600
214/28
Vermerk von Hamann:
29
Erhalten am Michaelistage 780.
30
Einl. an
geschr.
eod.
31
Liebster Freund, Gevatter u. Altvater H. Es dünkt mich ein Jahr, seit ich
32
Ihnen nicht geschrieben; mein Leben ist aber eine geraume Zeit solche
33
Wanderschaft gewesen, daß mir zum Schreiben weder Lust noch Muße ward. Zuerst sind
34
wir, wie ich Ihnen, dünkt
mich
vorläufig gemeldet, 10. Tage in Ilmenau
35
gewesen, ich, die Mutter u. die 2. ältesten Söhne; es that uns leid, daß wir die
36
andern nicht auch mitgenommen hatten. Die Gegend ist so herrlich, die Luft
S. 215
so leicht u. rein, Berge, Thäler, u. die Fichtenwälder, die auf jenen zum
2
Himmel steigen, so erquickend u. so wie der liebe Schlaf, so alle Speisen
3
außerordentlich gesund, leicht u. wohlschmeckend, daß wir oft sagten: Hier ist gut
4
seyn, hier laßt uns
p.
Wir sind die Haine, Wälder u. Felsen tapfer bestiegen:
5
meine Frau war wie ein Reh überall voran: u. wir fühlten, da wir zu Hause
6
anlandeten, nichts als enge Luft u. zu nahe, zu viele u. drückende Menschen.
7
Wahrlich, man muß
cum grano salis
von
gewissermaasse von ihnen
8
entfernt seyn, um nur wieder einmal, daß man Mensch sei, zu
fühlen
–
9
In Ilmenau fing ich meinen Brunnen an: dem aber das Wetter, das des
10
Morgens sehr kalt war, nicht favorisirte. Die Fortsetzung in der Stadt
11
geschahe, durch Geschäfte u. Beschwerlichkeiten, die man nicht voraussehn
12
konnte, so unterbrochen, daß ich dies Jahr weniger Nutzen, als in irgend einem
13
andern, vom Brunnen gespürt habe u. seit geraumer Zeit unmuthig, schwer,
14
krank u. grämlich bin. Sobald noch warme Tage kommen u. ich etwas frei
15
bin, will ich noch einige Bouteillen Nachkur trinken; vielleicht u. hoffentl.
16
werde ich leichter. Meiner Frauen habe ich auch etwas Unmuth mitgetheilet;
17
er wird sich hoffentl. auch legen. –
18
Außer Ilmenau südwärts, waren wir den 30. Jul. zu Alstedt,
Nordwärts,
19
an den beiden äußersten Enden des Herzogthums also. Hier habe ich Ihren
20
Bekannten, den Mag. u. Titular-Konsist. R. Hase, der bisher Pfarrer in Sulza
21
unter meiner Inspection war, als Superintendenten und Aßeßor des geistl.
22
Untergerichts zu Alstedt eingeführet. Wir
wohnten
logirten auf dem alten
23
Kaiser Schloß, auf dem noch die Ottonen oft gewesen sind u. von dem, weils
24
auf einem schönen Berge liegt, die Außicht rings umher in einen vollen
25
blühenden Garten Gottes, der auch
vulgo
die goldne Au heißt, herrlich war; die
26
Einführung des HErrn Sup. aber ist meinem Innern sogar erfreul. nicht
27
gewesen. Ich hatte es insonderheit mitbetrieben, daß er zu der Stelle
28
vorgeschlagen wurde, weil ich ihn nicht so kannte, als ich ihn hier fand: er ist rauh u.
29
borstig, seine Predigt war herzl. elend, u. ich glaube, er wird in seiner Diöcese
30
eher den Pabst machen wollen, u. den treubeflißnen
P
Weltmann
als den
31
Bischof der Heerde. Er hat sich in Sulza sonst an Sie erinnert; der
Verf.
der
32
Phys. Reisen aber ist Er nicht, sondern ein Hase in Dresden; dieser ist ein
33
starker Dogmatiker u. flinker Uebersetzer insonderheit von Reisebeschreibungen
34
aus dem Rußischen u. andern Sprachen – alles aber blos Lohn-
u.
