611
252/2
Kgsb den 18
X
br. am Tage
Χ
stophs 80.

3
Herzensfreund,

4
Vor einer Stunde erhalte Einlage, auf die ich mit Schmerzen gewartet.

5
Thun Sie doch Ihr Bestes die arme Kreuzträgerin zu beruhigen. Den 18
pr.

6
erhielte ich einen Brief voller bitterer Klagen, aber keine Antwort an Sie. Ich

7
drung schlechterdings darauf; und erlaubte
die
Ihr, falls es Ihr Erleichterung

8
schafte, kein Blatt vors Maul zu nehmen und Ew. Hochwürden die Epistel

9
zu lesen. Bey Schreibung meines Briefes und nachher wurde mir selbst angst

10
für meine kauderwelsche Sprache, die nicht Jedermanns Ding ist, und leicht

11
Misverstand u Aergernis geben kann. Ich bin zufrieden, daß ich meinen

12
Willen gekriegt habe.
Wie
s
Sie mich verstanden, weiß ich nicht; daß Sie

13
meinen guten Willen nicht misverstanden, seh ich auch. Sie sagt mir rund

14
heraus, daß
ich
ihren ganzen Brief nicht verstanden u
sie
meinen ganz

15
widerlegen könnte, wenn sie Zeit u Lust hätte. Gesetzt, liebster Herder, daß Ihrer

16
würdigen Schwester auch im Unmuth etwas entfahren seyn sollte: so weiß

17
ich, daß Sie kein Hoherpriester Eli sind, und bitte es auf meine Rechnung zu

18
schreiben. Denn zwey Wege giebt es doch bey der ganzen Sache.
Scheiden

19
oder
Leiden
. Sie sagt nun Selbst wider, daß der Mann das Sauffen nach

20
läßt, und sie über keine thätl. übele Begegnungen sich zu beklagen hat. Also

21
bleibt nichts als die edle
Gedult
übrig, und die wird ihr Gott auch schenken.

22
Ich will meinen vorigen Brief, so gut ich kann, wider gut machen, und bitte

23
um Ihre brüderl. u. priesterliche Beyhülfe Sie bald mit einer
sanften

24
Antwort zu erfreuen. Wenn Sie ja nöthig finden ihr etwas
hartes
zu sagen, so

25
laßen
Sie
mich
das
Leitzeug
seyn und vertrauen es mir. Es ist wirklich keine

26
gemeine Prüfung für so
ein
edeles, empfindliches, lebhaftes Weib an einen

27
so faulen Leichnam gebunden zu seyn.

28
Von Ihrem wiedergefundenen Fischer hab ich seit der letzt mir anvertrauten

29
Einl. nichts weiter gesehen u gehört, und ich weiß nicht ob er lebt oder tod ist.

30
Ich bin immer bisher krank und siech gewesen. Entziehe mich allem Umgange,

31
und wenn ich einmal einen Kreuzzug nach der Stadt thun muß, komm ich

32
mit einem Flußfieber zu Hause. Schlimme Augen machten mir auch Angst,

33
bin aber leicht u glücklich wider alles Vermuthen davon gekommen. Kein

34
Wunder wärs, wenn ich bey lebenden Leibe versauerte und vermoderte oder

35
wie mein seeliger Bruder Christoph zum Cretinen würde.

36
Gott gebe Ihnen dafür desto mehr Gesundheit und Stärke, daß Sie mich

S. 253
bald mit
dem 2ten Bande Ihrer Briefe
beseeligen können. Die Stelle hab

2
ich in meiner Bibel unterstrichen gefunden aus dem Buche der Maccabäer.

