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Kgsb. den 6. 8br. 80.
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Geliebtester Freund,
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Den 25
pr.
erhielte Ihren dicken Brief des Abends; des Morgens drauf
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bestellte Einl. durch
Me Courtan
an Ihren HE Bruder, der zugl. die
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Besorgung nach Berl. u Warschau übernommen. Hofpr. Schultz habe selbst
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eingehändigt wie auch Pr. Kant. Ersterer hat mir seine Antwort gestern
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zugeschickt. Kant versprach selbst zu antworten. Sie haben hohe Zeit gehabt zu
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schreiben; weil sich Kanter in der Zeit wie ein Gott aus der Maschine gemeldet
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u beynahe das ganze Spiel verdorben hätte. Ihr Grund, daß Sie vorzügl. im
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stande wären den Absatz des Werks zu verbreiten, war ein vortrefl.
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argumentum ad hominem,
und ich wünsche, daß Sie die Braut davon tragen mögen.
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Gegen Hart. habe gearbeitet, gegen meinen Gevatter will u mag ich nicht,
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wird auch nicht nöthig seyn.
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Den 27
pr.
an meines Sohns Geburtstag erhielt endl. eine Antwort von
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Claudius
nebst einem
Avis
von einem
Dedicati
onsExempl. seines Cyrus,
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Bouteill.
Rheinwein davon 1 noch einmal so alt soll seyn als ich, u 3
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Spielzeugschachteln für meine Parcen, welches alles heute richtig angekommen, und
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3
Bout.
an Beichtvater, Hofhalsrichter Hippel u
Commere Courtan de la part
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du bon Compere
aßignirt sind. Mit den 3 übrigen zweifele bis zur Ostermeße
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auszukommen.
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Aber am Michelstage war die Freude noch größer. Wie abgeredet, kam ein
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Pack vom Landsmann u Gevatter
aus
Weimar, gleich einer mit Äpfeln
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gestopften Gans mir in das offene Maul geflogen. Die Äpfel waren ein allerliebstes
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Bändchen in 2 Theilen von 24
Briefen, das Studium der Theologie
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betreffend
, ein
Mst.
einer bereits in Druck erschienenen merkw. Schrift des
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nunmehr seel. Superintendenten
Ziehen
, welcher aus einem wunderbaren
S. 225
Buch
Chevilah
,
von dem ich mir keinen Begrif machen kann, aber darnach
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ringen werde, eine Reihe von Erdbeben weißagt bis 786, wodurch 7000 Oerter
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am Rhein zu Grunde gehen sollen. Das erste ist am Ende des Febr. wirklich
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eingetroffen, u die Anzeige davon hat er im vorigen
Xbr.
an die Regierungen
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zu Braunschw. u Hannover gethan, das nächste ist auf den 28
pr.
festgesetzt,
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u die Witterung scheint auch diese Erfüllung wahrscheinlich zu machen. Das
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wichtigste für mich ist eine kleine Abhandl. über die Hieroglyphen u ihre
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Sprachkunst, welche der Autor sich rühmt in 6 Jahren herausgebracht zu
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haben, die Construction u Auflösung aller Hieroglyphen. Der ganze Knoten
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beruht aber auf das Buch
Chevilah
, welches für mich ein Wunder aller
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Wunder ist, u nach deßen Begriff ich mehr schmachte als nach der Kritik der
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reinen Vernunft – ob es wirkl. so ein Buch unter dem rabbinischen Wuste
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geben sollte, weiß ich nicht. Allenfalls fragen Sie doch Ihren Bocher oder Ihren
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neuen
Rector
um in
Wolfii Bibl. Rabbin.
darnach zu suchen.
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Zitterland hat sich die Werke des
Retif
verschrieben u erbietet sich zum
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Uebersetzer. Wenn selbige ankommen, will ich ihn selbst an Sie weisen.
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Melden Sie mir auch ob Sie von Hofpr. Schultz Verleger werden u wovon?
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Ist eine Gegenantwort nöthig so bitte selbige auch an mich zu richten. –
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Ich mag gar nicht
der zweite Uebersetzer
seyn; und meine
Arbeit ist
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garnicht
verloren
. Darum schrieb ich Ihnen eben, u Sie kommen mit einem
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Exempl. der Uebersetzung davon. Ob mein kleiner Anhang Ihre Erwartung
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erfüllt hätte, weiß ich auch nicht, und meine
Defect
en werden Sich eher durch
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eine neue Auflage der Sokr. Denkw. der Wolken, der Nachschrift
ppp
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ergänzen laßen. Vielleicht verwandelt sich auch der erste Embryon in ein
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Bändchen
freymüthiger Briefe die natürl. Religion betreffend
. Hier
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wird das Gerüchte immer allgemeiner u wahrscheinlicher daß Nachbar Stark
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die freymüthige Betrachtungen über das Christentum geschrieben und auf
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die war meine Uebersetzung hauptsächlich gemünzt.
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Was Sie mir von meiner Frau Gevatterin als Verlegerin schreiben, versteh
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ich nicht. Soll die Andräische Uebersetzung auf ihre Unkosten verlegt werden
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oder für ihre Rechnung. Er denkt an kein Wort in seinem 3 Qvartlangen
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Briefe, der mir herzlich erqvickt.
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Hänschen hat heute zu Hause gebracht, daß der kleine
Toussaint
bereits
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gestern Abschied genommen. Die Freude hat also nicht lange gewährt.
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Ein wenig zu viel Sicherheit scheint doch zu Ihrem Verlust Anlaß gegeben
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zu haben. Vielleicht Lehrgeld ein künftig größeres Uebel zu verhüten. Gott
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schenke Ihnen gute Gesundheit, gute Nachrichten von dem Kunstschüler und
S. 226
seiner glücklichen Ankunft, wovon mir auch einen Theil ausbitte. Empfehlen
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Sie mich Ihrer Gemalin
ppp
und erwiedern Sie mein Andenken dem
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Chronikenschreiber. Er wird auch im Merkur angemeldet werden. Werben Sie
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dort wacker für meinen Freund Wezel zu seinem Roman. Geben Sie dem
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HE
Rhode
ein paar Scherflein mit. Sie scheinen auf Klopst. gewirkt zu
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haben u ich bin willens ihm ein
Billetdoux
zu schreiben, wenn ich dem
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Claudius
antworte. Werden Sie Verleger von Kant; so sorgen Sie, daß ich ein
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warmes Exemplar bekomme. Vielleicht hilft es zu meinen Brief
en
in petto.
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Und hiemit Gott befohlen nebst einem herzl. Gruß von Hänschen Michel u.
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den Meinigen. Ich ersterbe Ihr aufrichtig ergebenster Freund
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Hamann.
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Adresse mit Mundlackrest:
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Herrn / Herrn Hartknoch / in /
Riga
/
par fav
.
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Vermerk von Hartknoch:
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HE Hamann in Königsberg
16
Empf den 1
6
3
Oct
1780
17
beantw
d
1
Nov
–
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 160–163.
ZH IV 224–226, Nr. 602.
Zusätze fremder Hand
226/15 –17
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Johann Friedrich Hartknoch |