35
Handarbeit. Seine jetzige Stelle ist schön; nach meiner an Einkünften die
beste
n
in
36
Lande u. an Ruhe der meinigen ungleich überlegen. Er wird also tapfer drauf
37
losübersetzen, so Gott will. Im Anfange des Augusts war ich einige Tage in
S. 216
Gotha, um einen
Ehren
Besuch abzuthun, den ich 3. Jahr schuldig gewesen.
2
Viel Ehre genossen, aber wenig Erquickung gefunden. Acht Tage drauf u. in
3
der Zeit unsrer Geburtstage also kam ein unerwarteter Besuch hier an,
4
Kapellm. Reichard. Er ist mit seiner Frauen, einer geb. Benda, u. 2. Kindern
5
über 8. Tage hier gewesen, weil seine Frau hier 2. verheirathete Schwestern
6
hat u. Er für seine Person hat sich
tägl
. zu uns gehalten. Abend 5. Uhr
7
insonderheit, die Zeit unserer Promenaden war er flink da; wir haben ihm die
8
schönsten Plätze in unsrer Nachbarschaft gewiesen u. er wird sich noch lange,
9
wie er sagt, wenns 5. Uhr schlägt, unsrer erinnern. Er ist ein herzl. guter
10
Mensch, ein lieber treuer Junge, der die Wahrheit sehr liebt, sich ganz nach
11
Claudius zu bilden scheint u. in deßen Musik
am meisten
Klopstockischer Geist wohnet.
12
Klopstocken hat er sich ganz ergeben, wie er denn auch, diesen musikalisch zu
13
deklamiren u. componiren, wenn irgend jemand gebohren scheint. Er hat uns
14
einige Lieder u. Oden dieser Art hinterlaßen u. uns überhaupt von Tage zu
15
Tage mehr erfreuet. Er liebt u. schätzet
s
Sie
sehr, so wie ich ihn denn auch auf
16
eine Art als einen Boten von Ihnen angesehen u. in Ihnen geliebt habe.
17
Sonst hat er hier, weil die großen u. schönen Geister, die den Ton angeben,
18
den Stab über ihn gebrochen haben, zieml. kalte Aufnahme gefunden; aus
19
der er sich aber nichts gemacht, so wie er auch diese nicht einmal gesucht hat.
20
Er hat
grosse
Lust
geha
bezeugt, einmal allein wieder zu kommen u. denn
21
wollen wir mit Ihm sogleich nach Ilmenau
reisen
–
22
Unsre Geburtstäge sind, wie Sie leicht denken, dies Jahr also nicht
cum
23
poculo
summae
hilaritatis
von mir gefeiert worden. Ihres Pathens,
24
August, der sich zuerst einstellet, war ein guter Vorläufer: das Bübchen ist so
25
gesund, schlank u. munter, aller Menschen
Freude
. Am meinigen hatte ich
26
Verdruß
Ärgerniß u. Geschäfte; obgleich Adalbert wenigstens, der
27
springendste, frölichste Knabe, der leichteste unter allen, deßen
t
Tag
es auch ist, Rosen
28
der Freude verdient hätte. Er bekam sie gewißermaasse auch, ein hübsches Kleid
29
zum Geschenk von seiner
Frau
Pathin, der geh. Räthin Frankenberg aus
30
Gotha,
so w
eben da wir zu Tisch saßen: so wie mir denn auch die Mutter
31
in seinem Namen ein hübsches,
sein erstes
Kränzchen u. selbstgemachte Verse
32
brachte, die mich erinnerten, daß ich, so wie er älter würde, von ihm etwas
33
Jugendblut eintauschen möchte. Leider aber ist der Tausch nicht immer zu haben.
34
Ih
res
r
u. Gottfrieds Geburtstag gingen froher dahin; jener in guten
35
Erinnerungen an Ihre bewiesene Liebe
u.
