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Am Tage
Simonis Judae
79.

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Mein lieber Freund Kraus,

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Haben Sie meinen Brief vom 7
Aug.
erhalten? Sind Sie lebend oder tod?

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Gestern habe Ihre liebe
Cousine
als Oberhofpredigerin kennen gelernt, und

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Sie ist die Muse, die mich schreibseelig macht. Gestern vor 8 Tagen den 20
Oct.

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ist die Hochzeit gewesen. Den 27
Sept.
erhielt ich seinen Bräutigamsbesuch,

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der die Absicht hatte sich nach Ihrer
addresse
zu erkundigen, die ich ihm zwar

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gab aber die er nicht scheint gebraucht zu haben. Ihre
Cousine
hoft daß Sie

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Ihrem jungen Mann das nicht übel nehmen werden, was Sie sich Selbst

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verzeyhen. Freyl. würde ich vielleicht eifersüchtig seyn, wenn ein einziger sich

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eines Vorzugs rühmen könnte. Aber kein Mensch weiß von Ihnen mehr als ich.

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Ich bin von einem garstigen Schwindel eine Zeitlang geqvält worden, aber

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etwas erleichtert; doch wider Anwandelungen davon gehabt. Unser

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Kreuzfeld scheint auch eine zehrende Krankheit in sich zu schleppen. Mit dem Drittel

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seiner Uebersetzung ist er fertig und wird kaum mehr leisten können.

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Den dritten
Sept.
erschien eine Kutsche vor meiner Thür. Rathen Sie die

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Gesellschaft? Drey Excellenzen – Ihre vortrefl. Gräfin, der Gemal und der

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nach Rußl. gehende Abgesandte Graf von Görz, ein warmer Verehrer meines

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Herders, des Baron v Dahlberg, des Layenbruders zu Darmstadt. Die Gräfin

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Truchs war Begleiterin. Ich wollte vor Verlegenheit bersten. Ich hatte

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denselben Morgen einen so heftigen Anfall von Schwindel gehabt, daß ich mich

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aufgab; aber die
Crisis
schlug so gut aus daß ich den Tag drauf bey Ihrer

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Exc. speisen konnte. Daß von Ihnen auch die Rede war, können Sie leicht

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ermeßen.

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Wenn Sie mir
incognito
schreiben wollen, so soll kein Mensch wißen noch

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erfahren, daß ich einen Brief von Ihnen erhalten habe. Melden Sie mir doch

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den Namen Ihres Gefährten u. ob Sie den
Termin
eines Jahrs verlängern

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werden.

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Mlle
Stoltz ist bey mir und legt einen Gruß bey. Vorige Woche erhielt von

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Hartknoch die Nachricht, daß
Lenz
sich in Riga aufhielte u sich als ein sehr

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bescheidner u liebenswürdiger Mensch dort unterschiede. Sein alter Vater ist

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General Superintendent
in Liefl. Noch einen Gruß vom Clienten Brahl.

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Haben Sie meinen letzten Brief erhalten, so verstehen Sie den Pfiff des

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Beyworts. Ich kann es Ihrer
Excell.
nicht verdenken, wenn die Gedichte
ad Acta

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reponi
rt. Vielleicht hätte der Brief
   

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Hier wurde erzählt, daß Ihnen des
Prof.
Kypke Stelle zugedacht und ein

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Jahr Zeit gelaßen würde sich im Hebr. zu üben. Darnach geht das Gerüchte

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von
D.
Bahrdt u seiner Bestimmung hieher.

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Hofger.
Adv.
von Voß ist zieml. plötzl. gestorben u Glave hat ihm eine

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Standrede gehalten, die sehr bewundert werden soll.

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Leben Sie recht wohl und erfreuen Sie Ihre würdige
Cousine
mit einem

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Glückwunsch. Sehen Sie meine Nachricht an als im Namen eines Freundes

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von Ihm Selbst geschehen.

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Dem Himmel sey Lob u Dank. Diesen Augenblick erhalte:
Maran Atha!

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Ich küße u. umarme Sie.

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Flugs zur Antwort geschrieben an Ihren

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Johann Georg Hamann.


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Adresse mit Mundlackrest:

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HErrn Christian Jakob
Kraus
/ zu /
Göttingen
/ in der
Grünenstraße
.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 3.

Bisherige Drucke

ZH IV 123 f., Nr. 568.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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Oct.
]
Im Druckbogen von 1943 befindet sich zu dem Wort eine in ihrer Bedeutung unklare Fußnote:
H. schreibt:
Aug.