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Kgsberg den 26 Jänner 80.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Sie haben mir einige Tage im Sinn gelegen und gestern erhielt Ihren Brief
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nebst dem Fäßchen
Caviar
und einem Päckchen Bücher. Ersteres habe mir
S. 161
noch denselben Abend recht herzlich schmecken laßen, ohngeachtet ich seit
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Sonnabend nicht aus dem Hause habe gehen können und daher nicht weiß
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ob ich das Vergnügen haben werde den mir bis
dato
unbekannten
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Ueberbringer Ihrer Gaben kennen zu lernen.
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Den 10
huj.
besuchte mich HE
Prof. Reusch
des
Passerii
wegen den sich
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auf seine Empfehlung der alte Minister v.
Rhode
ausgebeten hatte zum
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Ansehen, mit dem man aber
tempo
risiren muß. Durch seinen
Colleg
en
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Prof.
†feld den
Sub Bibl.
hab ich erfahren, daß er die
Acquisition
für gut
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erkannt, aber so schwierig ist zu den kleinsten Ausgaben als wenn sie aus
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seinem eignen Beutel giengen. Auch müßen wir besorgen daß er sich unter
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der Hand nach dem Preise erkundigt, weil er bey seinem Alter u Geschäften
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sich noch viel mit
Lectur
abgiebt. Sie haben mir einmal von 16 #
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geschrieben u diesen Preis hab ich angegeben auch den mindern von 15 dem
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Unterhändler anvertraut. Weil
Reusch
mir noch nicht das Werk
remitti
rt;
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so vermuthe ich daß er Hoffnung haben muß es noch anzubringen. Daß wir
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beyde nicht in Verdacht eines Gewinns kommen: wär es jetzt Zeit das
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genaueste zu sagen. Sind Sie sicher es mit mehr Vortheil loß zu werden: so ist
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doch immer die Unbeqvemlichkeit des
Transports
eine Vertheuerung. Wir
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sämtl.
Interessent
en, die beyden
Bibliothecarii
neml. die meine alte u innige
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Freunde sind, wünschen mit mir es hier zu behalten; aber unsere kurzen
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Hände wißen Sie auch.
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Mein zweyter Anlaß Ihnen zu schreiben war, wegen der unverantwortl.
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Grobheit des Hartungs, dem ich wünschte Ihre ganze Empfindlichkeit merken
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zu laßen. Ein Päckchen von unserm Herder, das er mir selbst gestand von Ihnen
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empfohlen zu seyn, hat sich von der Meße an im Buchladen umgetrieben u
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läge vielleicht noch da, wenn ich nicht durch einen Wink aus Weimar wegen
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eines andern Päckchen worinn ein Exempl. des Gesangbuchs nebst einem
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Alphab. Thibetano
des
Georgi
enthalten seyn soll, bekümmert gewesen und
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deshalb am letzten Weynachtsfeyertage selbst angesprochen wäre. Hier fand
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ich Kanter bey ihm – Sie können sich den Eindruck dieser unerwarteten
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Zusammenkunft für alle 3 kaum denken – u hörte von einem Päckchen an mich.
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Ich freute mich schon und es war ein offenes
Couvert
für ein Exempl. des
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Maran Atha
an seine Schwester nebst einem einliegenden Briefe. Alles offen
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hatte sich so lange im Buchladen herumgetrieben. Wenn ich ein Besucher des
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Licents
wäre – aber die Zeit der Widervergeltung wird nicht ausbleiben.
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Außer dem Päckchen von Herder müßen sich noch andere Dinge dort
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umtreiben z. E. von Kleuker. Auch Kreutzfeld hat einen Lumpenbrief von
Voß
(den
S. 162
ich zum Nachfolger Ihres Schlegels wünschte) wegen seiner Odyßee erst diesen
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Monath erhalten –
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Buchbinder gehen hier zu Grunde u selbst baare Käufer finden nichts. Ob
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es Blindheit oder auch Noth ist, kann niemand erklären. Man schließt stark
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aufs letztere – und redt auch von Unterhandlungen wegen des verwaysten
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Ladens um 18000 rl. Vielleicht giebt Ihnen Ihre beßere Gesundheit und
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Patriotismus und Familienverbindungen Muth ins Mittel zu treten.