3
Erwarte also blos über die erste eine kleine Zurechtweisung.

4
Ihre Preisschrift habe mir schon gekauft. 1 fl. schien mir kein Geld zu seyn

5
für das schöne prächtige Format, der franz. Titel zum deutschen Text ist ein

6
Beweis von Einfluß der Regierungen. Ich habe sie in einem Abend nach meiner

7
lieben Gewohnheit mit einem Zuge durchgelesen, und warte auf das Heften,

8
um sie mit Ueberlegung durchzugehen. Auch Ihre beyde
Casualpredigten

9
besitze schon, und wünschte eine ganze Postille von Ihnen zu erleben. Sind sie

10
mit oder ohne Ihr Wißen ausgekommen? Gestern auch den Novbr des

11
Museums durchgelaufen und mich blos
auf
bey Ihrem Briefe über
Andreä

12
verweilt. Wer ist der seel. K? Sind
Sie
nicht der Uebersetzer u Sammler des

13
Andreä?

14
Kreutzfeld findt sich wider zu mir, und hat mir einen kleinen Dialog über

15
den Rang der Geschlechter vorgelesen, der mir gefallen hat; wünschte auch,

16
daß W. ihn werthhielte für seinen Mercur. Wenn Sie dazu beytragen

17
können, daß er zu der Ehre gelangt, so werden Sie uns verbinden; aber er will

18
schlechterdings ohne Ort u Namen eingerückt
seyn
.
Sorgen Sie doch

19
also für diesen Umstand, woran ihm gelegen ist und welches ihn zu mehr

20
Beyträgen aufmuntern kann.

21
Hippel ist kürzlich Hofhalsrichter oder Criminaldirector und jüngst

22
dirigirender BürgerMstr und Policeydirector mit dem Titel eines Kriegsraths

23
geworden, wider aller Gedanken und zum allgemeinen Erstaunen seiner ältern

24
HE Collegen, die mit der Wahl nicht fertig werden konnten. Er hat sich durch

25
seine Ausarbeitung des Criminalrechts in Berl. einen großen Namen

26
erworben, und der Hof soll dergl. Juristen in unserer barbarischen Provinz weder

27
gesucht noch vermuthet haben. Ich schmeichele mir einen Freund an ihm zu

28
haben, und bin willens jetzt meinen Sitz im Rathsstande zu nehmen
sub

29
vmbra alarum suarum.
Diese Kleinigkeit ist für mich ein größerer Gewinn,

30
als Sie sichs einbilden können, weil ich keine Stelle in einer Kirche mehr wuste,

31
der
K
Fürstenstand mit Damen, Officiren u Studenten überpropft ist und ich an

32
der Altstadt hänge,
par habitude
und weil ich mich da zur Kirche halte. Sollte

33
mein Beichtvater, wie es heißt, seinen Abschied nehmen: so wirds Fischer im

34
großen Hospital und vielleicht komt dieser nach der Altstadt, weil Hippel viel

35
von ihm hält.

36
Nun, liebster Herder, komt es Ihnen nicht auch
omineux
vor, daß der

37
Salomon du Nord
ein Nebenbuler des Magus in Norden geworden. Freytags

S. 254
Abends bekam ich die
Skarteque
, da ich eben denselben Morgen die Geschichte

2
des trunknen Noah gelesen hatte. Ich wünschte, daß ein welscher
Bel-esprit

3
die Rolle des Chams auf sich nähme, wie
Raynal
bereits gethan. Der seel.

4
Qvandt erscheint wie Samuels Schatten dem verworfnen Saul. Solche

5
herculische
Pudenda
von Unwißenheit und Eigendünkel sind der wahre

6
Charakter seiner Größe. Behandelt er doch unsere Litteratur mit seinem welschen

7
Gänsekiel wie der Lügenprophete Bileam seine Eselin; das Knie hat sie schon

8
gebeugt – an dem Wunder wird es auch nicht fehlen – an
der
einer Antwort in

9
seiner Göttersprache. Kennen Sie schon das neue Gesangbuch, welches 82

10
eingeführt werden solle. Vermuthl. wird das
Ministerium
zu Berlin auch alle

11
Infinitiuos
zu
desinentia in -a
machen. Das Geheimnis der heil. Dreyeinigkeit

12
leuchtet in dieser wäßrichen Liturgie wie das Principium der 3 Einheiten im

13
welschen Drama.