Treue,
die
u.
mit wahrem Wunsche für Ihr
36
Jubilaeum;
dieser wurde mit seinem
Schulcameraden
Voigt, der mit
Ihm
37
ihm in Einem Jahr, nur Einen Tag früher gebohren
ist
u. deßen Eltern (der
S. 217
Vat. ist Regier. Rath hier) grosse Liebe u. Sehnsucht nach uns haben, also
2
einen Tag früher gefeiert u. weil ich eben diesen Tag über den dankbaren
3
Samariter zu predigen hatte, so habe ich in unsrer aller Namen, die wir in
4
dieser Zeit unsre Wallfahrt angetreten,
vota publica, gratesque debitas,
5
numquam satis solvendas,
abgelegt, auch in Ihrem Namen, lieber Fr. u.
6
Mitwandrer. Der Himmel kröne Sie ferner mit seinem Epheu der
7
Verborgenheit u. Gnade u. Immergrüne. Amen.
8
Zu Ihrem Geburtstage sollte dies Büchlein, Briefe, kommen; es ward aber
9
zu spät fertig. Nehmen Sies mit Freundschaft u. Milde auf: es enthält
curas
10
officiales,
die Sie sonst schon durch
Grillen
übersetzt haben. Es ist für junge
11
Leute, Kandidaten
pp
geschrieben, die hier u. an vielen Orten schreckl. in der
12
Wüste sind; leider! aber habe ich in diesen ersten
Theilen
,
noch viel zu Critisch
13
seyn müßen, um es mit diesem Pack nehml. nicht zu verderben; die beiden
14
folgenden Theile sollen, so Gott will, erst enthalten, was mein Herz zu sagen
15
begehret.
Iuvet Deus!
Man schift in solchen Sachen zwischen
Scylla
u.
16
Charybdi
des Jahrhunderts, insonderheit, wenn man, wie ich, zwischen den
17
neumodischen Studien der Akademien u. dem alten Sauerteige der plumpen
18
Unwißenheit,
d
Barbarei
u. Faulheit lebet. Die jungen Leute, die von
19
Academien kommen, lachen über die Art, in der sie von den meisten im
Consistorio
20
examinirt
werden u. ergeben sich, mit dem
Fonds
von Leichtfertigkeit, den
21
sie mitgebracht haben, kriechender Stupidität u. Faulheit – so daß mir fast
22
keine
verkehrtere Art
vorkommt, als die unsrer jungen
Candidaten.
Haben
23
Sie also Geduld mit dieser Lecture;
S
sie thut mir selbst am allerwenigsten
24
Gnüge. Je mehr ich die Autorschaft haße, je mehr komme ich
herunter
25
Berens hat mir mit einem Briefe sein Blatt zur Chronik selbst zugeschickt.
26
Ich werds,
ohngefähr
wie Sie, im Merkur anzeigen: es ist auch die einzige
27
Art – wie er selbst einsieht. Mit dem Rector, M. Snell aus Gießen, ist man
28
zufrieden; Er selbst aber hat mir noch nicht geschrieben.
29
Sulzers Tagbuch kenne ich nicht: den R. de la Bret. auch nicht; letztern
30
aber will gewiß kennen lernen. Nach dem Werk des
Monboddo
habe lange
31
verlangt; aber umsonst. Der P.
Soave
ist mir ein unbekannter Name.
/
Den
32
Verf. der Apol. über die
Apokalyspe
habe nennen gehört oder gelesen; er fällt
33
mir aber nicht gleich bei. Er hat vorige Meße auch Gedichte herausgegeben.
34
Er ist Prediger in Chursachsen. Der Herausgeber der Rosalie ist Bode.
35
Meine 2. Preise in München habe ich Ihnen gewiß nicht vergeßen
36
anzuzeigen: der erste „was wirkten die Dichter in alten Zeiten; was
wirk
t
en
sie jetzt?“
37
der zweite „was für Nutzen gewähren die Niedern Wißenschaften den
S. 218
Höhern?“ Jene war 1778. mit dem Motto:
vtcunque defecere mores pp
diese
2
1779. mit dem Motto:
vt hominis decus ingenium, sic ingenii decus
3
eloquentia.