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Wenigstens scheint mir die Sache nebst den
Coniunct
uren derselben Ihrer
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Ueberlegung werth zu seyn.
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Mein Exempl. des Konxompax das ich Arndt zugedacht liegt hier und wartet
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auf Gelegenheit. Entschuldigen Sie und danken Sie unterdeßen in meinem
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Namen wegen Fortsetzung des Journals. Um den letzten Band bald gebunden
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lesen zu können wünschte ich den
X
br. bey erster guter Gelegenheit. – Ist
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Andersons Geschichte noch nicht zu Ende? Lauson hat mir sagen laßen schon längstens
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seine Rede auf Simon Dach dem HE
Banco Dir. Rappolt
zugestellt zu haben.
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Von Gevatter
Claudius
bin heute nach einem halbjährigen eigensinnigen
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Stillschweigen mit einer Antwort endl. erfreut worden, aus welcher folgende
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Stelle Ihnen mittheile. „Neul.
c.
10 Wochen gieng hier ein junger feiner
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Engl. durch der nach Mitau gehen wollte; ich gab ihm einen Gruß an Euch
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mit und er sagte, daß er ihn bestellen wollte. Was macht der gute
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Hartknoch
? Er soll ja sehr krankhaft seyn und nicht wieder nach
Leipzig
können
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oder wollen oder alles beydes. Grüßt Ihn gelegentlich vielmal von mir und
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wünscht ihm gute Beßerung“.
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Gott gebe daß Sie unsere Freude und Erwartung Sie
in extenso
hier zu
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sehen bald erfüllen mögen und schenke Ihnen Gesundheit und Kräfte, Leben
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und Seegen, Lust und Glück zu Unternehmungen. Ihren HErrn Vetter
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wünscht ich noch zu sehen näherer Nachrichten wegen Ihre Gesundheit
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betreffend. Ihr gänzl. Stillschweigen darüber macht mir gute Hofnung, daß Sie
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alle Ihre bisherige Uebel so gänzl. verloren als vergeßen haben.
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Empfehlen Sie mich bestens Ihrer lieben Gemalin. Was für Freuden
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warten hie auf Sie – Ein neuer Bruder, eine neue Schwester. – Was für Freude
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wird Sie Ihrer ältesten, meiner Frau Gevatterin mitbringen, an Carlchen?
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Meine stille stumme Zufriedenheit über Ihr Widersehn soll all dieses
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Freudengewühl ausstechen. Denn ungeachtet meiner 50 Jahre ist hier noch Feuer
in
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petto.
Das macht alles Ihr Caviarfäßchen, aus dem ich wieder gelöffelt statt
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alles Abendbrodts. Hat er doch meine Augen wacker gemacht, wie Jonathans,
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daß ich noch ohne Brille dem Himmel sey Dank und bey einem 2 gl. u einem
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Pölkerlicht schreiben kann – Nach genauer Untersuchung ist ausgemittelt
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worden daß es weder ein 2 gl. noch ein Pölkerlicht – Sie verstehen doch
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noch Ihre Muttersprache sondern 2 zu einem Düttchen ist, bey dem ich
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schreibe.
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A propos!
noch ein kleiner
Extract:
Schmidlin ist in großem Mangel und
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Elend gestorben zum Trost anderer Gelehrten, die sich bey Zeiten auf so etwas
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gefaßt machen können – (Der Kerl meynt doch nicht Sich oder mich?) Er
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hatte einen
Contract
über das
Cathol.
mit dem Pr. Minister HE von
Hecht
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geschloßen und der traute nicht mehr, und so konnte Schmidlin das Werk nicht
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weiter drucken laßen und hatte für sich u seine Familie den äußersten Mangel.
