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S. 199
Kgsberg den 22
Junii
80.
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Liebster Freund,
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Unsern Prof. Kant hab ich so lang nicht gesehen, als wir uns ein ander nicht
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geschrieben haben. Gerüchte von Ihrer Rückkunft nach Berlin machten mich
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selbst in Ansehung Ihres gegenwärtigen Auffenthalts ungewiß.
D. Joel
ist
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seit 14 Tagen hier, hat
en galanthomme
zu seinem Besuch Hofnung machen
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laßen, aber
en
Scheerenschleifer Wort gehalten. Mein Drang u Sturm an Sie
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zu schreiben war der Tod des zeitigen
Rectoris Magnifici Christiani,
der diese
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Woche plötzlich verschieden u todt in seinem Bette gefunden worden,
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ohngeachtet er noch den Abend vorher munter in seinem Garten zugebracht haben
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soll. Dieser Vorfall also war der
medius terminus
zu meinem Besuch bey
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unserm Kant; der eben im Begriff war an Ihren Mäcen zu schreiben, der
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ihm Engels Versuch über eine platonische Dialectick zugeschickt hatte und Sr.
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Excell. an die gegenwärtige
Vacantz
für Sie
praeveni
ren wollte. Zugl. wurde
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mir aufgetragen, nur getrost nach Göttingen unter Ihrer alten
Addresse
dies
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gleichfalls zu melden um das Nöthige von Ihrer Seite auch zu thun. Ihr
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Heimweh nach dem gelobten Lande und seiner
Alma Mater Albertina
kann so
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groß nicht seyn als unsere Lüsternheit und Sehnsucht Ihnen zu Fuß und zu
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Pferde entgegen zu wallen. Ihr Freund Biester wird Ihnen den nöthigen
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Termin
oder Gelegenheit zu Ihrer Ankunft auch bewürken können, nebst
der
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Erlaubnis
dort mit weniger Kosten den Magister
gradum
zu erhalten u
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mitzubringen.
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Ich schreibe dieses vor dem Sprung ins Bett, um keinen Posttag zu
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versäumen. Haben Sie wenigstens die Gegenliebe für mich dem Empfang des
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Gegenwärtigen aufs baldigste zu bescheinigen, und ohne sich mit Fleisch u
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Blut lange zu besprechen, noch spröde und blöde zu thun, die Gelegenheit
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zu ergreifen; da die
Prof. Politices
Ihrem gegenwärtigen Geschmack
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günstig ist.
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Für das
Bibliothec
ariat wird hier durch das Gräfl. Kayserlingksche Haus
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bey der
Wallenrodt
schen Familie vermuthlich gesorgt werden. Es wird also
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blos nächst dem Göttl. Willen auf Ihr
Dicat
Ja! ankommen.
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Bitte Ihre Rückreise über Weimar zu nehmen und unserm Landsmann
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meinem Gevatter und Gevatterin die Aufwartung zu machen, und Ihm zu
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Seinem dritten Ehrenpreiß Glück zu wünschen. Ehe Sie Göttingen verlaßen,
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consuli
ren Sie Ihren Panglotten Büttner über das geheime Wort
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Konxompax.
Ich habe den Ursprung davon in der
Thibet
anischen Sprache
S. 200
vermuthet, aber
Georgi Alphabetum Thibetanum,
das ich in diesen Tagen
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durchgelaufen, hat alle meine Erwartung vereitelt – Hier begegnete mir ein eigener
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Vorfall am Lichte, das ein sogenannter Wolf oder Dieb auslöschte u von
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neuen wider anzündete. –
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Ich habe in diesem meinem 50sten Jahr einen podagrischen Anfall in
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meinen beyden Zehen gehabt, zu Anfang des Aprils – Die Meinigen
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befinden sich nach Wunsch, Gottlob! Hänschen soll bey Freund Hartknoch in die
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Lehre.
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Mlle
Stoltz ist diesen Winter nach Curl. abgereist und bey HE von
Fircks
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in
Drubenalcken,
von wo den ersten Brief diese Woche erhalten. Ihre Stelle ist
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durch eine Litthauerin
Mlle
Schimmelpfennig bereits besetzt, die heute
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zwischen Brahl u
Zitterland
den Abend bey mir zugebracht.
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Eine Nachtigall hat diesen Sommer mein Wäldchen sehr angenehm
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gemacht, aber ist bereits zum Stillschweigen gebracht.
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Kypkens Nachfolger ist noch nicht hier, wird aber nunmehr für gewiß
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erwartet.
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Luthers Schriften sind seit meinem Podagra meine Hauptlectur, und sein
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Genius Schiblemini
mein
Oberon
! mein
pium desiderium!
mein
vltimum
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visibile!
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Leben Sie nach Herzenswunsch. Grüßen Sie Ihren H. Mündlich mehr.
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Nun ruhen alle Wälder
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Vieh, Menschen Städt u Felder
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Es schläft die ganze Welt –
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Johann Georg Hamann.
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HE. Prof. Kant meynt, daß es für Sie oekonomischer seyn würde dort zu
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magistri
ren, weil es hier 50 rth kostet. Hiezu muß aber die Erlaubnis des
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Ministers gewißermaßen nöthig seyn. Erfreuen Sie mich bald mit den besten
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Nachrichten von Ihrer Gesundheit u Ihren Entschlüßungen. Und hiemit
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Gott empfohlen.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 3.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 148 f.
ZH IV 199 f., Nr. 593.