Die Ak. wird beide herausgeben, aber wie
u.
wenn? weiß ich nicht.
4
Ich glaube in einem eignen Bande Preisschriften.
5
Das Sendschr. an den
Brem.
Beantworter ist nicht von mir; sondern von
6
Häfeli
. Ich habs bis jetzt nicht gesehen. – Ihre Uebersetzung des
Hume
freut
7
mich.
D
Sie Uebersetz
soll nächstens im Merkur u. wo ich kann,
8
angekündigt werden.
9
Es ist sonderbar, daß Sie sich jetzt erst mit Fischern begegnet; da ich doch
10
wirkl. schon von Riga aus ihn mit Ihnen bekannt zu machen suchte u. auch ein
11
paar
Briefe
wo mir recht ist, durch Sie an Ihn bestellt habe. Nachher kamen
12
Sie nach Curland; u. er ist mir so ganz aus dem Auge kommen, daß mir
13
sogar niemand (ich habe Hartknoch eigne Aufträge deßhalb gegeben) ein Wort
14
von ihm hat sagen können: wo u. ob er lebe? Mich freuets, daß er noch da ist
15
u. will, wenn mir Zeit überbleibt, an ihn wenigstens einige Reihen beilegen.
16
Unsre Bekanntsch. u. Freundsch. war erste Blüthe Akademischer Jugend; ich
17
bin begierig, zu wißen, wie es jetzt mit ihm sei. – Ueber Goldbecks Plan soll
18
er sich also
näch
näher erklären.
19
Die Volkslieder an Lauson will ich nicht vergeßen; nur muß es durch
20
Gelegenheit seyn, denn auf der Post ists zu theuer.
21
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon das Abenteuer Ihrer Scherflein mit
22
Klopst. geschrieben? Bode reißt eben nach Hamb. u. in HerzensEinfalt gebe
23
ich ihm den Br. oder vielmehr das ums Scherflein geschlagne Couvert an
24
ihn mit. Er
nimts
an u. schreibt an Bode folgenden Zettel „Sagen Sie mir
25
doch, lieber B., wenn Sie können
u.
dörfen, warum schickt mir Herder
26
eine Schrift zu, die gegen mich geschrieben ist u. in solchem Tone.“ Zum
27
Unglück hatte
B
Bode
es
überhört, daß Sie ihm die Schrift zuschickten, u. wußte
28
also eigentl. nichts zu sagen, als daß ich sie ihm mit sehr guter Miene gegeben
29
hätte u.
nicht
über das Weitere wolle er mich fragen. Da ich mit Kl. in
30
keinem Briefwechsel stehe u. nicht Lust habe, in solcher Sache an ihn zu
31
schreiben, so will ich nächstens an Claudius ein Wort drüber sagen, wenn es nicht
32
Bode an ihn selbst schon gesagt hat. Sie sehen also abermals, daß der Dichter
33
der neuen Republic u. Buchstabenkunst ein Narr ist, woran ich lange nicht
34
mehr gezweifelt.
35
Wenn Sie im D. Museum „Andenken an ältere D. Dichter“ finden: so
36
bitte ichs zu lesen: es ist von mir. Der erste Br. stand im Okt. vorigen Jahrs;
37
der 2te wird vermuthl. in den Okt. dieses Jahrs kommen. Solang hat die
S. 219
Fortsetzung bei mir geruhet. Ueber die Materialien dazu habe ich Ihnen,
2
dünkt mich, in ältern Br. schon geschrieben. – Die Prophezeiung soll beigelegt
3
werden: vielleicht giebts auch Mittel, daß ich Ihnen
Jaques le Fataliste
4
übersenden kann u. darf. Der Prophet der ersten ist, wie ich Ihnen bereits, glaub’
5
ich, gemeldet, gestorben: sein Werk ist unvollkommen u. soll der Sage nach,
6
sonderbare Sonderbarkeiten
in sich fassen. Wie ich auf den letzten
7
Ausdruck
kome
, soll
Ihnen
ein ander Blatt sagen.
