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Nun, lieber H., Sie vergelten Gleiches mit Gleichem u. haben mir jetzt auf

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Brief über Brief nicht geantwortet. Sie haben doch einen Br. über die Post

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mit 1. Ex. Ihre
s
r Scherflein u. nachher durch Hartkn. einen andern mit den

S. 188
übr. Ex. u. einem Pack Allerlei empfangen? Ich freue mich auf einen Br. von

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Ihnen wie auf eine wiederkehrende Frühlingssonne: denn jetzt ist, nach einer

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große Hitze vor 8. Tagen, sehr, sehr kalt.

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Gestern bekam ich von Formei einen Br., darinn er mir zur
papauté
meiner

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triple couronne
Glückwünscht u. anzeigt, daß ich den Preis der Frage: über

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den wechselseitigen Einfl. der Wiß. u. der Regierung erhalten. Sie wißen, ich

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war nach dem 3. Kranz lüstern, und ich habe meinem 4. Sohn Adelbert, als dem

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1780. an meinem Geburtst. gebohrnen, die Münze feierlich zuerkannt. Mir

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kommt der kleine Stern nicht zur Unzeit u. wir gingen, ich u. meine Frau, die

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aber diesmal nichts gethan als vorgelesen, nicht abgeschrieben hat, gleich nach

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Empfang des Briefes, in die freie Luft, dem Gott der Wolken u. des Windes

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mit einem freien Athemzuge zu danken. Ich weiß, Sie nehmen auch Antheil,

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lieber Gev., an dieser Kinderei: im Grunde ists mit dem Literaturwesen doch

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nichts als Kindheit.

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Hier reist Alles. Der Herzog ist mit der Herzogin in Deßau. Göthe in

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Gotha: Knebel, der beim Prinzen ist, geht in die Schweiz: Seckendorf ist eben

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aus Franken zurückgekommen: eine andre Partie geht übermorgen hin. Nur

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ich muß wie ein
stipes in terra
stehn bleiben. Sobald es warm ist u.

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Adelbert die Mutterbrust verlohren, wollen wir also, ich, Mutter u. Gottfried nach

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Illmenau, eine sehr angenehme Stadt im Thüringerwalde. Da will ich

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wenigstens den Pyrmonter zuerst entsiegeln, u. auf den Bergen des hohen Walds

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einige Ruhe atmen – – Apropos der Berge. Ist die Weißagung des

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Zellerfelder Propheten, daß ein großer Theil von Deutschland vom Gotthard den

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Rhein hinab bis nach Wezlar durch Erdbeben u. Sinken untergehen u. gegen

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8000. Ortschaften groß u. klein Schaden nehmen sollten, bis zu Ihnen

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gedrungen? Sie ist Physisch (nach einer sehr eignen Physik) u. Kabbalistisch aus

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dem Buch Chevilah, das er für die älteste Hieroglyphenschrift hält, abgefaßt

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u. ich habe sie, wie sie ist, abschreiben laßen, um
S
sie Ihnen zum Spaß zu

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schicken. Da hat aber meine Fr. sie an Knebel gegeben, der sie mitgenommen

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haben muß u. Sie müßen also warten, bis er sie wiederschickt. Sie könnens

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auch: denn Sie wohnen ja nicht in der Senke, sondern wie dem Magus

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gebührt, gen Mitternacht am Ufer des Meers. Es soll ein stiller, bescheidner

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Mann seyn, u. hat diese Erklärung, (die mit dem Erdbeben des Febr. gerade in

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den Tagen u. dem Strich nach, den er angegeben, im kleinen Vorspiel

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eingetroffen) an die 2. Regier. zu Braunschw. u. Hannover, Decemb. vorigen Jahrs

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gesandt u. sich zum Eide seiner Ueberzeugung davon, erboten. Vielleicht

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erfährt man noch ein mehreres – –

S. 189
In Kypkens Catal. ist sogar viel nicht für mich, u. da es soweit ist, mags gar

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bleiben. Man hat u. schafft sich des Papierzeugs doch schon satt u. zu viel.

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Ist Dieterich schon dort, sein Nachfolger? – – Was macht Kant? bekommt

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man weiter nichts von ihm zu lesen?

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Haben Sie die
Denkwürdigkeiten
des
d’Augbigne
an seine Kinder

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gelesen? Ich habe das Buch nie nennen gehört u. da erscheints übersetzt, eine

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sonderbare, merkwürdige Schrift eines sonderbaren,
mer
außerordentlichen

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Mannes. Sie ist jetzt unsre Abendlekture u. wenn ich sie durch bin, will ich doch

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an
Mornay’
s Leben auch von ihm selbst geschrieben, gehen. Was sagen Sie zu

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den frei
en
müthigen Betrachtungen übers Christenthum? Wißen Sie nicht,

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wer der Verf. seyn mag, doch nicht Starke?

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Schreiben Sie doch etwas von Har
k
tknoch. Mir hat er sonderbar verwelkt

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u. verschrumpft geschienen an Leib u. Seele: mich dünkt, – wie hier ein

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Collega Spiritualis
vo
m
n des andern Fähigkeit Neujahrspredigten halten zu

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können gesagt hat – er läuft auf den letzten Stumpfen. – Gott befohlen,

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lieber H., schreiben Sie doch bald u. verzeihen Sie die Leerheit u. Eile meines

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Briefes. Ich wollte, wo die Götter es so wollen, der Zeitungsfama

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zuvorkommen u. Ihnen meinen Sieg selbst melden. Adieu, adieu, tausend Grüße u.

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Liebesagereien von Ihrer Gevatterin u. Gevatter
H.


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Adresse:

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Herrn / Herrn J. G.
Hamann
/ Aufseher des Königl. Packhauses / zu /

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Königsberg
/
in Preußen
. /
fr. Berl.


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Vermerk von Hamann:

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Erhalten
Dom. V. p Trin.
780. 25 Jun.

25
geantw.
eod. et
26 Jun.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 204–205.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 133–136.

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 152–154.

ZH IV 187–189, Nr. 591.

Zusätze fremder Hand

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–25
Johann Georg Hamann