbeck.
37
Ich wuste vor Freuden nicht, wie ich den Mann bewillkommen sollte.
/
Den
S. 285
4ten
Mart. Dom. Inuocauit
kam HE Bursy mit ähnl. Empfehlungen u
2
brachte Engels Lobrede auf den König u Jerusalems Sendschreiben mit, auch
3
ein paar Leckerbißen gl. den Wachteln in der Wüste.
4
Kraus hat den 5
huj. pro receptione
den ersten Theil seines Meisterstücks
5
abgelegt
de Paradoxo: edi interdum ab homine actiones voluntarias, ipso
6
non inuito solum, verum adeo reluctante,
ist aber mit der andern wichtigsten
7
Hälfte ins Stecken gerathen und kann nicht von der Stelle kommen. Die
8
Materie bezieht sich auf eine Abhandl. in Sulzers vermischten philosophischen
9
Schriften
10
Dom. Misericordias
29. April
11
Heute wird auf Veranlaßung unsers dirigirenden Burgermeisters eine
12
ausdrückl.
Armenpredigt
gehalten, weil die Gaßenbettler versorgt werden
13
sollen – in der Schloßkirche u dem dazu gehörigen Sprengel, über 8 Tage
14
in der Altstadt u. s. w. übersende dahero mein Scherfl. durch meine Leute und
15
bleibe daheim, um meinen Brief fortzusetzen. Briefe über Religionswesen
16
und Freymäurerey an allerley Leser, ist unstreitig ein hiesiges Product, und
17
werden sehr geheim gehalten, sind wenigstens nicht im Buchladen zu haben.
18
Aller Wahrscheinlichkeit nach sind sie von dem hiesigen reformirten Prediger
19
im Waysenhause,
Lowitz
. Es fehlt nicht an Laune; auch der arme Pleßing
20
mit seiner in
Kaunitz
Graudentz
Kaunitz gehaltenen Gastpredigt, welche er
21
seinem Vater
p
dedicirt, bekommt einen Seitenblick.
22
Der gestrigen Post zufolge ist Stark durch Potsdam durchgereist ohne
23
angehalten worden zu seyn unterdeßen dort wie hier das Gerüchte allgemein
24
gewesen, daß der König die Neugierde haben würde ihn vor sich ruffen zu
25
laßen. Er hat sich in Berl. kurz aufgehalten, giebt der Residenz aber in
26
gewißen Dingen den Vorzug vor Paris u Petersb.
Habeat sibi.
27
Wie Ihnen bey Lesung der Kantschen Kritik zu Muthe seyn wird, liebster
28
bester Gevatter, bin ich neugierig zu erfahren. Ich habe
sapienti sat
gesagt
29
über das transcendentale Geschwätz der gesetzl. oder reinen Vernunft denn
30
am Ende scheint mir alles auf Schulfüchserey und leeren Wortkram
31
hinauszulaufen. Bin im Begriff den
Locke
und
Hume’s Treatise on human
Nature
32
zu studieren, weil mir selbige als ein paar Qvellen u die besten Urkunden
33
in diesem Felde vorkommen. Erfüllen Sie doch bald meine ungedultige
34
Sehnsucht nach Ihren Briefen, um auch unserm Fischer eine Freude machen zu
35
können. Vielleicht komt alles Gute auf einmal – denn auch ich
zappele und
36
bin in Ängsten und Schmerzen
– wie Damaskus. Jer.
XLIX.
S. 286
Meine Säfte sind so verstockt und haben eine Schärfe, die in lauter kleinen
2
Geschwüren ausbricht, womit ich mich das ganze Jahr geqvält, besonders
3
in den Lenden und dem Sitzfleisch, daß mir eine Frühlingscur unumgängl.
4
seyn wird. Von Kopfschmerzen weiß Gottlob! nichts, aber ein Sausen und
5
eine
Atonie
des
Organi
und
Sensorii,
bey der ich an eine
crisin
der gesunden
6
und reinen Vernunft in diesem Leben verzweifele.