8
Das Ende meines vorigen Blatts will, daß ich dies komisch anfangen soll,
9
wie folget.
10
Ein gewißer
George Baron de Monster Landegg
bei Münster, Geh. R. des
11
Kurfürsten zu Kölln u. f. schreibt an den Fürsten v. Hohenloh-Schillingfürst
12
u. seinen Sohn, ihnen den Tod seiner Mutter, Ihrer Tante u. Cousine zu
13
melden, vergißt aber zum Unglück den Titel Durchlaucht u. bekommt darauf
14
statt
seiner
Antwort
vom Fürsten ein
en
Rescript von der Regierung, wie ein
15
solcher Brief mit
befremdeter
Titulatur, Offerte u. Curtoisie eingegangen u.
16
Serenissimor. nostror.
Durchlauchtigkeiten mit solchen Zuschriften ferner
17
verschont bleiben wollten. Der Baron schreibt an den
Mr. le Prince
darauf
18
Französisch selbst u. bietet ihm auf eine höfl. Art einen Duell an: der Fürst
19
antwortet ihm im jämmerlichsten Schulfranzösisch, u. lehrt ihn, daß ein
20
Fürst sich nicht duelliren könne, daß er
depositaire
des Reichs über die
21
Gesetze gegen den Duell sei, daß Ihm, dem Baron, gnug Ehre geschehen, da durch
22
die Regierung u.
die
nicht durch die Kanzlei an Ihn, den Baron, der nur
23
von
basse
nicht
haute noblesse
sei, sei
protestirt
worden u. f. Der Baron
24
schreibt abermals auf dies lächerl. Schreiben, das 50. mal jeden Perioden mit
25
apprenés
anfängt u. endet den Briefwechsel spöttisch: fängt ihn aber bald
26
wieder an, da der Fürst in Frankf. sich nach ihm erkundigen lassen u. hönisch
27
von ihm geredet. Er fodert ihn also nochmals heraus, droht seine Briefe
28
drucken zu lassen, zieht sein Ländchen durch u. fodert nochmals, hie, da, dort,
29
hin sich zu stellen, mit obgenannter Drohung. Keine Antwort erfolgt u. er
30
läßt die Briefe drucken, unter denen der letzte es betheuret, daß er ihn
jusque
31
aux portes de l’Enfer
verfolgen wolle. Der Fürst hatte
es s
den
cas
in
32
seinem Briefe den zweiten Perioden angefangen:
comme le cas est inoui et
33
singulierement singulier
– darauf bezogen sich meine sonderb.
34
Sonderbarkeiten. Doch gnug von den
Poßen –
–
35
Moser ist abgegangen, weil er dem Landgrafen noch ein Regiment stellen
36
sollen, das unmögl. das Land ertragen können. Der Landgr. antwortet: da er
37
schon so oft um seinen Abschied angehalten u. ers müde sei, sich den Hund vor
S. 220
die Thür werfen zu lassen, so solle er ihm gegeben werden. Dabei, sagt man,
2
habe Moser die Versicherung, die er beim Antritt seiner Dienste auf
3
lebenslängl. Pension erhalten, in seiner letzten Protestation mit beigelegt u. der
4
Landgr. sei so schlecht gewesen, sie wiederzunehmen.
M. hat
Wenige Zeit
5
darauf hat M. an mich geschrieben u. sich selbst zu seiner Ruhe Glückgewünscht.
6
Er hat
Bücher u.
seine Galerie verkaufen lassen, worinn schöne Stücke
7
waren u. die auch theuer weggegangen seyn soll: den kostbaren, neu angelegten
8
Garten hat ihm der Erbprinz abgekauft u. das Erste ist gewesen, darinn die
9
Statue der Freiheit zu zerstören. Er wohnt in Zwingenberg nahe bei
10
Darmstadt, einem kleinen Landgut, das ihm gehört, denn
auch
auf große Dinge
11
hat ers im
Einsammlen
nicht
angelegt u
und er hat mehr oder soviel
12
ausgegeben, als er eingenommen
hat
u. dies ordentl. als Staatsmanns-Maxime
13
betrieben. Das Land verliert viel an ihm d. i. die Geschäfte des Landes; denn
14
ich kenne die andern HErren u. mein
HE.