14
Bahrdt ist kein unebner Mann uns die gr. u römische Litteratur wie die

15
Bibel im Kleinen
zu liefern. Letztere habe angesehen auf hohe Empfehlungen

16
eines Manns von
Geschmack ⸂Kr. Scheffner⸃.
Seinen Versuch vom Tacitus hab

17
ich noch nicht erhalten können. Nach Verhältnis meines Hungers hängt hier

18
der Brodtkorb so hoch, daß man nicht einmal für Geld was erhalten kann,

19
nicht einmal Heinikens Abcbuch für meine Käthe die nicht lesen lernen kann.


20
Den 19.

21
Trappens Sendschreiben habe im
Mst
erhalten. Die Beantwortung unter

22
dem Namen
Semler
ist hier zu haben; Trapp aber am
Pranger
soll von

23
der Hartungschen Buchhandl. als eine Schmähschrift zurückgesandt worden

24
seyn. Verhältniße des Verlegers mögen wol ehe daran Schuld
seyn

25
Endl. hab ich auch Döderleins Antifragmente einmal zum Ansehen

26
bekommen u heute durchgelaufen. Meine Gedanken über die natürl. Religion

27
sind
anticipi
rt, so wie er mit Ihnen S. 174. 175.
II.
zu harmoniren scheint.

28
Der Uebergang vom Göttl. zum Menschl. dünkt mir immer ähnl. Misbrauch

29
ausgesetzt zu seyn. Beyde Extreme müßen schlechterdings verbunden werden,

30
um das Ganze zu erklären,
ουσια του σωματος
und
εξουσια του αξιωματος
.

31
Durch diese Vereinigung wird das Buch heilig,
und
wie aus einem

32
Menschen
der
Fürst
. Eine
κοινωνια
ohne
Transsubstantiation
– weder Leib, noch

33
Schatten; sondern
Geist
. Doch ich muß erst weiter gekommen seyn, um mich

34
hierüber erklären zu können.

35
Hab ich Ihnen schon gemeldt, daß Hartknoch wirkl. Verleger von Kantens

S. 255
Kritik der reinen Vernunft geworden, und daß selbige nun auf Ostern gewiß

2
auskommen wird. Ich mache mir großen Staat darauf, daß dieser Mann mir

3
in einigen Dingen vorgearbeitet haben wird.
Hume’s Essays
habe nach einer

4
neuren Ausgabe, als meine alte verlorne, durchgegangen und
bin
jetzt
bey
in

5
d
i
er natürl.
Geschichte der Religion stehen geblieben. Eberhards Sittenlehre

6
der Vernunft habe mit rechtem Eckel angesehen. Was für ein altmodischer

7
Nachbeter ist dieser Reformator der Dogmatik! Selbst sein Styl, wie

8
nachläßig! – und der liebe Campe was für ein pedantischer Stutzer in seinem

9
Beweis für die Unsterblichkeit der Seele!

10
Hier giebt es eine große Gährung unter den schönen Geistern des lieben

11
Vaterlandes. Kanter
druckte
übernahm vor 3. 4 Jahren eine preuß.

12
Blumenlese, worinn Kreuzfeld, Reichard, John, Bock, Hauptm.
Diercke
, Verf.

13
eines Trauerspiels u
Lieut. Szerwonka, LicentAssessor Lilienthal

14
gegenwärtig in Memel die Hauptverfaßer waren. Kanter war Verleger und weil er

15
die Druckerkosten nicht bezahlen konnte, erstickte das Kind im Bade – Ich weiß