7
Heute vor 8 Tagen einen guten Freund verloren an HErrn Lieut
enant de
8
la Terrasse
der den 10 dieses seinen 40sten Geburtstag gefeyert und einer der
9
liebenswürdigsten, edelsten und außerordentlichsten Menschen war, die ich
10
auf der Welt gekannt habe. Ohngeachtet ich noch keinen Menschen als meine
11
seelige Mutter verscheiden gesehen habe, auch mich zu keinem Todtenbette
12
dränge, überfiel mir den Abend vorher so eine Unruhe u Schwermuth beym
13
Sch
l
afengehen, daß ich mich vorigen Sonntag entschloß selbst zu ihm
14
hinzulaufen um ihm das letzte Lebewol zu sagen. (Er wohnte richt über seiner
15
und meiner innigsten Freundin der Baroneße v Bondeli, der dieser Verlust
16
wol das Herz brechen u die letzte Oelung geben wird. Ich habe nicht das
17
Herz selbst hinzugehen und Hänschen ist Bote. Sie lebt mit einer Fräul. von
18
Morstein, einer noch jungen Kreuzträgerinn, die dritte ist eine alte abgelebte
19
Hausjungfer, – und dabey 3 junge Fräul. in
Pension,
denn höher hat es
20
diese
Beaumont
nicht bringen können.) Ich kam zu spät und sah die Fenster
21
schon offen, erfuhr wenigstens zu meiner Beruhigung, daß er mit aller
22
Heiterkeit u Gegenwart des Geistes eingeschlafen.
23
Der König wurde hier erwartet; aber nicht mehr, komt aber doch nach
24
Graudenz wie es heist zur
Revue.
Aus des Großkanzlers Reise nach Pr. wird
25
auch nichts; Hippels Reise nach Berl. wird vermuthl. dadurch befördert werden.
26
Dem Besuch des Prof. Bause habe einen langen freundschaftl. Brief vom
27
jetzigen CollegienAßeßor beym Cabinet, Arndt, zu verdanken. Die Besoldung
28
ist nur 600 Rubel, hat Premier Majors Rang und bey seiner Bestallung hat
29
er ein außerordentl. Geschenk von der Kayserin von 300 Rubel erhalten. Er
30
ist Uebersetzer des Gesetzbuchs und hat seit 76 das Petersb.
Journal
mit
31
Beyfall ausgegeben welches mit vorigem aufgehört und unter dem Titel des
32
Neuen fortgesetzt werden wird. Das Glück dieses würdigen Mannes hat mir
33
herzl. Freude gemacht – und sein ganzer Brief, der längste, den ich noch bisher
34
von ihm erhalten.
35
Nichts vom
Chevilah?
dem hieroglyphischen Denkmal –
Monboddo’s
36
Werk über die Sprache habe wo ich nicht irre im Göttingschen Magazin
37
angeführt gefunden. Wißen Sie nichts davon. Die Ankündigung seiner
Ancient
S. 287
Metaphysicks
läßt eben nicht viel erwarten. Claudius hat mir eine lange Stelle
2
ich weiß nicht aus welchem Buch angeführt über die original Natursprache,
3
die mit seiner Erklärung vom Genie was ähnliches hat. Platons Architypen
4
kommen mir eben so vor, wie die materielle Ideen dem Reimarus.
5
Nichts scheint leichter als der Sprung von einem Extrem zum andern, und
6
nichts so schwer als ihre Vereinigung zu Einem Mittel. Ungeachtet aller meiner
7
Nachfrage ist es mir nicht mögl. gewesen des
Iordani Bruni
Schrift
de Vno
8
⸂Nach Heumanns
Actis
φφ
orum
ist diese Schrift ital. ausgekommen:
9
Della causa, principio ed
uno
Venetia
584 in 12
o
.⸃
aufzutreiben, worinn
10
ich
er sein
principium coincidentiae
erklärt das mir Jahre lang im Sinn
11
liegt, ohne es weder vergeßen noch verstehen zu können. Wären Sie im stande
12
das Buch dort aufzutreiben, so nähmen Sie sich vielleicht die
Mühe es mir
13
zu Gefallen es durchzulesen, u mir einige Nachricht von seinem Innhalt u
14
Begriffen mitzutheilen. Diese Coincidenz scheint mir immer der einzige
15
zureichende Grund
aller
Widersprüche
– und der wahre Proceß ihrer
16
Auflösung und Schlichtung, allem Fehd der gesunden Vernunft und reinen
17
Unvernunft ein Ende zu machen.