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Campe hat noch für ihn an den Herzog
Ferdinand
geschrieben und der wollte
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1000 rth zur Fortsetzung des Werks herschießen. Als aber die Nachricht kam,
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war Schmidlin eben todt und der Herzog hat der Wittwe 100 # geschenkt.
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Stephan
gieng über sein
Lexicon Kaporis,
Schmidlin stirbt über seins aus
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Gram u Hunger u. doch darf das Publicum und so ein Scheiß
recensent
sich
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erfrechen über ein schlechtes
Lexicon
und den Mangel an guten zu klagen.
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Nicht wahr Gevatter hätten wir beyde eine Saltztonne mit
Federics d’or
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müßig stehen gehabt, wir hätten so eine lederne Katze voll hergegeben und
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wäre es auch nur blos gewest die unsägl. Mühe und das rechte Eselsjoch des
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Verf. auf einige Art erträglicher zu machen und zu belohnen. Mir sind
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überhaupt seit einiger Zeit verschiedene Fälle vorgekommen, daß ich mich fest
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entschloßen habe noch reich zu werden. (Ja wenn’s den beyden
respecti
ven HE
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Gevattern nur nicht an
sensu communi
fehlte!)
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Grüßen Sie den ehrl. George von mir. So sehr ich mich gefreut hätte Ihn
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zu sehen: so lieb
es mir
ist es mir die betrübte Veranlaßung dazu gehoben
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zu sehen, welches ich wenigstens aufrichtig wünsche. Ich hab mich nach der
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Zeit um nichts weiter bekümmert; aber desto mehr Ursache bekommen mit HE
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Bruinvisch sehr unzufrieden u mistrauisch zu seyn, da er ohngeachtet seines
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widerholten Versprechens u meiner Erinnerung mir
zwey Voßische
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Musenalmanache
, die Andenken des Verf. sind, und
Campens
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Weynachtsgeschenk
, das mein Sohn zum Andenken von meinem ältesten Freunde
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erhalten, noch nicht hat wider zustellen laßen, wie ich ein Schachspiel u
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Schächtelchen das dazu gehörte – worüber noch einen Schein des jungen Menschen in
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Händen habe. Das übrige wird sich alles von selbst entwickeln. Gott gebe daß
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der alte würdige Vater so gut davon komme als des Kameraden seiner. Vom
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Deserteur
ist nun alles gantz stille.
S. 164
Den 28 Jänner.
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Wünsche dem HE Lenz zu seiner Versetzung Glück. – Wenn Sie können
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antworten Sie noch einmal wegen
Passerii
und unserer dabey obwaltenden
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Bedenklichkeiten, im Fall sich der Minister anderswo Erkundigung einziehen
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sollte – und wenn Sie
zugl
aufgeräumt dazu
seyn
sind so legen Sie ein
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Strimelchen Papier bey, worauf Sie bescheinigen des Gevatters
Asmus
Gruß
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durch mich erhalten zu haben. Ich will es zum Spaß beylegen. – Laborire an
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Einem Bogen über
die neueste Litteratur
, den ich gern aus dem Kopf und
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aufs Papier haben wollte. Einen Herzl. Gruß von meinem sämtl.
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Hausgesinde. Marianchen läuft schon wie eine Wachtel, hat gehen gelernt ohn
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Leitband u Fallhütchen. Was macht Ihr lieber Sohn? Hält er mit Arndt gute
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Freundschaft? Empfehlen Sie mich beyder Andenken. Gott erhalte Sie gesund
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und erfreue Uns mit Ihrer Ankunft. Ich ersterbe Ihr alter aufrichtig
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ergebenster Freund
15
Johann Georg Hamann
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Adresse mit Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):
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Herrn / Herrn Hartknoch / in /
Riga
. /
par fav
.
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Vermerk von Hartknoch:
19
H. Hamann in Königsberg. Empf. den 22. Jan. 1780, beantw.
eodem.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
ZH IV 160–164, Nr. 578.
Zusätze fremder Hand
164/19 |
Johann Friedrich Hartknoch |