16
nicht ob Sie, liebster Herder! nicht etwa ein Exemplar von Hartknoch

17
erhalten, wie Hinz eins hier mit gebracht aber nicht für mich. Voriges Jahr

18
erschien zum ersten eine andere Samml. in Form des Musenallmanach, zu

19
welcher
Mohr
und
Doerk
! (ein paar nichts bedeutende eitle Jünglinge) als

20
Herausgeber sich nannten.
Referendarius
Herklots wird für den besten Kopf

21
einmüthl. unter
s
dieser
jungen Brut erkannt.
D.
Funken Sohn,
Wannowius

22
– – sind lauter
Dii minorum gentium.
Ueber diesen Musenallmanach hat nun

23
die Kantersche Zeitung zu einem lächerl. Froschmäuseler Anlaß gegeben auf eine

24
sehr zufällige Art. Ein Hofgerichtsrath
Glawe
hat sich gelüsten laßen einige

25
wenige Beyträge in diese milde Stiftung zu liefern, welche in so elenden

26
Umständen ist daß man aus Noth erstwo Recensionen stiehlt aus dem T. Mercur, aus

27
der allgem. Bibl. und die AnfangsBuchstaben der Bücher für die Namen der

28
Verf. unterzeichnet. Jener Glawe recensirt, nachdem er eine Advokatenschrift in

29
meinem biblischen Styl mit dem AnfangsBuchstaben H. angekündigt, einen

30
Prolog von der Gr. Kayserlingk bey des Prinzen Gegenwart ziemlich klug

31
übersetzt
p
,zeigt
auch ein paar elende dramatische Vorspiele von John an,

32
streicht selbige über all Verdienst u Würdigkeit aus und führt zuletzt ein
Bonmot

33
des Verf. an, welchen zufolge er die Verf. der Blumenlesen statt eines

34
Beytrages, um den sie ihn ersucht, die
officia Ciceronis
empfohlen. Buchdrucker

35
Hartung der seines Zeichens auch ein Versifex u Mitarbeiter der Blumenlese ist,

36
läst eine derbe Apologie des Funk im Namen aber der Herausgeber austheilen.

37
Dörk, der Referend. beym Hofgericht ist, bekommt einen Verweis von des

S. 256
Kanzlers Excell. gegen einen Rath die Feder ergriffen zu haben mit so wenig

2
Respect. Hierauf beurkundet John im letzten Blatt nicht der Thäter des ihm

3
aufgebürdeten
Bon mots
zu seyn, erklärt sich als Mitarbeiter des Allmanachs

4
trotz des vom Recensenten ihm ertheilten Lobes, und kündigt zugl. Baczko

5
den Verf. des
Tempe
u
Comp.
worunter auch mein Nädler Brahl,

6
Zitterland p
gehört als neue Mitarbeiter an. In eben dem Blatt erscheint eine Fabel

7
im
Styl der Bücher der Makkabäer
, (wie der Verf. versichert) der sämtl.

8
Blumenleser für DistelEsel
hautement
erklärt. Als Beyl. wurde zugl. ein

9
Manifest von Mohr ausgetheilt, daß weder er noch Consorte das geringste von

10
der Hartungschen Schmähschrift gewust haben. Sonntags Abend komt ein

11
Bote aus dem Kanterschen Laden u versichert allenthalben den zeitigen

12
Decanum
gesucht zu haben, weil das
Officium Fisci
sein unvorgreifl. Bedenken
in

13
P
puncto
der Eselfabel geäußert hätte. Also ist dem armen einfältigen Dörk sein

14
Kützel nach einem gedruckten Namen ziemlich versaltzen worden. Die Folgen

15
dieses Bubenkrieges für die Vaterländische Litteratur wird die Zeit
lehren

16
Es ist hohe Zeit, daß der Prof. Moralium ankomt. In Elbing ist er schon

17
und ich erwarte ihn mit jedem Tage, höchstens zum heil. Christ oder Neujahr.