Schwager ist
s
jetzt wieder im
15
Conseil
der Erste, außer daß der Erbprinz Mosers Stelle vertreten
soll
. Man
16
sagt, die Landcommißion soll seinen Credit ruinirt haben; bei der gewiß seine
17
Absicht
(eventus fefellit spem)
gut gewesen. In Abtragung der Schulden ist
18
er die Ordnung selbst gewesen u. alle Creditoren loben ihn; das wird jetzt bei
19
den
R
neuen Regimentern wieder stecken bleiben u. vielleicht gar mit der
20
Zeit eine Kaiserl.
Com
Schulden-Commißion, die bisher Er allein
21
abgehalten hat, ihn rächen. Was er jetzt macht, weiß ich nicht, denn ich habe ihm leider!
22
noch nicht geschrieben.
23
Lavat. hat hier an Göthe einen großen Briefwechsel über Waser
entamir
t,
24
über den ich Ihnen mit meinem Urtheil nicht vorgreifen
will
: vielleicht kann
25
ich Ihnen ihn ganz schaffen. Göthe ist mit dem Herzoge wieder auf einer Reise,
26
die 14. Tage werden soll u. gewiß länger werden wird. Mit Lav. bin ich seit
27
Jahr u. Tag aus allem Briefwechsel.
28
Claud. hat lang nicht geschrieben: Reichard, der ihn vor wenigen Wochen
29
besucht hat, sagt, er sei wohl.
Otium cum voluptate
scheint sein Symbolum
30
zu seyn, nicht eben
cum dignitate;
doch lobt ihn Reichard sehr, daß er sich
31
der ihm anvertrauten
Jacobi
schen Kinder sehr annehme.
32
Meine Fr. hat eine schmerzl. Trauer an dem Tode
Ih
ihrer
Schwägerin, einer
33
jungen Frauen von
kaum
einigen
20. Jahren, gehabt, die sie noch nicht
34
verwinden kann. Das Herz ihres Bruders hat an ihr, als seinem
35
langgesuchten Einzigen Gut auf der Erde gehangen: die erste üble Entwöhnung hat sie
36
von ihm genommen, u. er kann sich noch nicht fassen u. trösten.
37
Unser
Herzogin ist auch nicht, noch immer nicht recht wohl u. der Brunne
S. 221
hat ihr dies Jahr nichts geholfen. Ein Bad wäre das Einzige; dagegen ist aber
2
Knickerei des Herzogs, u. kriechende Arglist der
Arzte
, die sie nicht aus ihren
3
Klauen lassen wollen.
Pereant Philisti
ni
!
4
Der Statthalter ist seit geraumer Zeit nicht in Erfurt, sondern hält in
5
Würzburg,
Worms
.
,
wo er überall Domherr ist, seine Residenzen. Ihr Brief
6
indeßen kommt gleich an ihn, weil sein Hofrath u.
Chargé d’affaires
in
7
Erfurt ist u. Sie werden bald Antwort haben.
8
Gnug von u. mit meinem armen Zeitungsbriefe. Sie sehen, mein
9
Lobgesang steht jetzt auch Jes. 24,
16.
oder
Ψ
88, 16. Doch hoffe ich wieder
10
emporzugrünen aus dürrem Staube. In der Literatur reizt mich wenig oder nichts;
11
das meiste ärgert mich, besonders was aus Göttingen kommt. Keine Kraft ist
12
in meinen Gebeinen u. kein Lebenssaft in meiner Seele. Die Lage meiner
13
lieben geistl. Geschäfte ist auch, daß Gott erbarm! überall Eckel u. nirgend
14
Aufmunterung, nirgend Hofnung, nirgend kaum werth, daß man den Finger
15
rege. Leben Sie glücklich, lieber H. u. geniessen Ihres Väterl.- u.