18
Claudius hat meine Einl. an Kl. abgegeben und mir vor der Hand statt
19
einer Antwort seinen Grus übermacht, mit dem ich gern für lieb nehmen
20
will. Ein Oelblättchen des Friedens ist mir köstlicher als die
palma nobilis
21
den
terrarum dominis.
Habe bisher von keiner Recension meiner Scherfl.
22
lauten gehört – wünsche ihnen in der Ruhe nachzufolgen.
23
So bald die Humische Uebersetzung ankommt, werd ich mich
sans
24
comparaison
bedenken wie Julius Cäsar beym Rubicon, ob ich mein Federmeßer
25
wetzen oder in der Scheide verrosten laßen soll. Die Ankündigung des Deutsch.
26
M. soll deshalb nicht verloren seyn, und ich verspreche alle Genugthuung –
27
Ich that diese Bitte in Hartkn. Namen – – – – – – –
28
Von diesem Vierteljahr ist noch nichts zu sehen und zu hören. Ist
29
Kreutzfelds Schrift durchgegangen? wie ich hoffe. Seine Gesundheit wird seinem
30
Kopf nicht nachtheilig, und unsere Freundschaft hat auch neues Laub
31
gewonnen. Er ist beynahe der einzige – Die jungen Leute hab ich ziemlich
32
verscheucht aus meinem Hause. Mein Sohn giebt mir alle Hände voll, wenn
33
ich zu arbeiten im stande wäre. Ich bin sein einziger Schulmeister im Gr.
34
Lat.
u.
Hebr. Auch mit dem Engl. Lesen denke bald fertig zu werden, das
35
einzige, was er bey dieser Sprache nöthig hat – und denn soll es auf das
36
franz. loßgehen, welches nun wol freylich anders von uns behandelt werden
37
muß. Wenn uns der liebe Gott erhält, so wünschte ihn noch arabisch
S. 288
buchstabieren zu lernen, und so hat er wenigstens die Pforte der morgen- u abendl.
2
der lebenden u todten Sprachen seinem Vater zu danken. Schenkt Gott dem
3
Hartknoch das Leben: so bleibt es beym Buchhandel. Wo nicht, so hat er
4
zur Medecin Lust, in welchem Fall ich ihm auch das Arabische gönnte, nicht
5
blos
pour la rareté du fait
sondern auch der lieben Gelehrsamkeit wegen
6
in seinem Handwerk. Vier Gottlob! gesunde Kinder sind doch immer ein
7
Glück, darauf ich mir keine Rechnung gemacht. Sie wurden mir im Traum
8
verheißen, aber nicht durch
den
Weg – Meinem ältesten Mädchen hab ich
9
Gellerts Schriften zu Ihrem Geburtstag kaufen müßen, weil sie mich darum
10
bat. Die mittelste soll mir am ähnlichsten sehen, was die Nase betrifft – hat
11
endlich mit genauer Noth aus Heincens Büchl. ein wenig buchstabiren
12
gelernt von ihrer ältesten Schwester. Pathchen ist das drolligste und dollste
13
Mädchen von allen 3 –
coronat opus.