18
Vielleicht bringt er ein wenig Oel für meine verlöschende Lampe mit.

19
Wißen Sie nicht, liebster Landsmann! ob der Statthalter meinen Brief

20
erhalten. Ich besorge immer daß er untergeschlagen oder ein
par faveur
auf

21
dem
Couvert
ein Verstoß des Wohlstandes ist.
Clau
dius hat mir auch noch

22
nicht gemeldet ob er meine Einl. an Kl. abgegeben oder nicht. Wenn ich das

23
Meinige thue, so überlaße ich jedem gern, nach seinen Willen zu handeln.

24
Ein Versehen aber in meiner Pflicht beunruhigt mich immer; aber auch keine

25
Antwort ist eine für mich.

26
Kommt mirs so vor oder ist es wirklich daß die welsche
Deduction de la

27
Litterature allemande
ein vorteilhaftes Licht auf meine Scherflein zurück

28
wirft; weil ich wirkl. die falsche Grundsätze vorausgewittert zu haben mir

29
einbilde.

30
Reichards jüngste Schwester, welche hier an meinen Freund
Durow,

31
gewesnen Lotterie Secretair u gegenwärtigen Verwalter oder Buchhalter des

32
Millionnaire Fahrenheit
verheyrathet, ist gestern mit einem jungen Sohn

33
erfreut worden und ich durch sein Anmeldungs
Billet.

34
Ey! ey! nichts näheres von der
Chevilah?
– Hat man keine Hofnung, daß

35
das
Mst
dieses Mannes erscheinen werde oder giebt es keinen Weg das

36
kabbalistische Original näher kennen zu lernen. Enthalten Sie mir doch nichts

37
Wißen Sie nichts vom Kleuker? Hat er ein Exempl. meiner Scherfl. auch

S. 257
erhalten? Ich habe weder seine Fortsetzung der Salomoschen noch seine

2
Platonischen Uebersetzungen zu Gesicht bekommen – – Lenz hat mir zum zweyten

3
mal geschrieben u hält sich nach seiner Zurückkunft aus Peterb. zu
Aya
bey

4
Dörpt auf bey Cammerjunker Lippert als Hofmeister, hat Hofnung zu einem

5
Bibliothekariat ich glaube beym Großfürsten; will seine Schauspiele

6
umarbeiten –

7
Pfenninger hat mir vorigen Sonnabend
gemeldet
daß Hartkn. Sohn bey

8
Breitinger nach Wunsch versorgt ist, u Kaufmann auf ein Gut des v

9
Haugwitz gezogen ist oder ziehen will mit seiner Frau u dem engl. Mariachen. Wißen

10
Sie etwas von dem Zusammenhange dieser Kreuz- oder Winkelzüge. Gehts

11
nicht mit der Freundschaft wie mit der Liebe? Beyde sind so vieler Leute

12
Verderben und werden aus dem edelsten Wein zu Eßig – und aus dem erhabensten

13
Organo
die schaalste Schulfüchserey.

14
Mit meinem Hans Michel werde dies Jahr die erste
Parasche
der ältesten

15
Urkunde schließen. Gott Lob und Dank für den gemachten Anfang! im

16
Griechischen, Lateinschen u Hebräischen. Gute Nacht auf heute!


17
Am St. Thomas Tage.
21. Dezember

18
Hatte diese letzte Seite zu einem langen Neujahrswunsche bestimmt. Ich

19
bin aber so
arm am Geist
, liebster bester Herder, daß ich lieber still schweige.

20
Ihr ganzes Haus ist mir jeden Morgen u Abend so gegenwärtig, daß ich auch

21
beym Jahr- wie beym Tagwechsel darinn wallen, wandern und weben

22
werde. Empfehlen Sie mich (unwürdigen) Ihrer Hälfte meiner Freundin

23
und Gevatterin – und küßen Sie mein Pathchen und seine Brüder von mir

24
alten Mann.