16
Brudererbtheils in Ruh u. Segen. Ihr Hüterdienst, da Sie die Schätze des Landes
17
bewachen u. nicht berühren, ist der beste Dienst, den man dem Mammon
18
leisten darf,
u
weil er andern beßern Dienst nicht hindert. Komme
nach
19
mit dem 50. Jahr alles Glück u. innere Wohlseyn über Sie, das u. mehr als
20
ich mir selbst wünsche. Meine Kinder sind wohl u. Wilhelm, der eine
21
Zeitlang mit Schwären hie u. da gekämpft hat, scheint sich glückl. durchzuwinden.
22
Er wird, wie Reichard ihm angesehen hat, u. muß ein Seefahrer werden u.
23
einige mal die Welt umschiffen, so wohl ist ihm auf seinen Beinen. Gottfr.
24
blühet, wie eine stille verschwiegene
Blume. Leben
Sie wohl u. lieben uns, wie
25
wir Sie lieben. Meine Frau empfielt sich Ihnen herzlich.
26
Ihr ewiger treuer
27
Herder.
W.
den
9. Sept. 80.
28
Am linken Rand der letzten Seite quer geschrieben:
29
Von Roußeau trägt man sich mit Dialogen von u. über ihn selbst, die ihm
30
sehr nachtheilig seyn sollen. Sobald ich etwas habhaft werde, solls zu Ihnen
31
herüber. Ich glaube, es ist ein Gemächt der Encyklopädisten, seiner Feinde.
32
Am linken Rand der ersten Seite quer geschrieben:
33
Hier ist Mosers Br. selbst; Sie schicken ihn gefälligst wieder.
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 19–20).
Bisherige Drucke
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 154–161.
ZH IV 214–221, Nr. 600.
Zusätze fremder Hand
214/29 –30
|
Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
214/29 –30
|
Erhalten […] eod.] |
Hinzugefügt nach der Handschrift. |
214/34 |
mich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mich, |
215/8 |
fühlen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: fühlen. |
215/18 |
Nordwärts, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Nordwärts |
215/30 |
P Weltmann ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Weltmann |
215/31 |
Verf. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Verfaßer |
215/34 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
215/35 |
beste n |
Geändert nach der Handschrift; ZH: beste |
216/11 |
am meisten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ein |
216/15 |
s Sie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
216/20 |
grosse ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: große |
216/21 |
reisen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: reisen. |
216/25 |
Freude ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Freund |
216/27 |
t Tag ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Tag |
216/34 |
Ih res r ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ihr |
216/35 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
216/35 |
Treue, die u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Treue, u. |
216/36 |
Schulcameraden ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Schulkameraden |
216/37 |
ist ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ist, |
217/12 |
Theilen , |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Theilen |
217/18 |
d Barbarei ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Barbarei |
217/24 |
herunter ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hinein. |
217/26 |
ohngefähr ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ungefähr |
217/31 |
/ ]
|
Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel. |
217/32 |
Apokalyspe ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Apokalypse |
217/36 |
wirk t en ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: wirken |
218/3 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
218/5 |
Brem. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bremer |
218/7 |
D Sie Uebersetz ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Die Uebers. Sie |
218/11 |
Briefe ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Briefe, |
218/18 |
näch |
Geändert nach der Handschrift; ZH: nach |
218/24 |
nimts ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nimmts |
218/25 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
218/27 |
B Bode ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bode |
219/7 |
kome ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: kommen |
219/14 |
seiner ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: einer |
219/34 |
Poßen – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Poßen. |
220/11 |
angelegt u ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: angelegt, |
220/11 |
Einsammlen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Einsammeln |
220/12 |
hat ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hat, |
220/14 |
HE. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: HE |
220/24 |
will ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: wolt |
220/32 |
Ih ihrer ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ihrer |
220/33 |
kaum einigen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: einigen kaum |
220/37 |
Unser ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Unsere |
221/2 |
Arzte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ärzte |
221/5 |
Worms . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Worms, |
221/9 |
16. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 16 |
221/24 |
Blume. Leben ]
|
Geändert nach der Handschrift; in ZH steht ein Absatz nach dem Punkt. |
221/27 |
den ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: d. |