Freylich wünschte ich mehr Beyhülfe in
14
der Erziehung von der Mutter, welche nichts als Arbeitsamkeit u Ehrlichkeit
15
zur Mitgift hat und manches im
Zuschnitt
versäumt. Da ich aber kaum meinen
16
Sohn abzuwarten im stande bin, so muß ich schon die Töchter Preiß geben
17
und sie aufwachsen laßen wie die ausgehauene Erker –
18
Da kam Kreutzfeld, der sich Ihnen empfiehlt,
Mlle
Schimmelpfenning und
19
ihr Brahl zum Abendbrodt – und alles um mich schläft. Erfreuen Sie mich
20
bald mit schriftlichen und gedruckten Nachrichten. Werden Sie nicht müde,
21
Ihren alten Freund zu tragen. Ohngeachtet nichts zu hoffen ist, hoff ich doch
22
immer, daß wir uns einander sehen und noch in diesem Leben umarmen
23
werden.
24
Merses profundo, pulcrior euenit.
25
Stellen Sie sich meine Lage vor, bester HerzensGevatter: so versteht sichs
26
von selbst daß mein Briefwechsel auf keinerley Art für Sie intereßant seyn
27
kann; der Ihrige aber ist Oel für meine glimmende Lampe.
28
Nichts wie reden, nichts wie schreiben, ist für mich ein trocken, unnützes,
29
müßiges Ding. Leben ist
actio.
Dies Gefühl ist mein Tod – aber auf diesem
30
Gefühl beruht auch die Hofnung meines Lebens, so lang es Gott erhält.
31
Ich denke alle Morgen und Abend an Sie und Claudius, den ich Ihnen
32
zu verdanken; denn von Kaufmann u seiner Frau weiß ich nichts. Hier gieng
33
ein lächerliches Gerücht von ihm im Kayserl. Hause. Asmus beschreibt mir
34
den HE von Haugwitz als einen der besten Männer und daß seine Frau in
35
dortigen Gegenden Wochen gehalten.
36
Wird Ihre Uebersetzung u Ausgabe des Andreä nicht zu Stande kommen?
37
Die Probe im
Χ
stl. Magazin hat mir den Mund wäßrich gemacht nach mehr
S. 289
und Allem. Vom letzten Bande habe noch nichts hier zu sehen bekommen;
2
aber gehört daß die freymüthige Betrachtungen über das
Χ
stentum sehr
3
vortheilhaft beurtheilt seyn sollen. Wie das zugeht begreif ich nicht. Bursy
4
erzählte mir, daß Jerusalem eben so denkt u dies Buch allen übrigen Schriften
5
des Starks vorzieht. Will es noch einmal lesen, weil es mir zur Uebersetzung
6
des Hume den ersten Anlaß gegeben, und das Urtheil eines andern Manns
7
mein eigenes verdächtig macht. Nach dem Zweck der Freym. zu urtheilen
8
vermuthe ich nicht daß Stark in seiner Autorschaft stärker wird, im
9
Buchstaben vielleicht aber nicht im Geist.
10
Ich umarme Sie und Ihre würdige HausEhre und Hausmutter, küße mein
11
liebes Pathchen und sämtl. Geschwister. Gott seegne Sie und alle die lieben
12
Ihrigen reichlich und täglich. Ich ersterbe Ihr alter treuer Gevatter,
13
Landsmann und Freund
Johann Georg Hamann.
14
So bald ich ein Schreiben von Ihnen u Humens Uebersetzung erhalte, mehr –
15
Gute Nacht! und einen fröhlichen May!
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 217–219.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 180–185.
ZH IV 282–289, Nr. 617.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
283/28 |
seyn: ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seyn. |
283/34 |
soll |
Geändert nach der Handschrift; ZH: soll . |
284/15 |
mehr erla man ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: man |
284/33 |
p ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: p. |
284/34 |
Gevatterin ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gevatterin, |
284/37 |
/ ]
|
Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel. |
285/9 |
Schriften ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Schriften. |
285/31 |
Nature |
Geändert nach der Handschrift; ZH: nature |
286/30 |
Journal |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Journal |
287/8 |
φφ orum |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Philosophorum |
287/8 –9
|
⸂Nach […] 12o.⸃] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: (Nach Heumanns Actis Philosophorum ist diese Schrift ital. ausgekommen: Della causa, principio ed uno, Venetia 584 in 12 o .) |
287/9 |
uno ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: uno, |
287/12 |
Mühe es mir ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mühe mir |
287/34 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u |