25
Wären Sie Präsident von der Akademie; so müste mich unser dirigirender

26
Bürgermeister mit sich nehmen, der mit dem neuen Jahr nach Berl. geht. Ich

27
bin heute zweimal in seinem Hause gewesen, und habe eine außerordentl.

28
Motion bis nach dem Steindamschen Thor mir machen müßen, wegen der

29
letzten Einnahme
die mir in diesem Jahre zugefallen ist. Das
Facit
macht über

30
1900 fl. und ohngeachtet dieses außerordentl. Seegens wird die Ausgabe, so

31
viel ich selbige muthmaßentlich bestimmen kann,
fast
ihr gleich kommen.

32
Das machen aber 280 fl. gerichtliche Unkosten und die
Reparat
ur eines

33
ganzen Dachs. Gott hat mir zu einem ehrlichen Mann geholfen, der alles

34
besorgt, ohne daß ich mich um meine beyde alte Häuser bekümmern darf, und

35
dies für eine Kleinigkeit, die ich ihm jährl. überlaße.
Amt und Haushaltung

36
ist niemals meine Absicht noch Wunsch gewesen;
Hierinn hab ich Recht

S. 258
gehabt
, und beydes wollte ich immer meinem seel. Bruder aufdringen, um bey

2
ihm das Leben verträumen
zu
können, wie er bey mir. Daß ich meinen
öffentl.

3
Dienst
nihil agendo
verwalten muß, ist eben so wenig mein Geschmack, als

4
daß meine
häusliche Lebensart
mehr nach einer
Exception
als Regul

5
aussieht. Seit vielen Jahren denk ich an mein
Testament,
ohne daß ich zur

6
Ausführung kommen kann. Dieses soll meine dringendste Arbeit auf das

7
bevorstehende Jahr seyn, denn ohne eine solche Verfügung würde ich

8
unverantwortlich ungerecht gegen die arme Mutter meiner lieben Kinder seyn. Bin ich damit

9
fertig: so soll es mir so gleichgiltig seyn mit meiner Heimfart, als wenn’s

10
nach Weimar wäre; denn ich taug zum Leben nicht, und der
Genius Seculi
ist

11
so wenig mein Mann, als der Fürst dieser Welt –

12
Habe heute Nicolai’s Erzehlung über das Schöne gelesen. Scheint Ihnen

13
nicht die Idee aus dem Mährchen im 3 Buch Esra entlehnt zu seyn? Mir hat

14
Plan u Ausführung außerordentl. gefallen. – –

15
Pleßing hat mich hier unterbrochen so wol in diesem
F
Briefe als in der

16
Feyer des heutigen Aposteltages; geht mit einer Apologie des Semmlers

17
schwanger ohne seines Gegners
libellum
gesehen zu haben als durch

18
relationes curiosas.
Künftiges Jahr wills Gott! wird vielleicht mehr Stoff zu

19
Briefen geben. Erfreuen Sie uns doch, so bald Sie können, mit Antworten

20
und guten Nachrichten – –

21
Er sey Ihr Schild und
großer Lohn
. Ich grüße u küße Sie und die Ihrigen

22
in meinem und der Meinigen Namen, die Gottlob! alle gesund sind, vorzügl.

23
Marianchen. Werden Sie nicht müde zu ertragen u zu lieben   Ihren alten

24
Gevatter, Landsmann u Freund
Johann Georg H.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 213–214.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 168–172.

ZH IV 252–258, Nr. 611.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
252/12
Wie
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wie
253/18
seyn
.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
seyn.
254/1
Skarteque
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Scarteque
254/16
Geschmack […] Scheffner⸃.]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Geschmack. (Kr. Scheffner)
254/24
seyn
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
seyn.
255/5
d
i
er natürl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
der natürl.
255/21
s
dieser
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
dieser
256/13
P
puncto
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
puncto
256/15
lehren
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lehren.
257/7
gemeldet
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gemeldet,